TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/29 92/17/0045

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Veröffentlicht am 29.04.1992
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Index

L10103 Stadtrecht Niederösterreich;
L37043 Ankündigungsabgabe Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AnkündigungsabgabeG NÖ 1979 §12 Abs3;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;
Statut Krems/Donau 1977 §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des Dr. XY in Z, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. August 1987, Zl. II/1-BE-B-8/6/87, betreffend Übertretung des NÖ-Ankündigungsabgabegesetzes 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 18. September 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 VStG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 NÖ-Ankündigungsabgabegesetzes 1979 begangen zu haben, daß er am 12. Juli 1986 eine näher bezeichnete Person beauftragt habe, in Krems Flugzettel zu verteilen, ohne für diese geplante Ankündigung vor ihrer Durchführung dem Magistrat Krems schriftlich Meldung zu erstatten und die Ankündigungsabgabe zu entrichten. Über den Beschwerdeführer wurde in Anwendung des § 12 Abs. 1 des Nö-Ankündigungsabgabegesetzes 1979 eine Geldstrafe von S 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Stunden) verhängt.

Das Straferkenntnis enthält eingangs folgende Bezeichnung:

"Behörde (Anschrift, Telefon, Telex, DVR)

Magistrat der Stadt Krems a.d. Donau Magistratsabteilung I"

Das erstbehördliche Straferkenntnis wurde "für den Bürgermeister" gefertigt. Aus dem weiteren Bescheidinhalt ist die bescheiderlassende Behörde nicht zu entnehmen.

Mit Bescheid der NÖ-Landesregierung vom 13. August 1987 wurde "der Berufung ... gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Krems a.d. Donau vom 18. August 1986 ... insoweit keine Folge gegeben und die Berufung als unbegründet abgewiesen, als sie sich gegen die Bestrafung nach dem NÖ-Ankündigungsabgabegesetz 1979 und die in diesem Zusammenhang auferlegten Kosten richtet".

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Juni 1988, B 999/87-15, - nach Feststellung, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei - abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sei.

Der Beschwerdeführer wurde vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Ergänzung der Beschwerde hinsichtlich der Angaben gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 und 6 VwGG aufgefordert.

Nach der hierauf eingebrachten Beschwerdeergänzung erachtet sich der Beschwerdeführer in folgendem Recht verletzt:

"Durch den von mir am 26. September 1987 mit Verfassungsgerichtshofbeschwerde angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. August 1987 wurde ich in dem mir gemäß § 3 (1) lit. c. NÖ-Ankündigungsabgabengesetz gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Ankündigungsabgabe verletzt. Diese Befreiung hatte ich deshalb mit Recht beansprucht, weil ich die Flugzettelverteilung vom 12. Juli 1986 als Organ der politischen Partei NDP für diese vornehmen ließ und es sich somit um eine gebührenfreie Ankündigung einer politischen Partei mit politischem Inhalt handelte.

Außerdem wurde ich durch den angefochtenen Bescheid in dem mir gemäß § 45 (1) lit. a) und b) VStG gewährleisteten Recht auf Einstellung des Verfahrens wegen Nichtvorliegens der Verwaltungsübertretung nach § 7 VStG 1950 i.V. mit § 7 (1) NÖ-Ankündigungsabgabegesetz verletzt."

Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Mit Beschluß vom 9. März 1990 stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag, § 12 Abs. 1 und Abs. 3 zweiter Satz des Nö-Ankündigungsabgabegesetzes 1979, LGBl. Nr. 3704-0, als verfassungswidrig aufzuheben.

Auf Grund dieses Antrages hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. November 1991, G 64/90-9, § 12 Abs. 3 zweiter Satz des NÖ-Ankündigungsabgabegesetzes 1979, LGBl. Nr. 3704-0, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Oktober 1992 in Kraft tritt sowie daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Im übrigen wurde dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes (auf Aufhebung des § 12 Abs. 1 NÖ-Ankündigungsabgabegesetzes 1979) keine Folge gegeben.

Da im Hinblick auf die Zurechnung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses Gründe für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides maßgebend sein könnten, die den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bisher nicht bekannt gegeben wurden, wurden die Parteien dazu gemäß § 41 Abs. 1 VwGG mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1992 gehört.

Innerhalb der gesetzten Frist erstattete die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 24. März 1992 eine Äußerung. In dieser wird im wesentlichen vorgebracht, wende man die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Behördenbezeichnung "Amt der ... Landesregierung" (z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984 Slg. N.F. Nr. 11625/A) sinngemäß auf den vorliegenden Fall an, so ergebe sich bei der gebotenen Annahme des gesetzeskonformen Vorgehens der Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1992, 86/12/0254), daß das erstinstanzliche Straferkenntnis der zuständigen Behörde, nämlich dem Bürgermeister der Stadt Krems zuzurechnen sei.

Der Beschwerdeführer brachte in seiner Äußerung vom 31. März 1992 (zusammengefaßt) vor, daß der angefochtene Bescheid keine Rechtsmittelentscheidung über eine erstinstanzliche Entscheidung "der hier allein zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde" sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 140 Abs. 7 B-VG lautet:

"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden."

Wie sich aus Art. 140 Abs. 7 B-VG ergibt, bewirkt die Aufhebung einer Gesetzesstelle, daß der Verwaltungsgerichtshof im Anlaßfall so vorzugehen hat, als ob die als gesetzwidrig aufgehobene Gesetzesstelle bereits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte.

Im Beschwerdefall galt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides § 12 Abs. 3 zweiter Satz NÖ-Ankündigungsabgabegesetz 1979.

Diese Bestimmung lautet in ihrem Zusammenhang:

"1) ...

2)

...

3)

Zur Durchführung der Strafamtshandlung sind im Falle des Abs. 1 die Bezirksverwaltungsbehörden und im Falle des Abs. 2 die Bürgermeister berufen. In den Städten mit eigenem Statut ist zur Durchführung der Strafamtshandlung in beiden Fällen der Magistrat zuständig. Soferne Strafen durch die Gemeinde verhängt werden und soweit es sich nicht um Bescheide einer Statutarstadt handelt, entscheidet über Berufungen die Bezirksverwaltungsbehörde endgültig.

              4)              ..."

Auf Grund des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichthofes vom 29. November 1991 ist im Beschwerdefall - als Anlaßfall - der angefochtene Bescheid nunmehr anhand der Rechtslage zu beurteilen, wie sie sich ohne Bestand des § 12 Abs. 3 zweiter Satz NÖ-Ankündigungsabgabegesetz 1979 darstellt.

Auf dem Boden einer derart bereinigten Rechtslage vermag der angefochtene Bescheid nicht mehr auf die Zuständigkeitsnorm des § 12 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. gestützt zu werden.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß der erstinstanzliche Bescheid dem Magistrat der Stadt Krems (und nicht einem anderen Organ, insbesondere nicht dem Bürgermeister) zuzurechnen ist. Dies ergibt sich aus der AUSDRÜCKLICHEN BEZEICHNUNG DER BESCHEIDERLASSENDEN BEHÖRDE ("Behörde ... Magistrat der Stadt Krems a.d. Donau Magistratsabteilung I").

Aus der Fertigungsklausel diese Bescheides ("für den Bürgermeister:") kann Gegenteiliges nicht entnommen werden. Wollte man die Fertigungsklausel als Bezeichnung der Behörde werten, so würde dies der (ausdrücklichen) Bezeichnung der Behörde ("Magistrat der Stadt Krems a.d. Donau") widersprechen. Eine derartige in sich widersprechende Bezeichnung würde aber einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 58 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG - diese Bestimmungen gelten gemäß § 254 Finanzstrafgesetz in Verbindung mit § 24 VStG auch für den Bereich des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechtes - darstellen. Ein solcher scheinbar gegebener Widerspruch läßt sich unter dem Blickwinkel des § 27 Abs. 1 Kremser Stadtrecht 1977, LGBl. Nr. 1010-4, lösen. Nach der letztgenannten Bestimmung besteht der Magistrat aus dem Bürgermeister als Vorstand sowie dem Magistratsdirektor und den übrigen Bediensteten. Der Bürgermeister ist derart - auch - Vorstand des Magistrates. Davon ausgehend ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß mit der Fertigungsklausel "für den Bürgermeister" nicht der Bürgermeister als selbständige Behörde, sondern lediglich als Vorstand der Behörde "Magistrat" angsprochen wurde.

An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11625/A nichts zu ändern. In dem genannten Beschwerdefall ging es nämlich um die Frage der Bezeichnung der belangten Behörde im Grunde des § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG. Der Verwaltungsgerichtshof gelangte damals zur Ansicht, daß eine Behördenbezeichnung "Amt der ...

Landesregierung" dann nicht schadet, wenn die belangte Behörde aus dem vorgelegten angefochtenen Bescheid einwandfrei hervorgeht. Eine derartige Fallkonstellation ist im Beschwerdefall nicht gegeben.

Im Hinblick auf die ausdrückliche Bezeichnung des Magistrates als "Behörde" verbietet sich aber auch eine Auslegung, daß mit dem Magistrat der Stadt Krems a.d. Donau nur der Geschäftsapparat einer Behörde angesprochen worden sei (vgl. u.a. die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 88/04/0248).

Der Gerichtshof kommt daher zum Ergebnis, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis dem Magistrat als Behörde zuzurechnen ist. Gemessen an der bereinigten Rechtslage gibt es für den Anlaßfall aber keine Norm, die den Magistrat ermächtigt, im eigenen Namen als Strafbehörde erster Instanz einzuschreiten. Soweit nun der Beschwerdeführer in seiner Äußerung vom 31. März 1992 (auch) eine Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht, ist er darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde (vom Beschwerdeführer insofern unbestritten) zuständig war, über die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid ist allerdings inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Zuständigkeitsnormen - gemessen an der bereinigten Rechtslage - für ein Einschreiten der erstinstanzlichen Behörde nicht beachtet hat (vgl. dazu sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1990, Zl. 90/07/0005).

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Behördenbezeichnung Behördenorganisation Fertigungsklausel Intimation Zurechnung von Bescheiden Zurechnung von Organhandlungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992170045.X00

Im RIS seit

14.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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