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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des U in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. September 1991, Zl. 314.633/1-III-3/91, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 19. März 1991 stellte die Y GesmbH ein Ansuchen um "Erweiterung der bestehenden Betriebsanlagengenehmigung" an einem näher umschriebenen Standort um 24 Sitzplätze im Freien und um weitere 16 Sitzplätze im Extrazimmer. Im Zuge der über dieses Ansuchen im erstinstanzlichen Verfahren am 8. Mai 1991 durchgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung gab der Beschwerdeführer die Erklärung ab, "daß auch durch eine Verlegung der Gartenverabreichungsplätze bzw. eine Überdachung die für den Bescheid des Amtes der NÖ Landesregierung vom 7.11.1990, Zl. V/1-BA-9077, maßgebenden Kriterien keine wesentliche Veränderung zeigen (entschiedene Sache)". Er sprach sich daher gegen die Erteilung der beantragten Bewilligung aus.
Mit Bescheid vom 3. Juni 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft X der Y Gesellschaft mbH die beantragte Genehmigung. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid vom 29. Juli 1991 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich diese Berufung gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 leg. cit. als unzulässig zurück. Begründend führte er nach Darstellung der Rechtslage im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei zur mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 1991 geladen worden; die Ladung habe einen Hinweis im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 enthalten. Das (oben bereits wiedergegebene) Vorbringen des Beschwerdeführers in dieser Verhandlung stelle keinen zulässigen Einwand im Sinne der Bestimmung des § 356 Abs. 3 leg. cit. dar. Von einem solchen Einwand könne nur dann die Rede sein, wenn er die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Nachbarn zum Inhalt habe.
Die gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftiche Angelegenheiten vom 27. September 1991 "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides, welche durch die Berufungsausführungen nicht entkräftet werden konnten", abgewiesen. Ergänzend führte der Bundesminister aus, die protokollierte Erklärung des Beschwerdeführers lasse auch ohne den Zusatz "(entschiedene Sache)" jede Behauptung der Verletzung eines konkret benannten subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 vermissen. Dafür aber, daß seitens des Beschwerdeführers im Zuge dieser mündlichen Verhandlung noch ein weiteres, eine taugliche Einwendung im Rechtssinne beinhaltendes Vorbringen erstattet worden wäre, ergebe sich - abgesehen von der Tatsache, daß die erwähnte Verhandlungsschrift vom 8. Mai 1991 vom Beschwerdeführer ordnungsgemäß unterfertigt worden sei und diese daher gemäß § 15 AVG vollen Beweis liefere - auch unter Berücksichtigung des gegen den angefochtenen Bescheid erstatteten Berufungsvorbringens kein Anhaltspunkt. Darin werde nämlich nach Wiederholung des protokollierten Vorbringens weiter ausgeführt, es sei mit dieser Erklärung BEABSICHTIGT gewesen, sämtliche Einwendungen aus einem früheren Genehmigungsverfahren auch im nunmehrigen Genehmigungsverfahren zu wiederholen. Die bloße, nicht nach außen dringende Absicht vermöge jedoch nicht mangelhaftes Vorbringen zu heilen. Der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 1991 sei eine ordnungsgemäße Kundmachung vorangegangen, welcher eine ausreichende Rechtsbelehrung beigefügt gewesen sei. Daß diese Rechtsbelehrung auch einem juristischen Laien wie dem Beschwerdeführer verständlich sein könne, gehe schon daraus hervor, daß der Beschwerdeführer in der in einem früheren Genehmigungsverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung, deren Kundmachung dieselbe Rechtsbelehrung enthalten habe, sehr wohl imstande gewesen sei, taugliche Einwendungen zu erheben. Eine in der Kundmachung einer mündlichen Verhandlung enthaltene ausreichende Rechtsmittelbelehrung enthebe aber die eine solche mündliche Verhandlung durchführende Behörde ihrer Pflicht, neuerlich in der mündlichen Verhandlung manuduzierend tätig zu werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen in den Rechten verletzt, entgegen der Bestimmung des § 356 Abs. 3 GewO 1973 nicht als Partei des Betriebsanlageverfahrens anerkannt worden zu sein und auf richtige Handhabung der Manuduktionspflicht durch die Behörde gemäß § 13a AVG. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer nach Darlegung der abstrakten Rechtslage vor, es sei nach Auffassung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall als selbstverständlich anzusehen, daß er Einwendungen im Rechtssinne erhoben habe. Es sei für die Bezirkshauptmannschaft X wie auch für den Landeshauptmann von Niederösterreich und den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten klar ersichtlich gewesen, in welche Richtung die Einwendungen des Beschwerdeführers gegangen seien. Im übrigen zeige auch die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides deutlich, daß diese Behörde von einer zulässigen Einwendung ausgegangen sei. Erst die zweite und dritte Instanz hätten eine gegenteilige Auffassung vertreten. Selbst wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der erstinstanzlichen Behörde nicht als Einwendung im Rechtssinne gewertete werden könne, wäre es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Behörde oblegen, ihrer Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG gerecht zu werden. Es könne nämlich als selbstverständlich gewertet werden, daß der Bezirkshauptmannschaft X als jener Behörde, die die mündliche Verhandlung in erster Instanz durchzuführen gehabt habe, klar ersichtlich gewesen sei, daß der Beschwerdeführer eine Einwendung hinsichtlich der Lärmimmissionen habe erheben wollen. Wenn nun diese Einwendung nicht in jede Richtung klar vorgebracht worden sei, hätte die Behörde im Rahmen ihrer Pflicht gemäß § 13a AVG den Beschwerdeführer entsprechend anleiten müssen.
Die Beschwerde erweist sich als nicht berechtigt.
Nach der Regelung des § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Eine Einwendung muß, um aufgrund des § 356 Abs. 3 GewO 1973 zu bewirken, daß ein Nachbar Parteistellung erlangt, somit auf einen oder mehrere der Tatbestände des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit. im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Nur wer eine solche Einwendung rechtzeitig erhebt, erlangt im Rahmen dieser Einwendung als Nachbar Parteistellung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0213).
Zufolge § 359 Abs. 4 leg. cit. steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Wortlaut der Erklärung des Beschwerdeführers in der erstinstanzlichen Verhandlung vermag der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die oben dargelegte Rechtslage in der Rechtsansicht der belangten Behörde, diese Erklärung könne nicht als Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 angesehen werden, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken, nimmt diese Erklärung doch ausschließlich darauf Bezug, daß nach Meinung des Beschwerdeführers die für eine frühere behördliche Entscheidung maßgebenden Kriterien keine wesentliche Veränderung gezeigt hätten. Aus dieser Erklärung ist nicht zu erkennen, der Beschwerdeführer erachte sich aus einem der in § 74 Abs. 2 normierten Tatbestände durch die Betriebsanlage gefährdet oder belästigt.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen traf die belangte Behörde auch keine Verpflichtung im Sinne des § 13a AVG den Beschwerdeführer auf die mangelnde Eignung seiner Erklärung zur Erlangung der Parteistellung hinzuweisen, da bereits in der Kundmachung der erstbehördlichen Augenscheinsverhandlung eine entsprechende Rechtsbelehrung enthalten war (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0213).
Aus den dargelegten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als nicht rechtswidrig. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar RechtsnachfolgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040333.X00Im RIS seit
28.04.1992