Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §31 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der M in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. September 1991, Zl. Ia-909-22/91, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 2. Mai 1991 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 11. März 1990 um 1.45 Uhr in Höchst auf der B 202 sich zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht angeboten, indem sie mit einem Schweizer Staatsangehörigen die Ausübung des Geschlechtsverkehrs im Haus Fußach, Polder nn1, gegen Bezahlung vereinbart habe. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes begangen. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt.
Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. September 1991 teilweise Folge gegeben und die verhängte Strafe von S 30.000,-- auf S 20.000,--, die Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen auf 10 Tage herabgesetzt. Im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Worte "In Höchst auf der B 202" durch die Worte "In Fußach auf der B 202 zwischen der Rheinbrücke und der Zufahrt Polder" ersetzt werden und die Worte "Im Haus Fußach, Polder nn1" entfallen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführerin wendet Verfolgungsverjährung ein, weil ihr erstmals im angefochtenen Bescheid - und damit nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist - vorgeworfen worden sei, die Verwaltungsübertretung in Fußach auf der B 202 zwischen der Rheinbrücke und der Zufahrt Polder begangen zu haben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Auffassung, die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß Verfolgungsverjährung eingetreten sei, sei nicht richtig, da die Berufungsbehörde berechtigt sei, eine Modifizierung der Tatumschreibung vorzunehmen und so z.B. den Tatort zu konkretisieren (Verwaltungsgerichtshof vom 12. September 1980, Zl. 2771/79). Durch die Konkretisierung des Tatortes durch die Berufungsbehörde sei der Beschwerdeführerin keine neue, sondern dieselbe Tat zur Last gelegt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Eine Verfolgungshandlung muß sich, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1978, Slg. NF Nr. 9664/A, u.a.). Dazu gehört auch die sich nach der Art der jeweils in Rede stehenden Übertretung richtende, den Umständen des konkreten Falles angemessene Angabe des Tatortes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1985, Zl. 85/02/0145 = ZfVB 1986/3/1406 u.a.).
Der Beschwerdeführerin wurde erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist erstmals vorgeworfen, die Tat in Fußach auf der B 202 zwischen der Rheinbrücke und der Zufahrt Polder begangen zu haben. Die Änderung des Tatortes von "Höchst" auf "Fußach" stellt keine im Berufungsverfahren zulässige Präzisierung eines grundsätzlich richtigen, aber ungenau umschriebenen Tatortes dar, wie sie dem von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1980, Zl. 2771/79 = ZfVB 1981/6/1704, zugrunde lag, sondern erweist sich als ein Auswechseln eines wesentlichen Sachverhaltselementes und damit als eine Änderung der der Beschwerdeführerin angelasteten Straftat. Hinsichtlich einer auf den Tatort Fußach bezogenen Verwaltungsübertretung ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung und der angefochtene Bescheid in einfacher Ausfertigung vorzulegen waren, konnte Stempelgebührenersatz auch nur für zwei Beschwerdeausfertigungen und eine Bescheidausfertigung zuerkannt werden. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.
Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort falsche AngabeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992100013.X00Im RIS seit
30.04.1992