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L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;Norm
LSchG Vlbg 1982 §3 Abs1 litl;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 91/10/0128 E 18. Mai 1992Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 9. Jänner 1991, Zl. VIe-224/98, betreffend Übertretung des Vorarlberger Landschaftsschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 21. April 1990 auf der GP nn1, KG K, eine Fläche von ca. 150 m2 mit lehmigem Aushubmaterial aufgeschüttet, obwohl er nicht im Besitze einer entsprechenden Bewilligung nach dem Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz, LGBl. Nr. 1/1982 idgF (im folgenden: LSchG) gewesen sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 34 Abs. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 lit. l LSchG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, die Aufschüttung habe ein Ausmaß von 100 m2 überschritten. Die belangte Behörde hätte zur Feststellung des tatsächlichen Ausmaßes der Schüttungsfläche die von ihm beantragte Beweisaufnahme (Sachverständigenbeweis; Ortsaugenschein) durchführen müssen.
Der Beschwerdeführer bekämpft weiters die Einstufung des als Schüttmaterial verwendeten "lehmigen Aushubmaterials" als "Abfall". Das LSchG selbst enthalte keine Definition des Begriffes Abfall. Die Begründung, das lehmige Aushubmaterial finde keine Verwendung mehr, im Gegenteil, seine Entsorgung müsse sogar gegen Entgelt erfolgen, weshalb dieses Material nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1984, Zl. 83/01/0011, als Abfall anzusehen sei, sei unverständlich, da dieses Material doch gerade dazu verwendet worden sei, das Grundstück nn1 für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu verbessern. Das Material sei also sehr wohl einer Verwendung, nämlich der Bodenverbesserung, zugeführt worden. Es könne also gar keine Rede davon sein, daß das Material an sich nicht mehr verwendbar gewesen sei.
Das LSchG selbst enthalte keine Definition des Begriffes "Abfall". Es sei daher zur Ermittlung des Abfallbegriffes das Vorarlberger Abfallgesetz, LGBl. Nr. 30/1989, heranzuziehen. Für "lehmiges Aushubmaterial" komme von vornherein nur der Tatbestand des § 1 Abs. 2 lit. d leg. cit. ("Bauaushub") in Betracht. Um das von ihm aufgeschüttete Material diesem Tatbestand unterstellen zu können, müßte aber festgestellt sein, woher das Material komme, denn wenn es Bauaushub sei, dann könne es Abfall im Sinne der Abfalldefinition des Abfallgesetzes sein, wenn es aber irgendein lehmiger Boden sei, dann nicht. Der angefochtene Bescheid stelle nicht fest, ob es sich beim lehmigen Material um Bauaushub oder Bauschutt oder ähnliches im Sinne des Abfallgesetzes handle.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde unter anderem aus, ihre Ansicht, das vom Beschwerdeführer zur Aufschüttung verwendete "lehmige Aushubmaterial" stelle Abfall dar, könne sich auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 1986, Zl. 86/10/0115, stützen, wonach selbst dann, wenn "nur" Erde abgelagert worden sei, "Abfall" im Sinne des Vorarlberger Abfallgesetzes, welches zur Auslegung des LSchG heranzuziehen sei, vorliege. Umso mehr müsse dies auch für lehmiges Aushubmaterial gelten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 34 Abs. 1 lit. a LSchG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Vorhaben nach den §§ 3, 4 Abs. 3 und 13 ohne Bewilligung ausführt.
Nach § 3 Abs. 1 lit. l LSchG bedarf unter anderem die Errichtung von Ablagerungsplätzen mit einer Grundfläche von über 100 m2 einer Bewilligung der Behörde.
Entscheidend ist daher im Beschwerdefall nicht (allein) die Frage, ob "lehmiges Aushubmaterial" Abfall ist, sondern ob die vom Beschwerdeführer vorgenommene Aufschüttung der Parzelle nn1 mit diesem Material als "Errichtung eines Ablagerungsplatzes" einzustufen ist. Nach dem Motivenbericht zum LSchG "sollen unter Ablagerungsplätzen Plätze zur Deponierung von Abfällen verstanden werden" (12. Beilage im Jahre 1973 zu den Sitzungsberichten des XXI. Vorarlberger Landtages, Seite 127). Nach diesem dem LSchG zugrundeliegenden Begriffsverständnis ist die Bestimmung zur Aufnahme von Abfällen für die rechtliche Wertung eines Platzes als Ablagerungsplatz maßgebend. Ob bei einem Platz diese Bestimmung gegeben ist, ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und den konkreten Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 1987, Zl. 86/10/0113). Die Errichtung eines "Ablagerungsplatzes" setzt demnach voraus, daß der Zweck der gesetzten Maßnahmen (jedenfalls auch) in der Deponierung von Abfällen besteht, die Absicht desjenigen, der diese Maßnahmen durchführt, also dahin geht, die betreffende Grundfläche zur Deponierung von Abfällen zu verwenden, mögen damit auch andere Zwecke, wie etwa die bessere Erschließung eines Grundstückes verbunden sein (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 9. Dezember 1987, Zl. 86/10/0113), und daß die so geschaffene Fläche nach der allgemeinen Verkehrsauffassung einen Platz zur Deponierung von Abfällen darstellt. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung wird insbesondere dann nicht von einem Ablagerungsplatz gesprochen werden können, wenn eine landwirtschaftlich genutzte Fläche zur Verbesserung der Bewirtschaftungsverhältnisse mit dazu geeignetem Material (Erde udgl.) aufgeschüttet wird, die Fläche nach Durchführung der Aufschüttung wieder landwirtschaftlich genutzt wird und sich in einem Zustand befindet, daß sie sich von anderen landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht unterscheidet. Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn es sich etwa um eine längere Zeit hindurch ungeordnete, störend ins Auge fallende, nicht der Verbesserung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsverhältnisse dienende Aufschüttung handelte.
Ausreichende Sachverhaltsfeststellungen, die ein sicheres Urteil darüber ermöglichen würden, ob die in Rede stehende Aufschüttung im Sinne der obigen Ausführungen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als "Errichtung eines Ablagerungsplatzes" angesehen werden kann, wurden im Beschwerdefall nicht getroffen.
Der angefochtene Bescheid leidet aber noch an einem weiteren wesentlichen Verfahensmangel, dem allerdings nur für den Fall Bedeutung zukäme, daß im fortgesetzten Verfahren festgestellt würde, die Aufschüttung könne als Errichtung eines Ablagerungsplatzes angesehen werden.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren - ebenso wie in der Beschwerde - bestritten, daß die Aufschüttung der Parzelle nn1 das kritische Ausmaß von 100 m2 überschreite. Die belangte Behörde hat ein Flächenausmaß von ca. 150 m2 zugrunde gelegt. Sie stützt diese Annahme offensichtlich auf die auf Grund eines Lokalaugenscheines gemachte Schätzung eines Sachbearbeiters der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, daß die aufgeschüttete Fläche ein Ausmaß von ca. 150 m2 aufweise. Diese Feststellung wurde getroffen, nachdem eine Seite der Fläche abgeschritten wurde. Welche Form die Aufschüttungsfläche hat, ist dem Akt nicht zu entnehmen. Eine solche Schätzmethode kann aber bei den in Rede stehenden Dimensionen kein taugliches Mittel sein, um festzustellen, ob die Aufschüttungsfläche das kritische Ausmaß von 100 m2 mit Sicherheit überschritten hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß "der Chauffeur der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch bestätigen kann, daß die aufgeschüttete Fläche ca. 15 x 10 m groß ist", da nicht ersichtlich ist, worauf sich diese "Bestätigung" stützt.
Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet hat, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991100078.X00Im RIS seit
11.07.2001