TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/28 92/05/0043

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Veröffentlicht am 28.04.1992
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1976 §41 Abs1;
BauO OÖ 1976 §44 Abs1;
BauO OÖ 1976 §44 Abs3;
BauO OÖ 1976 §61 Abs1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des 1) AS und 2) der MS in S, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Jänner 1992, Zl. BauR-010740/1-1992 Gr/Vi, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Jänner 1991 wurde den Beschwerdeführern die baubehördliche Bewilligung für die "Errichtung einer Maschinenhalle mit Dachgeschoß-Ausbau" auf dem Grundstück Nr. 1895/1, EZ 43 des Grundbuches über die Katastralgemeinde B erteilt, wobei anläßlich der vorangegangenen Bauverhandlung festgestellt worden ist, daß die Abstände des Bauvorhabens zur nordwestlichen Nachbargrundgrenze 10 m und zur nordöstlichen Nachbargrundgrenze 5,4 bzw. 3 m betragen.

In der Folge wurde in einem Schreiben der Bundesbahndirektion Linz vom 3. April 1991 festgestellt, daß die in den Einreichunterlagen eingezeichneten Maße, insbesondere die der Nachbargrenzen, unrichtig seien. Der Abstand der Gebäude von der Kante zur Bahngrundgrenze betrage nämlich nach Messungen der ÖBB lediglich 1,7 m beim geringsten Abstand und nicht, wie im Einreichplan angeführt, 10,5 m.

Anläßlich einer daraufhin vorgenommenen Überprüfung durch einen bautechnischen Amtssachverständigen wurde festgestellt, daß der Dachvorsprung im Bereich der nördlichen Gebäudeecke um 0,5 m über die Grundgrenze rage und der Abstand im Bereich der südwestlichen Gebäudeecke zirka 2,2 m betrage. Die Abstände zur Bahngrundgrenze entsprächen nicht dem mit Bescheid vom 21. Jänner 1991 genehmigten Projekt und die tatsächliche Situierung des Gebäudes stehe auch nicht mit den Bestimmungen der OÖ Bauordnung im Einklang.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Juli 1991 wurde den Beschwerdeführern daraufhin gemäß § 56 Abs. 3 der OÖ Bauordnung 1976 die Fortsetzung der Bauausführung untersagt und gleichzeitig unter Berufung auf § 61 Abs. 1 leg. cit. aufgetragen, innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Eintritt der Rechtskraft des Bescheides die konsenslos errichtete bauliche Anlage zu beseitigen. In der Begründung dieses Bescheides wurde u.a. ausgeführt, daß das Gebäude zufolge § 32 Abs. 2 leg. cit. einen Abstand zur Nachbargrundgrenze von mindestens drei Meter einhalten müsse. Da die tatsächliche Situierung der Maschinenhalle jedoch weder den Bestimmungen der OÖ Bauordnung noch der erteilten Baubewilligung, welche auf dem im eingereichten Lageplan dargestellten Abstand von 10 m zur Grundgrenze der ÖBB basiere, entspreche, sei der Beseitigungsauftrag zu erteilen gewesen.

Mit dem auf dem Beschluß des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Dezember 1991 beruhenden Bescheid vom 18. Dezember 1991 wurde die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Jänner 1992 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführer durch diesen Bescheid der mitbeteiligten Gemeinde nicht in ihren Rechten verletzt worden seien.

Nach einer Wiedergabe des Wortlautes der §§ 56 Abs. 3 und 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung 1976 stellte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides fest, daß das in Rede stehende Grundstück von keinem Bebauungsplan erfaßt werde und auch nicht in einem geschlossen bebauten Gebiet liege, weshalb hinsichtlich des Mindestabstandes zu den Nachbargrundgrenzen die zwingende Bestimmung des § 32 Abs. 2 lit. b der OÖ Bauordnung anzuwenden sei, wonach dieser Abstand mindestens 3 m betragen müsse. Die Baubewilligung vom 21. Jänner 1991 sei unter Zugrundelegung des von den Beschwerdeführern eingereichten Lageplanes, welcher einen Abstand von 10 m zur Bahngrundgrenze vorsehe, erteilt worden. Wie sich bei einer späteren Vermessung herausgestellt habe, betrage der Abstand des tatsächlich errichteten Bauwerkes zur Bahngrundgrenze im Bereich der südwestlichen Gebäudeecke nur zirka 2,2 m. Im Bereich der nördlichen Gebäudeecke werde die Grundgrenze vom Dachvorsprung der Maschinenhalle sogar um 0,5 m überragt. Es liege daher eine Planabweichung vor, die im Lichte des § 53 Abs. 2 leg. cit. bewilligungspflichtig sei, weil diese Abweichung eine Änderung des Bauvorhabens darstelle, die auch bei einer schon bestehenden baulichen Anlage bewilligungspflichtig sei. Da diese Planabweichung nicht baubehördlich bewilligt sei - sie werde vom Baubewilligungsbescheid vom 21. Jänner 1991 nicht erfaßt -, handle es sich bei dem bereits ausgeführten Bauwerk um eine konsenslos errichtete bauliche Anlage im Sinne des § 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung 1976. Was den baupolizeilichen Beseitigungsauftrag anlange, gehe aus § 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung 1976 hervor, daß die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung für eine bewilligungslose bauliche Anlage anzusuchen, dann nicht einzuräumen sei, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden könne. Da im vorliegenden Fall die zwingende gesetzliche Regelung des § 32 Abs. 2 lit. b leg. cit. verletzt sei und die einzige Möglichkeit der Sanierung dieses Mangels, nämlich ein Grundkauf durch die Beschwerdeführer, auf Grund der Nähe zu den Bahngleisen ausscheide, sei auch der baupolizeiliche Beseitigungsauftrag zu Recht ergangen. Zu dem von den Beschwerdeführern vorgebrachten Einwand, es handle sich bei der in dem von ihnen vorgelegten Lageplan enthaltenen Abstandsangabe von 10 m lediglich um einen Schreibfehler, der der Behörde bzw. dem Amtssachverständigen anläßlich der Begutachtung des zum Zeitpunkt der mündlichen Bauverhandlung bereits teilweise errichteten Bauwerkes hätte auffallen müssen, sei zu sagen, daß das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren sei, bei dem die Zulässigkeit des Bauvorhabens auch bei nachträglichen Baubewilligungen nur auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen sei. Dabei sei zu beachten, daß nach § 44 Abs. 6 der OÖ Bauordnung 1976 allein der Verfasser der Baupläne und nicht etwa die Baubehörde für deren Richtigkeit und Vollständigkeit verantwortlich sei. Rechte der Beschwerdeführer seien daher durch den bekämpften Berufungsbescheid der mitbeteiligten Gemeinde nicht verletzt worden.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verstößt der angefochtene Bescheid nicht gegen § 68 AVG, weil jenes Bauwerk, welches Gegenstand des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Berufungsbescheides der mitbeteiligten Gemeinde ist, nicht mit jenem identisch ist, für welches mit dem rechtskräftigen erstinstanzlichen Bescheid vom 21. Jänner 1991 eine baubehördliche Bewilligung erteilt worden ist. Angesichts der Rechtskraft dieses Baubewilligungsbescheides ist es nicht mehr von Belang, ob die Baubehörde erster Instanz vor Erlassung dieses Bescheides ihrer Vorprüfungsverpflichtung im Sinne des § 45 der OÖ Bauordnung entsprochen hat, weshalb für das vorliegende Verfahren bindend davon auszugehen ist, daß mit diesem Bescheid ein Projekt genehmigt worden ist, bei welchem der Abstand zur nördlichen Grundgrenze entsprechend dem von den Beschwerdeführern dem Bauansuchen zugrunde gelegten Einreichplan 10 m beträgt. Bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde zutreffend darauf hingewiesen, daß die Zulässigkeit des Bauvorhabens auch bei nachträglichen Baubewilligungen nur auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen ist (vgl. dazu das h. g. Erkenntnis vom 15. September 1983, Zl. 82/06/0192, BauSlg. Nr. 96), weshalb die Beschwerdeführer mit ihrem Hinweis darauf, daß bei der dem Baubewilligungsbescheid vom 21. Jänner 1991 vorausgegangenen Bauverhandlung "das gegenständliche Bauobjekt auf der Grundstücksparzelle bereits bestand" für ihren Standpunkt nichts gewinnen können. Infolge der Rechtskraft dieses Bescheides kann auch die Behauptung der Beschwerdeführer, auf Grund des schon bestehenden Gebäudes sei offenkundig gewesen, "daß hier ein Schreibfehler vorlag", nicht etwa zur Folge haben, daß mit diesem Bescheid der von den Einreichunterlagen jedenfalls hinsichtlich des erwähnten Abstandes zur Grundgrenze abweichende, tatsächlich errichtete Bau als baubehördlich bewilligt angesehen werden müßte. Mit Rücksicht auf die der erwähnten Bauverhandlung zugrunde gelegten Einreichunterlagen, in welchen offensichtlich nicht der tatsächliche, sondern ein dem Gesetz entsprechender Gebäudeabstand vorgesehen war, bestand seitens der Österreichischen Bundesbahnen auch keine Veranlassung, bei der Bauverhandlung als Nachbar eine Verletzung von Abstandsvorschriften geltend zu machen. Im übrigen ist das bereits in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene und von den Beschwerdeführern erwähnte Schreiben der Bundesbahndirektion Linz lediglich im Sinne eines Hinweises gegenüber der Baubehörde zu verstehen, daß "die in den Einreichunterlagen eingezeichneten Maße, insbesondere die der Nachbargrenzen, unrichtig" sind. Ein den Vorstellungen der Beschwerdeführer entsprechendes Vorgehen der Baubehörde im Sinne des § 47 Abs. 3 der OÖ Bauordnung 1976 (wonach die Baubehörde bei Anberaumung der Bauverhandlung dem Bauwerber auftragen kann, daß das Bauvorhaben in seiner grundrißmäßigen Ausdehnung durch Auspflocken und allenfalls noch vor der Bauverhandlung in der Natur ersichtlich gemacht wird) wäre zu diesem Zeitpunkt schon deshalb nicht mehr in Frage gekommen, weil damals nicht nur die Bauverhandlung bereits durchgeführt, sondern auch der Baubewilligungsbescheid schon rechtskräftig geworden war.

Den Beschwerdeführern wurde auch zu Recht nicht die Möglichkeit eingeräumt, im Sinne des § 61 Abs. 1 der OÖ Bauordnung 1976 nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, weil dies nach dieser Bestimmung vorausgesetzt hätte, daß nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung für das den Gegenstand des Entfernungsauftrages bildende Objekt erteilt werden kann. Eine derartige Bewilligungsfähigkeit hat die belangte Behörde aber zutreffend ausgeschlossen, da nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon auszugehen ist, daß für das Grundstück der Beschwerdeführer kein rechtswirksamer Bebauungsplan besteht und kein geschlossen bebautes Gebiet vorliegt, weshalb im Sinne der zwingenden Vorschrift des § 32 Abs. 2 lit. b leg. cit. der Abstand des Gebäudes von der Nachbargrenze mindestens 3 m betragen muß, wovon aber unbestritten nicht auszugehen ist. Wenn die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, daß "durch Einziehen einer neuen Rückwand mit einem Mindestabstand von 3 m bei Abtragen der derzeit bestehenden hinteren Wand die im übrigen nicht unbeträchtliche Bausubstanz erhalten" werden könnte, so übersehen sie dabei, daß einer derartigen Überlegung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides deshalb keine rechtliche Bedeutung zukommt, weil es bei der im Gegenstande vorzunehmenden Prüfung im Sinne des § 61 Abs. 1 leg. cit. lediglich auf die Bewilligungsfähigkeit des vom Entfernungsauftrag betroffenen tatsächlichen Baubestandes, und nicht darauf ankommt, durch welche Veränderungen die Voraussetzungen für eine Bewilligungsfähigkeit geschaffen werden können. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ergibt sich aus dieser Bestimmung der Bauordnung keine Verpflichtung der Baubehörde, "eine angemessene Frist einzuräumen, um gegebenenfalls eine nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für eine geringfügig abgeänderte Baumaßnahme zu erteilen". Es bleibt den Beschwerdeführern allerdings unbenommen, ohne Zutun der Baubehörde eine derartige Baubewilligung zu beantragen.

Abschließend ist festzuhalten, daß auch die unter Berufung auf § 56 Abs. 3 der OÖ Bauordnung 1976 ausgesprochene Untersagung der Fortführung der Bauarbeiten dem Gesetz entspricht, weil davon auszugehen ist, daß beim Bauvorhaben der Beschwerdeführer Planabweichungen gegenüber dem schon erwähnten, im gegebenen Zusammenhang allein maßgebenden Baubewilligungsbescheid vom 21. Jänner 1991 vorgenommen worden sind und jedenfalls die Abstände des Objektes zur Grenze des erwähnten Nachbargrundstückes entsprechend den vorstehenden Ausführungen mit den diesem Bescheid zugrundeliegenden Einreichunterlagen nicht übereinstimmen.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung der Beschwerdeführer nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich auch eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050043.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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