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55 Wirtschaftslenkung;Norm
PrG 1976 §2 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 89/17/0167 89/17/0169 89/17/0168 Besprechung in: ÖZW 4/1993 S 116-119;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der XY-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst jeweils vom 4. Juli 1989,
Zlen. 6.227.302/3-VI/12/89, 6.227.978/2-VI/12/89, 6.227.979/2-VI/12/89 und 6.227.980/2-VI/12/89, betreffend Genehmigung von Apothekeneinstandspreisen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 44.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 4. Juli 1989, GZ. 6.227.302/3-VI/12/89, wies der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst nach Anhören der Preiskommission in der Sitzung vom 16. Februar 1989 den Antrag der Beschwerdeführerin vom 20. September 1988 auf Genehmigung der Änderung des Preises der Arzneispezialität
"F-Trockensubstanz ad us. extern
(Z.Nr. xxxx)
Packung zu 1 Durchstichflasche"
gemäß § 1a Abs. 1 und 2 und § 2 im Zusammenhalt mit § 8 des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1976, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 337/1988, ab.
Mit Bescheid vom selben Tag, GZ. 6.227.978/2-VI/12/89, wurde mit im übrigen gleicher Spruchformulierung der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20. September 1988 auf Genehmigung der Änderung des Preises der Arzneispezialität
"H-Kapseln (Z.Nr. zzzz)
Packung zu 16 Stück"
abgewiesen.
Mit Bescheid vom selben Tag, GZ. 6.227.979/2-VI/12/89, wurde mit ebenfalls im übrigen gleicher Spruchformulierung der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20. September 1988 auf Genehmigung der Änderung des Preises der Arzneispezialität
"F-Salbe (Z.Nr. nnnn)
Packung zu 30 g"
abgewiesen.
Mit Bescheid vom selben Tag, GZ. 6.227.980/2-VI/12/89, wurde mit ebenfalls im übrigen gleicher Spruchformulierung der Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. September 1988 auf Genehmigung der Änderung des Preises der Arzneispezialität
"H-Sirup (Z.Nr. oooo)
Packung zu 60 ml"
abgewiesen.
Abgesehen von unterschiedlichen Schillingbeträgen weisen diese vier Bescheide eine gleichlautende Begründung auf. Danach seien die Anträge der Beschwerdeführerin im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens in der Firmenvorbesprechung am 1. Februar 1989 unter Teilnahme der Interessensvertreter und eines Firmenvertreters sowie in der Folge in der Sitzung der Preiskommission vom 16. Februar 1989 behandelt worden. Die Preiskommission habe hiebei festgestellt, daß für die beantragte Preiserhöhung keine ausreichende Begründung seitens der Antragstellerin gegeben worden sei. Sie habe in diesem Zusammenhang auf den seit der letzten Preisgenehmigung annähernd gleich gebliebenen Preis im Erzeugerland hingewiesen. Änderungen seien beim Fabriksabgabepreis von 118,52 S auf 118,56 S (bzw. 287,82 S auf 287,92 S bzw. 131,06 S auf 131,10 S bzw. 108,73 S auf 108,77 S) und beim Apothekeneinstandspreis von 139,86 S auf 139,91 S (bzw. 330,99 S auf 331,10 S bzw. 153,59 S auf 153,64 S bzw. 128,31 S auf 128,35 S) eingetreten. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG sei daher die Beschwerdeführerin eingeladen worden, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. In ihrer Stellungnahme habe sie im wesentlichen ausgeführt, daß der Lieferpreis des ausländischen Herstellers an sie erhöht worden sei; eine Preiserhöhung im Erzeugerland sei aber nicht erforderlich gewesen, weil ihr die Arzneispezialität zu einem Preis angeboten werde, der deutlich unter dem Fabriksabgabepreis der BRD liege. Diese Vorgangsweise erfolge aus humanitären Gründen. Die Steigerung der Materialkosten, Lohnkosten und sonstigen Kosten der ausländischen Erzeugerfirma würden zwischen 3,5 % und 5 % angesetzt. Auf die Frage, weshalb diese Kostensteigerung nicht zu einer Preiserhöhung im Erzeugerland geführt habe, sei nicht eingegangen worden.
Preise und Entgelte seien gemäß § 2 Abs. 2 des Preisgesetzes volkswirtschaftlich gerechtfertigt, wenn sie neben der wirtschaftlichen Lage der Verbraucher den bei Erzeugung und Vertrieb bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnissen bestmöglich entsprechen. Sehe man von der Erhöhung des Lieferpreises ab, werde der vorliegende Antrag nicht mit Kostensteigerungen beim inländischen Depositeur begründet.
Was die Kostensteigerung beim ausländischen Hersteller betreffe, seien keine näheren Angaben darüber gemacht worden, woraus diese im einzelnen resultiere. Die Preisbehörde verkenne keinesfalls, daß der ausländische Hersteller zur Vorlage seiner Kalkulation nicht verhalten werden könne. Mangels einer solchen stelle aber die Preisveränderung im Erzeugerland ein wesentliches Entscheidungskriterium dar. Auf Grund der zu vernachlässigenden Preisveränderung im Herstellerland sei daher davon auszugehen, daß sich bis auf den Verrechnungspreis die Verhältnisse bei Erzeugung und Vertrieb nicht geändert hätten. Ansonsten wäre von einer Preisanhebung in der BRD auszugehen gewesen, es sei denn der Preis im Erzeugerland wäre bisher über dem dort volkswirtschaftlich gerechtfertigten gelegen. Darüber hinaus könne die Argumentation, humanitäre Gründe hätten zu Niedrigpreisen in Österreich geführt, seitens der Preisbehörde nicht nachvollzogen werden. Welche besonderen humanitären Gründe beim Verkauf der Arzneispezialität nach Österreich eine Rolle gespielt haben sollten, werde jedenfalls seitens der Beschwerdeführerin nicht näher erläutert.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren "Rechten auf dem PreisG inhaltlich entsprechende Preisbescheide und auf eine ausreichende, dem AVG entsprechende Begründung" verletzt. Sie beantragt, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Beschwerdeführerin erstattete zu dieser Gegenschrift der belangten Behörde eine Replik.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1a Abs. 1 erster Satz des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1976, in der Fassung BGBl. Nr. 288/1980 können für Sachgüter und Leistungen, die in der Anlage zu diesem Bundesgesetz bezeichnet sind, nach Maßgabe des § 2 volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preise und Entgelte bestimmt werden.
Zu diesen Sachgütern gehören gemäß 1.5. der Anlage zum Preisgesetz (in der Fassung der Preisgesetznovelle 1988, BGBl. Nr. 337) auch Arzneispezialitäten im Sinne des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, in der jeweils geltenden Fassung.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung der Preisgesetznovelle 1988 kann der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auf Antrag oder von Amts wegen volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preise und Entgelte für die im § 1a Abs. 1 genannten Sachgüter und Leistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften bestimmen.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind Preise und Entgelte im Sinne dieses Bundesgesetzes volkswirtschaftlich gerechtfertigt, wenn sie sowohl den bei der Erzeugung und im Vertrieb oder bei der Erbringung der Leistung jeweils bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnissen als auch der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Verbraucher oder Leistungsempfänger bestmöglich entsprechen. Die Preise können als Höchst-, Fest- oder Mindestpreise bestimmt werden; für Entgelte gilt dies sinngemäß.
Die Abs. 3 und 4 dieser Gesetzesstelle enthalten Vorschriften über die beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zu bildende Preiskommission.
Gemäß § 8 Abs. 1 des Preisgesetzes in der zuletzt genannten Fassung stehen auf dem Gebiete des Apotheken- und Arzneimittelwesens einschließlich des Verkehrs mit tierärztlichen Mitteln und Desinfektionsmitteln dem Bundeskanzler die im § 1a Abs. 3 sowie in den §§ 2 bis 5 bezeichneten Befugnisse zu. Die Einberufung der Preiskommission (§ 2 Abs. 3) und der Vorsitz in dieser obliegt in diesen Fällen dem Bundeskanzler ...
Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 2. Februar 1989, BGBl. Nr. 66a, wurde die sachliche Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten einem eigenen Bundesminister - und zwar u.a. die im Abschnitt A Z. 13 (Angelegenheiten des Gesundheitswesens) des Teils 2 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 - übertragen. Nach § 1 Abs. 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 führt dieser Bundesminister einen auf die ihm übertragenen Angelegenheiten hinweisenden Titel (hier: "Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst").
Gemäß § 2 Abs. 2 des Preisgesetzes (vgl. auch nunmehr § 6 Abs. 1 des Preisgesetzes 1992, BGBl. Nr. 145) sind Preise und Entgelte im Sinne dieses Bundesgesetzes volkswirtschaftlich gerechtfertigt, wenn sie sowohl den bei der Erzeugung und im Vertrieb oder bei der Erbringung der Leistung jeweils bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnissen als auch der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Verbraucher oder Leistungsempfänger bestmöglich entsprechen. Diese Bestimmung verlangt also den bestmöglichen Ausgleich von zwei in der Regel einander entgegengesetzten Interessenslagen, nämlich jener der Produzenten und Händler einerseits, der Konsumenten andererseits. Auf der Unternehmerseite wird es zunächst auf die betrieblichen Verhältnisse, freilich nicht auf die des konkreten Betriebes, sondern - arg. "volkswirtschaftliche Verhältnisse" - auf DIE TYPISCHEN VERHÄLTNISSE RATIONELL GEFÜHRTER BETRIEBE DER BETREFFENDEN BRANCHE ankommen. Diese Preise müssen für die Erzeugerseite grundsätzlich kostendeckend sein; darüber hinaus sind auch die im Gesamtinteresse vertretbaren Gewinnspannen in Rechnung zu stellen. Die Bedachtnahme auf die "jeweilige wirtschaftliche Lage" der Verbraucher oder Leistungsempfänger wiederum bedeutet zunächst, daß der Preis für die als Abnehmer des Gutes in Betracht kommende Verbraucherschicht erschwinglich sein muß, erfordert aber weiters die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Preise und der Verhältnisse der gesamten Volkswirtschaft (vgl. die ausführlichen Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1981, Slg. N.F. Nr. 10491/A, und die dort angeführte Lehre und Rechtsprechung; vgl. auch das die Genehmigung eines Apothekeneinstandspreises für eine aus der Bundesrepublik Deutschland eingeführte pharmazeutische Zubereitung betreffende hg. Erkenntnis vom 8. März 1989, Zl. 86/17/0044; auch der OGH hat sich in seiner Entscheidung vom 26. April 1989, SZ 62/72, sowie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, V 204 und Folgezahlen, der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 16. Juni 1981 ausdrücklich angeschlossen).
Nach dem oben Gesagten kommt es (auf der Unternehmerseite) nicht auf die betrieblichen Verhältnisse eines konkreten Betriebes, sondern auf die typischen Verhältnisse rationell geführter Betriebe der betreffenden Branche an. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, daß das Recht der Preisregelung das allgemeine Preisniveau unter Kontrolle halten will und nicht die Preisgestaltung eines einzelnen Wirtschaftssubjektes (vgl. dazu Mayer-Maly in Klang, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch IV/2, Wien 1978, S. 238).
Soweit nun von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführt wird, "entscheidend können - schon wegen des örtlichen Geltungsbereiches - nur die wirtschaftliche Lage der Verbraucher IN ÖSTERREICH und die bei Erzeugung bzw. Vertrieb bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnisse IN ÖSTERREICH sein", so folgt dem der Verwaltungsgerichtshof - wenn auch im folgenden Sinne:
Schon der Wortsinn der Norm stellt auf die typischen Verhältnisse rationell geführter Betriebe der betreffenden Branche IN ÖSTERREICH ab. Kommt es doch auf die "bei der Erzeugung und im Vertrieb ... bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnisse" (§ 2 Abs. 2 leg. cit.) an. Es erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nicht als zweifelhaft, daß das Gesetz damit (nur) den durch das Staatsgebiet umgrenzten Wirtschaftsraum Österreichs hinsichtlich der "volkswirtschaftlichen" Rechtfertigung einer Preisfestsetzung für maßgeblich erklärt.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin sind dabei für die Festsetzung eines volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises die ERZEUGUNGSkosten (auch) ausländischer Waren nicht irrelevant (arg.: ... bei der Erzeugung UND im Vertrieb ...). Im Sinne des Gesagten kommt es bei den Kosten der Erzeugung aber auf jene an, die einem (abstrakten) branchentypischen, rationell geführten Betrieb bei Herstellung der Ware im Inland erwachsen würden.
In diesem Zusammenhang ist aber auch insbesondere darauf hinzuweisen, daß gerade bei - unabhängig vom konkreten Gestehungspreis zu treffenden - Preisfestsetzungen (auch) ausländischer Waren zu berücksichtigen ist, ob nicht der Produzent bei Einhaltung betriebswirtschaftlicher Grundsätze unter Umständen genötigt wäre, die Erzeugung des betreffenden Produktes (für Österreich) überhaupt einzustellen, was wiederum im Sinne der erforderlichen gesamtwirtschaftlichen Schau auch vom Standpunkt der Verbraucher in vielen Fällen von Nachteil sein könnte (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1981). Wie überhaupt in Übereinstimmung mit der diesbezüglichen Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermag, inwiefern auf die "jeweilige wirtschaftliche Lage" der als Abnehmer in Betracht kommenden Verbraucherschichten Bedacht genommen wurde.
Da die belangte Behörde in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage derartige Erörterungen und Feststellungen unterließ, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Diese waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989170166.X00Im RIS seit
11.09.2001