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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Erteilung der Bewilligung zur Änderung einer Betriebsanlage; keine Willkür; kein Eingehen auf die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Flächenwidmung wegen fehlender PräjudizialitätSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Beteiligten M T zu Handen seines Vertreters die mit S 11.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Juni 1988 wurde M T die gewerbebehördliche Bewilligung zur Änderung seiner Betriebsanlage - einem Sägewerk - auf dem Grundstück Nr. 2260, KG Ansfelden, erteilt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin als Anrainerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie in ihren Rechten wegen Anwendung einer "gesetz- und verfassungswidrigen" Verordnung verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den Flächenwidmungsplan Nr. 2 der Gemeinde Ansfelden (Oberösterreich) vom 12. Dezember 1975 sei das mitten im Wohngebiet gelegene Grundstück des Anrainers zu Unrecht in Betriebsbaugebiet umgewidmet worden; diese Widmung sei vom geltenden Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Gemeinde Ansfelden unverändert beibehalten worden. Die Widmung sei insbesondere deswegen gesetzwidrig, weil nach §16 Abs2 OÖ ROG Widmungskategorien im Bauland so aufeinander abzustimmen seien, daß eine gegenseitige Beeinträchtigung möglichst vermieden wird.
In der Beschwerde wird auch behauptet, die belangte Behörde habe Willkür geübt.
2. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Der mitbeteiligte Bewilligungswerber begehrte gleichfalls in einer Äußerung die Abweisung der Beschwerde.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde werden (s. oben unter Pkt. I.1.) vor allem Normbedenken betreffend die Flächenwidmung geltend gemacht, andererseits wird behauptet, die belangte Behörde habe bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt.
1. Zu den gegen den Flächenwidmungsplan geäußerten Bedenken:
Nach §74 Abs2 Z2 der Gewerbeordnung 1973 (im folgenden GewO) in der hier maßgeblichen Fassung vor der am 1.1.1989 in Kraft getretenen Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. 399, bedarf eine gewerbliche Betriebsanlage unter anderem dann einer Genehmigung der Behörde, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet ist, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.
Nach §81 GewO bedarf auch die Änderung einer genehmigten Anlage einer Genehmigung, wenn die Anlage so geändert wird, daß sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 ergeben. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen, soweit sich die Änderung auf sie auswirkt.
Nach §77 Abs1 GewO ist die Betriebsanlage erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen unter anderem dann zu genehmigen, wenn überhaupt oder bei Einhaltung der Auflagen zu erwarten ist, daß Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Hiebei ist nach §77 Abs2 GewO die Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn im Sinne des §74 Abs2 Z2 GewO nach den Maßstäben eines gesunden, normalempfindenden Menschen und aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu beurteilen. §77 Abs2 letzter Satz sieht vor:
"Hiebei sind auch die für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Vorschriften zu berücksichtigen."
Die der Gewerbebehörde durch den letzten Satz des §77 Abs2 GewO vorgeschriebene Berücksichtigung raumordnungsrechtlicher Bestimmungen bedeutet noch nicht, daß die Behörde berechtigt wäre, diese Vorschriften anzuwenden. Daß "berücksichtigen" hier nicht mit "anwenden" gleichzusetzen ist, ergibt sich schon aus kompetenzrechtlichen Erwägungen: Man käme ansonsten zu dem Ergebnis, daß eine Bundesbehörde Landesrecht (zum Begriff der Raumordnung in umfassendem Sinn als Landessache nach Art15 Abs1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung vgl. das Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 2674/1954) zu vollziehen hätte.
Der Verfassungsgerichtshof kann daher im vorliegenden Verfahren auf die vorgebrachten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Flächenwidmung mangels Präjudizialität nicht eingehen.
2. Zur behaupteten Willkür bei der Bescheiderlassung:
Die belangte Behörde hat, wie aus dem angefochtenen Bescheid zu ersehen ist, ihre Entscheidung im wesentlichen auf die im Verwaltungsverfahren erstatteten - nach Auffassung der belangten Behörde schlüssigen und zutreffenden - Sachverständigengutachten gestützt. Es liegt daher - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin und ungeachtet des Umstandes, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides sehr knapp geraten ist - kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler der belangten Behörde vor. Ob die angefochtene Entscheidung richtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.
3. Da auch sonst nicht hervorgekommen ist, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, ist die Beschwerde abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 1.000,-- enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Raumplanung, Flächenwidmungsplan, Gewerberecht, Betriebsanlagen, VfGH / Präjudizialität,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1485.1988Dokumentnummer
JFT_10108998_88B01485_00