TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/28 92/07/0061

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Veröffentlicht am 28.04.1992
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Index

L66501 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §68 Abs1;
FlVfGG §18;
FlVfLG Bgld 1970 §49 Abs7;
FlVfLG Bgld 1970 §53 Abs5 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla, Dr. Kratschmer und Dr. Hargassner als Richter im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der Urbarialgemeinde O, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 18. Februar 1992, Zl. LAS-41/6-1991 (mitbeteiligte Partei: G in W), betreffend agrarbehördliche Genehmigung eines Kaufvertrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge beschloß die Beschwerdeführerin in der Vollversammlung vom 9. Dezember 1962 den Verkauf eines Hausplatzes im Ausmaß von 4.000 m2 an "Herrn G". Mit am 17. September 1965 von der mitbeteiligten Partei (mP) und am 20. Oktober 1969 von der Beschwerdeführerin unterfertigtem Kaufvertrag verkaufte die Beschwerdeführerin an die mP die in der KG I gelegene GP Nr. 1685/114 im Ausmaß von

1.108 m2 und die GP 1685/115 im Ausmaß von 4.465 m2, insgesamt sohin 5.573 m2. Dieser Kaufvertrag wurde mit Bescheid des Amtes der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 24. Mai 1976 mit der Auflage genehmigt, daß das Ausmaß der Grundstücke 4.000 m2 nicht übersteigen dürfe. Die belangte Behörde behob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 18. Oktober 1976 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die AB. Mit weiterem Bescheid vom 15. November 1977 genehmigte die AB den obzitierten Kaufvertrag vom 17. September 1965 bzw. vom 20. Oktober 1969 neuerlich mit der Auflage, daß das Ausmaß der Grundstücke 4000 m2 nicht übersteigen dürfe. Die dagegen von der mP eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde infolge Verspätung zurück.

In der Folge vertrat die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht, der seinerzeit geschlossene Kaufvertrag sei von der Agrarbehörde nicht (nämlich hinsichtlich des Ausmaßes von 5.573 m2) genehmigt worden und daher ex tunc unwirksam. Die Beschwerdeführerin zahlte den Kaufpreis samt Zinsen an die mP zurück; diese nahm die Leistung des Kaufpreises jedoch nicht an und es wurde dieser gerichtlich hinterlegt. Weiters beantragte die Beschwerdeführerin vor den ordentlichen Gerichten die urteilsmäßige Feststellung der rechtlichen Unwirksamkeit des seinerzeit abgeschlossenen Kaufvertrages; dem Beschwerdevorbringen nach hat das Gericht jedoch deshalb über diesen Antrag nicht entschieden, da vorerst hierüber durch die Agrarbehörde bzw. die Grundverkehrskommission zu entscheiden wäre.

Mit Schreiben vom 20. Februar 1990 beantragte die Beschwerdeführerin bei der AB die Genehmigung des seinerzeit (1965 bzw. 1969) abgeschlossenen Kaufvertrages in seiner schriftlich vorliegenden Form, d.h. über 5.573 m2. Hierauf antwortete diese Behörde mit Schreiben vom 14. März 1990, daß der Kaufvertrag, wie er seinerzeit urkundlich aufgesetzt worden sei, agrarbehördlich nicht genehmigt werden könne und verwies dabei auf die Vollversammlungsbeschlüsse der Beschwerdeführerin vom 9. Dezember 1962 (Einräumung eines Bauplatzes im Ausmaß von 4.000 m2 zum Kaufpreis von S 40.000,-- zum Zweck der Errichtung eines Wohnhauses und einer Reithalle), weiters vom 23. September 1972 (Ablehnung der Erweiterung des Bauplatzes über 4.000 m2 hinaus), vom 25. November 1973 (Beschluß über die Rückerstattung des Kaufpreises) sowie auf jene Satzungsbestimmung, wonach Urkunden über Rechtsgeschäfte, die der Beschlußfassung der Vollversammlung unterliegen, sich auf einen solchen Beschluß berufen müßten. Mit weiterem Schreiben vom 26. April 1991 beantragte die Beschwerdeführerin den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die belangte Behörde.

Diese gab mit dem angefochtenen Erkenntnis im Spruchabschnitt 1. dem Devolutionsantrag statt und wies im Spruchabschnitt 2. den Antrag der Beschwerdeführerin betreffend agrarbehördliche Genehmigung eines mit der mitbeteiligten Partei als Käuferin abgeschlossenen Kaufvertrages vom 17. September 1965 bzw. 20. Oktober 1969 wegen entschiedener Sache zurück. Begründend wurde in letzterer Hinsicht ausgeführt, daß über diesen Antrag auf agrarbehördliche Genehmigung bereits seinerzeit rechtskräftig abgesprochen worden sei und sich seither weder die Rechtslage noch der Sachverhalt geändert hätten.

In der vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Im vorliegenden Fall ist die Rechtsfrage zu beurteilen, ob entschiedene Sache im Sinne der eben zitierten Gesetzesstelle vorliegt (und daher die belangte Behörde zu Recht eine Sachentscheidung verweigert hat) oder über den Antrag auf Genehmigung des seinerzeit geschlossenen Kaufvertrages in der Sache selbst abzusprechen gewesen wäre.

Für den Anwendungsbereich des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist die Frage der Rechtskraft durch § 68 umschrieben. Gemäß § 1 Agrarverfahrensgesetz 1950 findet diese Bestimmung auch im Verfahren vor den Agrarbehörden Anwendung. Die Rechtskraft bewirkt bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage das Prozeßhindernis der res iudicata. Voraussetzung dieses Prozeßhindernisses ist die Identität der Sache. Haben sich seit der Erlassung des Bescheides wesentliche Änderungen im Sachverhalt ergeben, liegt ebensowenig Identität der Sache vor, wie wenn an Stelle der Verwaltungsvorschriften, die dem Bescheid zugrunde liegen, neue Vorschriften getreten sind, nach denen eine neue Rechtslage gegeben ist. Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. h.g. Erkenntnis vom 22. Juni 1981, Zl. 81/07/0046, 81/07/0050, mit weiterem Nachweis).

Im Gegenstand ist unbestritten, daß der vorliegende, zwischen der Beschwerdeführerin und der mP abgeschlossene Kaufvertrag von 1965 bzw. 1969 bereits Gegenstand der bescheidmäßigen Anerkennung durch die AB war, das heißt, daß diese bereits mit (inzwischen in Rechtskraft erwachsenem) Bescheid vom 15. November 1977 über diesen Vertrag abgesprochen hat. Unbestritten ist weiters, daß im vorliegenden Verfahren derselbe Vertrag nochmals genehmigt werden soll. Wie bereits gezeigt, stünde einer derartigen Genehmigung das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache nur dann nicht entgegen, wenn sich seit Erlassung des Bescheides wesentliche Änderungen des Sachverhaltes oder der Rechtslage ergeben hätten. Daß eine derartige neue Rechtslage vorliegt, wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Dem Beschwerdevorbringen zufolge besteht die geänderte Sachlage darin, daß nach Rechtskraft des Genehmigungsbescheides ein Vertrag über die auflagenbedingten 4.000 m2 nicht zustandegekommen ist. Damit verkennt jedoch die Beschwerde das Wesen des Begriffs der Identiät der Sache: Es ist - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht ja gerade darin, daß die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf

(vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, E 45 zu § 68 AVG). Daraus folgt weiters, daß im vorliegenden Verfahren nicht mehr die Frage aufgerollt werden kann, ob seinerzeit die Behörde den gegenständlichen Vertrag zu Recht nur hinsichtlich 4.000 m2 genehmigt hat. Daß nach Rechtskraft des Genehmigungsbescheides ein Vertrag über jene 4.000 m2 nicht zustandegekommen ist, vermag aber keine geänderte Sachlage im Sinne des § 68 AVG darzustellen.

Da sich bereits aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992070061.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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