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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):92/02/0004Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die in einer Ausfertigung ergangenen Bescheide 1. der Oberösterreichischen Landesregierung, 2. des Landeshauptmannes von Oberösterreich, jeweils vom 4. November 1991, Zl. VerkR-15.055/5-1991-II/H, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Berufung i.A. Übertretungen zu 1. der Straßenverkehrsordnung 1960, zu 2. des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich und dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 1.517,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem mündlich verkündeten Straferkenntnis der Erstbehörde vom 23. November 1990 wurden über den Beschwerdeführer wegen mehrerer, im Rahmen einer "Verfolgungsfahrt" begangener Übertretungen der StVO und des KFG Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Am 17. Dezember 1990 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen, eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses zu verlangen sowie Berufung zu erheben; zugleich holte er die versäumten Verfahrenshandlungen nach. Mit Bescheid vom 18. Februar 1991 wies die Erstbehörde den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet ab. Die hiegegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wiesen die belangten Behörden mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden ab; die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis wiesen sie unter einem als verspätet zurück.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, die Vorgänge anläßlich seiner Anhaltung, Verhaftung und Verbringung in das Polizeigefangenenhaus mit anschließender Übergabe in die Untersuchungshaft hätten bei ihm derartige körperliche Folgen nach sich gezogen, daß ihm der gesamte Geschehensablauf im einzelnen nicht mehr bewußt und nicht mehr in Erinnerung sei. Insbesondere sei ihm bei Abfassung des Straferkenntnisses in keiner Form mitgeteilt worden, daß er um eine schriftliche Ausfertigung ansuchen könne und daß die Möglichkeit eines Rechtsmittels bestehe.
Hatte der Beschwerdeführer die Absicht, damit mangelnde Prozeßfähigkeit bei Verkündung des Straferkenntnisses geltend zu machen, so wäre sein Wiedereinsetzungsantrag kein tauglicher Rechtsbehelf, weil diesfalls - mangels wirksamer Erlassung eines Bescheides - keine Frist versäumt wurde (vgl. auch den hg. Beschluß vom 20. November 1991, Zlen. 91/02/0098, 0099). Auf das seine Zurechnungsfähigkeit bejahende Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung kurz nach seiner Anhaltung kam es in diesem Zusammenhang nicht an, weil die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt (§ 3 VStG) von der Frage seiner Prozeßfähigkeit im Verhandlungszeitpunkt (§ 24 VStG in Verbindung mit § 9 AVG) zu trennen ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. März 1989, Zl. 89/02/0014); ob Widersprüche zwischen dem amtsärztlichen Gutachten und dem Ergebnis der Blutuntersuchung bestehen, kann daher auf sich beruhen. Erwähnt sei noch, daß der Amtsarzt beim Beschwerdeführer lediglich ganz geringfügige Verletzungen festgestellt hat.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag spricht aber ohnehin dafür, daß ihm die Fällung eines Straferkenntnisses durchaus bewußt wurde und daß er sich bloß in der Folge nicht mehr an die in seinem Antrag genannten Belehrungen erinnern konnte. Daß diese Belehrungen erfolgt sind, ergibt sich aus der Verhandlungsniederschrift, in der sich die entsprechenden Vordrucktexte unmittelbar vor der ersten Unterschrift des Beschwerdeführers befinden. Handschriftlich hinzugefügt wurde, daß der Beschwerdeführer die Niederschrift durchgelesen hatte, was er mit seiner zweiten Unterschrift bestätigte. Sollte der Beschwerdeführer entgegen dieser Bestätigung die Niederschrift samt Belehrungen nicht durchgelesen haben, wäre hierin ein die Bewilligung der Wiedereinsetzung nach der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 ausschließendes Verschulden an der Fristversäumung gelegen; hiefür genügte bereits leichte Fahrlässigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0070).
Der Beschwerdeführer machte in seinem Wiedereinsetzungsantrag weiters geltend, seine anschließende Überstellung in das landesgerichtliche Gefangenenhaus habe ihm jedwede Möglichkeit einer Feststellung der tatsächlichen Situation und der Einleitung entsprechender Schritte genommen. Irgendwelche konkreten Hindernisse, die der Fristenwahrung entgegengestanden wären, wurden von ihm nicht geltend gemacht, weshalb auch hierin ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund nicht gelegen ist. Zur Aufnahme von Erkundungsbeweisen ("inwieweit der Beschwerdeführer tatsächlich Möglichkeiten hatte...") war die belangte Behörde nicht verpflichtet.
Was die in der Beschwerde im Zusammenhang mit der Verspätung der Berufung gegen das Straferkenntnis geäußerten Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Ordnungsmäßigkeit der Beurkundung des mündlich verkündeten Straferkenntnisses anlangt, so wäre diese Berufung auch dann zurückzuweisen gewesen, wenn das Straferkenntnis gar nicht dem Rechtsbestand angehört hätte; ohne die im § 62 Abs. 2 AVG (welche Vorschrift gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist) vorgesehene niederschriftliche Beurkundung würde ein Bescheid nämlich nicht existent (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1987, Zl. 86/03/0209). Allerdings sind die vorgetragenen Bedenken ohnehin unbegründet: Es war weder rechtswidrig, für die Niederschrift ein Formular zu verwenden, noch die Tatanlastung auf einem Beiblatt, auf das in der Niederschrift verwiesen wird, maschinschriftlich vorzubereiten. Zum Vorbringen, der vorgegebene Text stelle auf ein Geständnis und einen Rechtsmittelverzicht des Beschuldigten ab, genügt der Hinweis, daß das Geständnis des Beschwerdeführers bereits der vor Verhandlungsbeginn gesondert aufgenommenen Niederschrift über die Beschuldigtenvernehmung zu entnehmen war und daß ein Rechtsmittelverzicht in der Verhandlungsniederschrift nicht festgehalten wurde. Aktenwidrig ist im übrigen die Behauptung, die Niederschrift wäre mangels Vermerken über die Erklärung des Beschwerdeführers nach der Verkündung des Straferkenntnisses und über die Verlesung der Niederschrift unvollständig; vielmehr wurde ausdrücklich festgehalten, daß der Beschwerdeführer nach der Verkündung keine Erklärung abgegeben hat und daß die Niederschrift von ihm - wie schon erwähnt - durchgelesen wurde. Schon aus diesen Gründen kann die betreffende Rüge der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenHandlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche PersonEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020003.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
08.11.2010