TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/28 91/11/0153

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.1992
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AHR;
AVG §59 Abs1;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs3;
AVG §79a;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
KFG 1967 §102 Abs5 lita;
KFG 1967 §102 Abs5 litb;
KFG 1967 §36 lita;
KFG 1967 §76 Abs1;
RAO 1868 §37 Z5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §50;
VwGG §52 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des T in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 18. September 1991, Zl. VwSen-400042/12/Gf/Kf, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, (weitere Partei: Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie die (in den Spruchteilen I.1. und 2. des angefochtenen Bescheides genannte) "Anordnung der Herausgabe des Führerscheines" und die "auf ein entsprechendes Begehren hin in der Folge unterlassene Zurückstellung des Führerscheines durch die belangte Behörde" betrifft, zurückgewiesen und in Ansehung der (im Spruchteil I.1. des angefochtenen Bescheides genannten) "Anordnung der Herausgabe des Zulassungsscheines" als unbegründet abgewiesen.

Hingegen wird der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines (im Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides enthaltenen) Ausspruches über den Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer gemäß § 67c AVG erhobenen Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde mit dem Bescheid vom 18. September 1991 die "am 1. Juni 1991 verfügte Anordnung der Herausgabe des Führerscheines und des Zulassungsscheines sowie die Anordnung einer Blutabnahme" (durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Braunau) als nicht rechtswidrig fest; die Beschwerde wurde insoweit gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen (Spruchteil I.1.). Hingegen sei die "auf ein entsprechendes Begehren hin in der Folge unterlassene Zurückstellung des Führerscheines" durch die Bezirkshauptmannschaft Braunau rechtswidrig gewesen, weshalb ausgesprochen wurde, daß insoweit der Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG stattgegeben wird (Spruchteil I.2.). Gemäß § 79a AVG wurde dem Beschwerdeführer gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Braunau "als belangter und hinsichtlich der festgestellten Rechtswidrigkeit für den Bund tätig gewordenen Behörde" Kostenersatz in der Höhe von S 12.516,20 zugesprochen; das Kostenmehrbegehren von S 37.991,20 wurde abgewiesen (Spruchteil II.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - soweit darüber (nämlich in Ansehung der erfolgten Blutabnahme) nicht bereits mit dem Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 91/02/0150, entschieden worden ist - erwogen hat:

1. Wie sich aus der vom Beschwerdeführer erhobenen Maßnahmenbeschwerde an die belangte Behörde auf Grund der Anfechtungserklärung in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem abschließend gestellten Begehren eindeutig ergibt, hat der Beschwerdeführer eine - jeweils der Bezirkshauptmannschaft Braunau zuzurechnende - Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in der "Abnahme meines Führerscheines und meines Zulassungsscheines am 1.6.1991 gegen 23.00 Uhr durch einen Gendarmeriebeamten des GPK-Maria Schmolln" sowie in der um 0.12 Uhr des 2.6.1991 durchgeführten Blutabnahme auf Veranlassung der Gendarmeriebeamten" erblickt und diese drei Maßnahmen in Beschwerde gezogen. In Ansehung der vom Beschwerdeführer behaupteten Abnahme des Führerscheines und des Zulassungsscheines hat die belangte Behörde die Ansicht vertreten, daß die Herausgabe beider Dokumente "jedenfalls zu Beginn der Amtshandlung" (im Zuge einer Verkehrskontrolle nach einem vom Beschwerdeführer verursachten Verkehrsunfall) rechtmäßigerweise auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG 1967 begehrt, der Führerschein aber in der Folge ohne entsprechende Rechtsgrundlage einbehalten, hingegen die Wiederausfolgung des Zulassungsscheines nicht verweigert worden sei. Dem entspricht die Gliederung des Spruches im angefochtenen Bescheid, die allerdings nicht auf diese Weise hätte vorgenommen werden dürfen, weil die vom Beschwerdeführer bekämpfte Abnahme seines Führerscheines nicht in zwei einzelne Maßnahmen, nämlich einerseits in die "Anordnung der Herausgabe des Führerscheines" - die im übrigen, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellte (vgl. dazu die die "Anordnung der Blutabnahme" betreffenden, sinngemäß auch diesbezüglich geltenden Ausführungen im schon erwähnten Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 91/02/0150) - und andererseits in die "auf ein entsprechendes Begehren hin in der Folge unterlassene Zurückstellung des Führerscheines durch die belangte Behörde", hätte zerlegt werden dürfen und der Beschwerdeführer die Rechtswidrigerklärung der Abnahme seines Zulassungsscheines und nicht bloß der "Anordnung der Herausgabe des Zulassungsscheines" - die gleichermaßen keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beinhaltete - beantragt hat. Dies vermag aber daran nichts zu ändern, daß damit eine das Begehren des Beschwerdeführers in seiner Maßnahmenbeschwerde zur Gänze erledigende Entscheidung getroffen worden ist, wobei hinsichtlich der Abnahme des Führerscheines die Spruchteile I.1. (soweit sich dieser darauf bezieht) und I. 2. als Einheit in dem Sinne zu verstehen sind, daß diese Maßnahme gemäß § 67c Abs. 3 AVG für rechtswidrig erklärt wird (weshalb der Abweisung der Beschwerde in Bezug auf die vorangegangene "Anordnung der Herausgabe des Führerscheines" keine eigenständige rechtliche Bedeutung zukommt) und hinsichtlich der Abnahme des Zulassungsscheines die Beschwerde gemäß derselben Gesetzesstelle als unbegründet abgewiesen anzusehen ist.

2. Der Beschwerdeführer ficht den gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde "zur Gänze" an und macht auch geltend, daß die (im Spruchteil I.2. angeführte) "auf ein entsprechendes Begehren hin in der Folge unterlassene Zurückstellung des Führerscheines durch die belangte Behörde" keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bedeutet habe. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß dies nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vlg. u.a. die Beschlüsse vom 12. Juni 1981, Zlen. 81/02/0023, 0148, und vom 12. September 1989, Zlen. 89/11/0039, 0043 bis 0045) nur dann zutreffen würde, wenn nach bereits erfolgter Abnahme des Führerscheines trotz eines entsprechenden Verlangens dessen Wiederausfolgung verweigert wird, dies aber die belangte Behörde nicht angenommen hat. Sie hat nämlich die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme damit begründet, daß der Führerschein dem Beschwerdeführer zwar im Zuge der Amtshandlung nicht ausgefolgt werden konnte, weil dieser schwerverletzt in ein Krankenhaus gebracht wurde, das betreffend Straßenaufsichtsorgan aber in der Folge eine Bescheinigung gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 ausgestellt hat, ohne daß die Absicht vorlag, den Führerschein auf Grund dieser gesetzlichen Regelung abzunehmen, es den einbehaltenen Führerschein an die Bezirkshauptmannschaft Braunau im Hinblick auf ein zu erwartendes Entziehungsverfahren weitergeleitet hat und von dieser Behörde nicht dafür Sorge getragen wurde, daß der Führerschein "den gesetzlichen Vertretern des Beschwerdeführers auf deren Verlangen hin ausgefolgt wird", woraus sich ergibt, daß die belangte Behörde - ob zu Recht oder zu Unrecht, kann dahingestellt bleiben - die (von ihr für rechtswidrig erklärte) Abnahme des Führerscheines erst durch die "auf ein entsprechendes Begehren in der Folge unterlassene Zurückstellung des Führerscheines durch die belangte Behörde" vollendet erachtet hat. Maßgeblich ist aber, daß der Beschwerdeführer durch die die Abnahme des Führerscheines betreffenden (wie gesagt, als Einheit zu betrachtenden) Aussprüche im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht in seinen Rechten verletzt werden konnte, weil das betreffende behördliche Verhalten ohnedies zu seinen Gunsten für rechtswidrig erklärt worden ist.

Diesbezüglich war daher die Beschwerde wegen mangelnder Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen, wobei diese Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat ergangen ist.

3. Die belangte Behörde hat festgestellt, daß das betreffende Straßenaufsichtsorgan den sich auf Grund des § 102 Abs. 5 lit. b KFG 1967 in seinen Händen befindlichen Zulassungsschein - anders als dies beim Führerschein der Fall war - der Mutter des Beschwerdeführers "einige Tage nach dem Unfall über deren Verlangen" ausgefolgt habe, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers von der Bestimmung des § 57 Abs. 8 KFG 1967 nicht (und daher auch nicht rechtswidrig) Gebrauch gemacht worden, sondern die Rückgabe des Zulassungsscheines den Umständen entsprechend ehestmöglich erfolgt sei. Die Erörterung der Frage, ob letzteres tatsächlich zugetroffen hat, kann auf sich beruhen, ebenso wie es im gegebenen Zusammenhang rechtlich ohne Belang ist, ob der Zulassungsschein - wie der Beschwerdeführer behauptet - erst eine Woche (und nicht schon einige Tage) nach dem Unfall wiederausgefolgt worden ist, weshalb die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, es wäre die "genaue Feststellung des Rückgabezeitpunktes" durch die Einvernahme seiner Mutter zu klären gewesen, unberechtigt ist. Entscheidend ist einzig und allein der Umstand, daß von seiten des betreffenden Straßenaufsichtsorgans hinsichtlich des Zulassungsscheines kein Verwaltungsakt gesetzt wurde, der als eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gewertet werden müßte. Dem Beschwerdeführer ist im Ergebnis wohl darin beizupflichten, daß § 102 Abs. 5 lit. b KFG 1967 vornehmlich den Zweck verfolgt, eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob das im gegenständlichen Fall verwendete Kraftfahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 36 lit. a leg. cit.), und daß dieser Zweck spätestens mit Beendigung der Amtshandlung, in deren Zuge die Aushändigung des Zulassungsscheines erfolgt ist, erfüllt ist. Aus der eigenen Schilderung des Sachverhaltes durch den Beschwerdeführer in seiner Maßnahmenbeschwerde geht aber (in Übereinstimmung mit der Aktenlage) zweifelsfrei hervor, daß die Amtshandlung noch nicht beendet war, als der Beschwerdeführer von der Unfallstelle in das Krankenhaus weggebracht und während des Transportes bewußtlos wurde. Zufolge der Bewußtlosigkeit des Beschwerdeführers, die nach seiner Behauptung bis "gegen 10.00 Uhr vormittag des 2.6.1991" andauerte, war eine Rückgabe des Zulassungsscheines an den Beschwerdeführer erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Dadurch, daß der Zulassungsschein darauf hin bis zu seiner Wiederausfolgung an die Mutter des Beschwerdeführers in Verwahrung bei der Gendarmerie verblieb, wurde gegenüber dem Beschwerdeführer kein Zwang ausgeübt, sodaß die Voraussetzungen für die Annahme, es liege eine "faktische Amtshandlung" im Sinne des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG vor, nicht gegeben sind (vgl. auch dazu das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1992, Zl. 91/02/0150, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Da sich somit in diesem Punkt die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Die belangte Behörde hat (auch) bei Berechnung der dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG zu ersetzenden Kosten ihrem Standpunkt Rechnung getragen, daß der Beschwerdeführer insgesamt drei Maßnahmen bekämpft und nur in Ansehung einer von ihnen obsiegt hat, weshalb sie ihm ein Drittel seiner Kosten zuerkannt hat, und zwar "in analoger Heranziehung" näher genannter Bestimmungen des Rechtsanwaltstarifgesetzes in Verbindung mit solchen der Autonomen Honorarrichtlinien des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (AHR). Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen sowohl hinsichtlich der Bemessungsgrundlage als auch hinsichtlich der auf dieser Grundlage erfolgten ziffernmäßigen Berechnung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 91/19/0162 (sowie in mehreren Folgeerkenntnissen, so in jenem vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0071) ausgesprochen, daß sich die Behörde bei der Entscheidung über den Kostenersatz gemäß § 79a AVG an den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 104/1991, zu orientieren hat, wobei unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unter- bzw. Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen unterschiedlichen Mühewaltung die in dieser Verordnung angeführten Pauschalsätze um ein Drittel (gerundet) zu kürzen sind, und die Anwendbarkeit der AHR (die der Beschwerdeführer seinem Kostenbegehren zugrundegelegt hat) verneint. Berücksichtigt man in diesem Sinne auch die Bestimmung des § 52 Abs. 1 VwGG, wonach dann, wenn in einer Beschwerde mehrere Verwaltungsakte angefochten wurden, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen ist, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre, so wäre (unter Beachtung des gelegten Kostenverzeichnisses) in Ansehung der Maßnahme, hinsichtlich der der Beschwerdeführer obsiegt hat (Abnahme des Führerscheines), abgesehen von verzeichneten Stempelgebühren für Schriftsatzaufwand ein Betrag von S 7.413,-- (S 11.120,-- minus S 3.707,--) und für Verhandlungsaufwand (im Zusammenhang mit der Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. September 1991) ein Betrag von S 9.277,-- (S 13.915,-- minus S 4.638,--) und demnach insgesamt ein höherer Betrag als mit dem angefochtenen Bescheid zuerkannt wurde, zuzusprechen gewesen.

Der angefochtenen Bescheid war somit in seinem Spruchteil II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der erwähnten Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991110153.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten