Index
L81705 Baulärm Salzburg;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der OW in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Slbg LReg vom 12.09.1988, Zl. 1/02-28.925/4-1988, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1) Agrargemeinschaft Z, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Z, 2) Gemeinde V, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. September 1988 behob die Salzburger Landesregierung (belangte Behörde) auf Grund einer von der erstmitbeteiligten Partei (in der Folge: Agrargemeinschaft) erhobenen Vorstellung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und mündlicher Verhandlung am 14. Juni 1988 den Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. Dezember 1987 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, der Rechtsfreund der Agrargemeinschaft habe mit Schreiben vom 20. August 1986 bei der Gemeinde als Baubehörde erster Instanz beantragt, die auf der Baufläche 152 der EZ 42 KG V. durchgeführte Bauführung einzustellen und der Beschwerdeführerin als Eigentümerin dieser Liegenschaft den Auftrag zur Beseitigung des widerrechtlich errichteten Bauwerkes zu erteilen, da der bisherige Schweinestall unter Nichteinhaltung des gesetzlichen Mindestabstandes in ein Wohnhaus umgebaut worden sei. Auch würden durch die Baumaßnahmen einige Bestimmungen des Bautechnikgesetzes verletzt. In der Folge habe die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 17. Dezember 1986 hinsichtlich der bereits teilweise durchgeführten Innenumbauten eine Bauanzeige eingebracht, die vom Bürgermeister offensichtlich zur Kenntnis genommen worden sei (Schreiben an die Beschwerdeführerin vom 8. Juli 1987). Dies sei auch dem Rechtsvertreter der Agrargemeinschaft mit Schreiben vom selben Tag angezeigt worden, der mit Schriftsatz vom 31. Juli 1987 einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG bei der zuständigen Oberbehörde gestellt und diesen zusammenfassend damit begründet habe, daß die Baubehörde erster Instanz bisher hinsichtlich der Erledigung seiner schriftlichen Anträge vom 20. August 1986 schuldhaft säumig geblieben sei. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1987 habe die Gemeindevertretung als Baubehörde zweiter Instanz den Devolutionsantrag abgewiesen und in der Begründung lediglich ausgeführt, daß nach der Aktenlage keine Säumnis der Baubehörde erster Instanz vorliege.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung habe die Agrargemeinschaft ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft, weil die Gemeindevertretung in der Begründung ihres Bescheides nicht erkennnen lasse, wie sie zu dieser Entscheidung gekommen sei, wobei auch das Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Die Rechtswidrigkeit der Entscheidung sei darin gelegen, daß es die Gemeindevertretung als Baubehörde zweiter Instanz unterlassen habe, in der Angelegenheit selbst eine Sachentscheidung zu fällen bzw. dem Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz einen Auftrag zur Sachentscheidung zu erteilen.
Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides weiters aus, sie habe zur Abklärung des Sachverhaltes am 16. Mai 1988 eine Besprechung unter Beiziehung aller Beteiligten durchgeführt, wobei als wesentliches Ergebnis gegenüber dem bisher bekannt gewesenen Sachverhalt hervorgekommen sei, daß weder bei der Behörde der Gemeinde V. noch bei der Stadtgemeinde Z. Unterlagen oder sonstige Dokumente bzw. Bescheide betreffend das Objekt auf der Baufläche 152 KG V. auflägen; vereinbarungsgemäß habe in der Folge am 14. Juni 1988 eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle stattgefunden. Die belangte Behörde führte (nach wörtlicher Wiedergabe der bei dieser Verhandlung abgegebenen Stellungnahmen des Verhandlungsleiters, des hochbautechnischen Amtssachverständigen, des Vertreters der Agrarbehörde, des Vertreters der S-AG, der Agrargemeinschaft, der Beschwerdeführerin und ihres Vertreters sowie des Bürgermeisters) ferner aus, es könne derjenige, der durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Gebiete der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Rechtsmittelzuges - falls kein solcher vorgesehen ist, unmittelbar - innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung an die Landesregierung erheben. Die Aufsichtsbehörde habe den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.
Die Agrargemeinschaft fühle sich insoweit in ihren Rechten verletzt, als nach ihrer Auffassung die Gemeindevertretung im bekämpften Bescheid (vom 6. Dezember 1987) ihrer Begründungspflicht gemäß den §§ 58 und 67 AVG nicht nachgekommen sei, durch die Nichteinholung einer Stellungnahme der Agrargemeinschaft vor Entscheidungsfällung das Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei und im übrigen die Baubehörde zweiter Instanz es unterlassen habe, selbst eine Sachentscheidung zu fällen bzw. der Behörde erster Instanz einen Auftrag zur Sachentscheidung zu erteilen.
Dagegen bringe die Beschwerdeführerin vor, daß ausgehend vom Gegenstand des Vorstellungsverfahrens, nämlich der Abweisung eines Devolutionsantrages, dem ein Antrag der Agrargemeinschaft auf Baueinstellung und Erlassung eines Beseitigungsauftrages vorausgegangen sei, eine Rechtsverletzung durch den Bescheid der Gemeindevertretung vom 6. Dezember 1987 nicht gegeben sei, da der Agrargemeinschaft gemäß § 16 Abs. 6 des Baupolizeigesetzes keine Parteistellung und somit Antragslegitimation zukomme, zumal an der Lage des Baues keine Änderungen durchgeführt worden seien, sondern es sich lediglich um Innenumbauten gehandelt habe.
Die belangte Behörde zitierte die für die Entscheidung der gegenständlichen Angelegenheit maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Baupolizeigesetzes (BauPolG), LGBl. Nr. 117/1973 i. d.F. LGBl. Nr. 108/1983, wie folgt:
"§ 16:
(2) Die Baubehörde hat die Einstellung der Ausführung der baulichen Maßnahmen auch dann und insolange zu verfügen, als
a)
keine Bewilligung vorliegt, oder die erteilte Bewilligung nachträglich aufgehoben wurde oder nicht rechtskräftig ist, es sei denn, es handelt sich um Arbeiten nach § 12 Abs. 2;
b)
die bauliche Maßnahme nicht durch eine hiezu befugte Person (§ 11) ausgeführt bzw. überwacht wird;
c)
die im Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht erfüllt werden;
d)
baubehördlichen Anordnungen im Sinne des § 13 nicht entsprochen wird.
(3) Ist eine bauliche Anlage ohne Bewilligung ausgeführt oder ist ihre Bewilligung nachträglich aufgehoben worden, so hat die Baubehörde dem Veranlasser oder dem Eigentümer aufzutragen, binnen einer angemesenen Frist entweder um die nachträgliche Bewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage zu beseitigen. Liegt ein Widerspruch der baulichen Maßnahme zum Flächenwidmungsplan oder zu einem Bebauungsplan vor, so ist lediglich die Beseitigung der baulichen Anlage Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages. Wird eine nachträgliche Bewilligung versagt, so gilt der baupolizeiliche Auftrag mit der Maßgabe als Auftrag zur Beseitigung der baulichen Anlage, daß die darin bestimmte Frist ab Rechtskraft des Versagungsbescheides neu zu laufen beginnt.
(4) Die Bestimmung des Abs. 3 gilt hinsichtlich des unzulässig Hergestellten sinngemäß, wenn die Ausführung auf Grund einer baubehördlichen Bewilligung erfolgt, von deren Inhalt aber nicht nur geringfügig abweicht. Der Beseitigungsauftrag ist diesfalls an den Bauherrn bzw. den Eigentümer der baulichen Anlage zu richten.
....
(6) Wird durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung einer baulichen Maßnahme gegen eine Bestimmung betreffend Abstände zu der Grenze des Bauplatzes oder zu anderen Bauten verstoßen, so steht dem hiedurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzten Nachbarn das Recht der Antragstellung auf behördliche Maßnahme nach Abs. 1 bis 4 und die Parteistellung in diesem Verfahren zu."
§ 24:
"(2) Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits ausgeführten oder in Ausführung begriffenen baulichen Maßnahmen gelten, soweit dies rechtmäßig erfolgt ist bzw. erfolgt, als im Sinne dieses Gesetzes bewilligte bauliche Maßnahmen."
Die belangte Behörde setzte in der Begründung ihres Bescheides fort, es sei daher zunächst von wesentlicher Bedeutung die Klärung der Frage, ob die Agrargemeinschaft zur Stellung ihrer Anträge (Baueinstellung und Beseitigung) im Hinblick auf § 16 Abs. 6 BauPolG legitimiert gewesen sei, wovon auch die Zulässigkeit ihrer Vorstellung abhänge. Wie aus der Wiedergabe des Abs. 6 des § 16 leg. cit. hervorgehe, stehe dem in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzten Nachbarn dann das Recht auf Antragstellung auf behördliche Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 bis 4 leg. cit. zu, wenn durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung einer baulichen Maßnahme gegen eine Bestimmung betreffend Abstände zu den Grenzen des Bauplatzes oder anderen Bauten verstoßen wird. Dies bedeute wiederum, daß die Agrargemeinschaft nur antragslegitimiert sei, wenn von der Beschwerdeführerin bauliche Maßnahmen im gesetzlich normierten Nachbarabstand gesetzt oder veranlaßt wurden. Aus dem Ergebnis des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, aber auch aus dem Ergebnis des Verfahrens auf Gemeindeebene scheine es zunächst zweifelhaft, ob die von der Agrargemeinschaft beanstandeten baulichen Maßnahmen als solche Maßnahmen zu werten seien, die im gesetzlichen Nachbarabstand bewilligungslos gesetzt wurden. Von der Beschwerdeführerin sei weder eine Änderung der Fronten des Baues noch von die Grundgrenze überragenden Bauteilen veranlaßt worden. Bei reinen Innenumbauten sei eine Parteistellung des Nachbarn nach § 16 Abs. 6 BauPolG in Baueinstellungs- bzw. Demolierungsverfahren nicht gegeben. Ebensowenig, wenn vom Nachbarn Verletzungen von Bestimmungen des Bautechnikgesetzes angezeigt werden. Eine Änderung der Raumwidmung könne auch nur dann als im Nachbarabstand bewilligungslos vorgenommene bauliche Maßnahme angesehen werden, wenn die seinerzeitige Raumwidmung für die Erteilung einer Ausnahme nach § 25 Abs. 8 BGG maßgeblich gewesen sei. Auch diese Voraussetzung treffe mangels Vorliegens einer derartigen ausnahmsweisen Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes nicht zu.
Die Zulässigkeit zur Stellung der Anträge von § 16 Abs. 2 und Abs. 3 BauPolG ergebe sich aber aus einem von der Agrargemeinschaft bisher nicht vorgebrachten, aber dennoch von Amts wegen zu berücksichtigenden anderen Umstand, nämlich, daß das Objekt als solches offensichtlich konsenslos bestehe. Weder die Baubehörde der Gemeinde V. noch jene der Stadtgemeinde Z. seien in der Lage gewesen, Altbewilligungen vorzulegen. Das Objekt auf Baufläche 152 KG V müsse daher als sogenannter "Schwarzbau" angesehen werden. Dies deshalb, weil die Errichtung dieses Objektes und die nunmehr geplante sowie die bisherige Nutzung des Objektes (teilweise Viehunterkunft und Müllverbrennungsanlage sowie Aufenthaltsraum) gemäß § 2 Abs. 1 BauPolG eine baubehördliche Bewilligungspflicht nach sich ziehe und hier nicht ein Befreiungstatbestand nach § 2 Abs. 2 leg. cit. vorliege. Dieser Mangel an Rechtmäßigkeit, den die Beschwerdeführerin zwar nicht selbst verursacht oder herbeigeführt habe, treffe nach dem Erwerb der Baufläche samt dem darauf befindlichen Objekt nunmehr die jetzige Eigentümerin. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob vor Erwerb durch die Beschwerdeführerin das gegenständliche Objekt Wohnzwecken gedient habe oder nicht, ergebe sich doch schon daraus, daß für das Objekt keine Baubewilligung vorliege und dieses mit seinem aufgehenden Mauerwerk im gesetzliche vorgeschriebenen Mindestabstand liege, eine Beeinträchtigung subjektiv öffentlicher Nachbarrechte. Die Agrargemeinschaft sei daher zur Stellung von Anträgen gemäß § 16 Abs. 1 bis 4 BauPolG nach Abs. 6 dieser Gesetzesstelle legitimiert. Wenn die von der Beschwerdeführerin als der nunmehrigen Eigentümerin zu verantwortenden baulichen Maßnahmen an einem Objekt, welches als konsenslos anzusehen sei, die Agrargemeinschaft berechtigt haben, Anträge auf Baueinstellung und Beseitigung einzubringen, so habe sie auch das Recht auf baubehördliche Erledigung dieser Anträge und zwar innerhalb der im § 73 AVG festgesetzten Frist. Die zwischen Stellung der Anträge gemäß § 16 Abs. 2 und Abs. 3 BauPolG und Einbringung des Devolutionsantrages erfolgte Zurkenntnisnahme der von der Beschwerdeführerin angezeigten baulichen Maßnahme könne daran insofern nichts ändern, als nach Meinung der belangten Behörde die Zurkenntnisnahme rechtswidrig erfolgt sei und in einem solchen Fall wegen der mangelnden Bescheidqualität einer Zurkenntnisnahme ein in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten betroffener Nachbar nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes berechtigt sei, Anträge gemäß § 16 Abs. 1 bis 4 BauPolG zu stellen. Unabhängig von der inhaltichen Entscheidung über diese Anträge habe der betroffene Nachbar jedoch das Recht auf bescheidmäßige Erledigung seiner Anträge. Nach dem Aktenstand sei eine Erledigung der mit Eingabe vom 20. August 1986 gestellten Anträge der Agrargemeinschaft bisher nicht erfolgt. Die Abweisung des aufgrund der Säumigkeit der Baubehörde erster Instanz eingebrachten Devolutionsantrages sei daher zu Unrecht erfolgt, zumal die Baubehörde erster Instanz schuldig säumig geblieben sei und sie auch bisher gegenüber der belangten Behörde keine plausiblen Rechtfertigungsgründe habe vorbringen können. Durch die unberechtigte Abweisung des Devolutionsantrages sei daher die Agrargemeinschaft in ihren Rechten verletzt und es sei schon aus diesem Grund der bekämpfte Bescheid der Gemeindevertretung wegen Rechtswidrigkeit zu beheben gewesen. Eine weitere Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides liege darin, daß dieser, wie die Agrargemeinschaft zu Recht rüge, nicht ordnungsgemäß begründet sei. Aus der im Bescheid vom 6. Dezember 1987 enthaltenen Begründung lasse sich nicht ableiten, wie bzw. aufgrund welcher Überlegungen die Gemeindevertretung zu ihrer Entscheidung gekommen sei. Es lasse sich daher für die belangte Behörde nicht nachvollziehen, weshalb keine Säumnis, insbesonders weshalb keine schuldhafte Säumnis der Baubehörde erster Instanz vorgelegen sein soll. Durch diesen Begründungsmangel habe die Gemeindevertretung ihren Bescheid ebenfalls mit Rechtswidrigkeit behaftet und es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach § 67 AVG Rechtsmittelentscheidungen zu begründen sind.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge (funktioneller) Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die Agrargemeinschaft - in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wenn die Beschwerdeführerin meint, die belangte Behörde sei deshalb "funktionell" unzuständig gewesen, weil sie sich nicht nur mit den Anträgen der Agrargemeinschaft vom 20. August 1986 und dem im Devolutionswege ergangenen Bescheid der Gemeindevertretung vom 6. Dezember 1987, sondern auch mit der Frage, ob hinsichtlich des in Rede stehenden Objektes überhaupt eine Baubewilligung vorliege, auseinandergesetzt habe, so ist ihr darauf zu erwidern, daß sich die belangte Behörde damit zu befassen hatte, weil sie zu prüfen hatte, ob die Parteistellung der Agrargemeinschaft im Devolutionsverfahren (nicht in der Sache selbst) im Sinne der Bestimmung des § 16 Abs. 6 BauPolG gegeben war. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde gehen daher ins Leere.
Die Beschwerde erweist sich jedoch schon deshalb als berechtigt, weil die belangte Behörde - wie aus der Begründung ihres Bescheides hervorgeht - rechtsirrig die Parteistellung der Agrargemeinschaft in der Sache selbst geprüft und nicht erkannt hat, daß - aus dem Blickwinkel des für die belangte Behörde allein maßgebenden Entscheidungsgegenstandes der im Devolutionsweg angerufenen Gemeindevertretung - der Agrargemeinschaft - ungeachtet aller Erwägungen ihrer Parteistellung in der Sache selbst - jedenfalls ein Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung ihres Antrages nach § 16 BauPolG, - sei es durch Zurückweisung oder durch meritorische Erledigung - zukam und daher (schon) AUS DIESEM GRUNDE die Abweisung des DEVOLUTIONSANTRAGES der Agrargemeinschaft rechtswidrig gewesen ist. Hingegen war die belangte Behörde im Rahmen der ihr durch den Gegenstand des Bescheides der Gemeindevertretung eingeschränkten Zuständigkeit nicht berechtigt, der Devolutionsbehörde Rechtsauffassungen in der Sache selbst zu überbinden.
Aus prozeßökonomischen Gründen wird darauf hingewiesen, daß die Gemeindevertretung bei der zunächst ihr obliegenden Prüfung der Parteistellung der Beschwerdeführerin unter dem Blickwinkel der Konsensgemäßheit des Altbaues nicht nur ausreichend Parteiengehör zu gewähren, sondern auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vermuteten Baukonsens zu berücksichtigen haben wird. Es ist nämlich die Annahme der belangten Behörde, der gesamte Bau sei konsenslos, weil sich bei den Baubehörden der beiden in Betracht kommenene Gemeinden in den Archiven keine diesbezüglichen Bauakten befänden, keinesfalls zwingend. Schon im Hinblick auf die Bestimmung des § 96 Z. 2 der Bauordnung für das Herzogtum Salzburg, Jahrgang 1879, Nr. 15, - die immerhin bis 1953 in Geltung stand - wäre es möglich, daß die Baubewilligung von der damals zuständigen politischen Bezirksbehörde erteilt wurde und sich Aufzeichnungen darüber im zuständigen Archiv betreffend Genehmigungen nach der Gewerbeordnung hinsichtlich der Betriebsanlage (Hotel) befinden könnten. Dazu ist noch auszuführen, daß sich nach der Aktenlage schon zu Beginn dieses Jahrhunderts auf der genannten Parzelle - die wohl nicht ohne Grund als "Baufläche" bezeichnet wird - ein Objekt befunden haben dürfte, das möglicherweise im Rahmen des Hotelbetriebes genutzt wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Oktober 1964, Zl. 1623/63, dargelegt hat, ist es bei den Ermittlungen, ob für ein Bauwerk zumindest die Vermutung der Konsensmäßigkeit besteht, auch erforderlich festzustellen, ob aus der behaupteten Entstehungszeit der Bauten Bewilligungen für ähnliche Bauten im örtlichen Umkreis die Baubewilligung auffindbar sind. Hiezu gehören auch Nachforschungen in den Archiven der in Betracht kommenden Behörden (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1964, Zl. 1884/63). Daß derartige Nachforschungen stattgefunden hätten und daß die in Betracht kommenden Archive vollständig seien, kann dem Verwaltungsakt derzeit jedenfalls nicht entnommen werden. Sollten aber hinsichtlich eines seit Jahrzehnten bestehenden - wenn auch zum Teil veränderten - Gebäudes Unterlagen über eine seinerzeitige Baubewilligung nicht mehr auffindbar sein, so stünde andererseits fest, daß baubehördliche Beanstandungen aus dem Grund, weil ein Konsens fehle, niemals stattgefunden haben, dann spräche die Vermutung dafür, daß das Gebäude seinerzeit auf Grund einer Baubewilligung, die nach den im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschriften erteilt wurde, errichtet worden ist, es sei denn, daß Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorliegen (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1957, Slg. N.F. Nr. 4364/A, und vom 25. Mai 1972, Zl. 414/71). Das gilt auch für die Zubehöranlagen (Erkenntnis vom 23. Jänner 1962, Zl. 712/61).
Im übrigen fehlt auch jede Feststellung darüber, wie alt die Außenmauern des in Rede stehenden Gebäudes sind. Hier wäre allenfalls mit Hilfe von Sachverständigen, die nach Begutachtung des Gebäudes aus dem Bauzustand und den verwendeten Materialien Schlüsse auf den Zeitpunkt der Errichtung ziehen können, das Alter des Gebäudes festzustellen, da nur so beurteilt werden kann, ob die Vermutung des rechtmäßigen Bestandes einer Baulichkeit in Betracht kommt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 91/06/0057). Es wäre auch zu prüfen, ob durch den offenbar vorgenommenen Umbau (Veränderung des Pultdaches) der bestehende oder zumindest vermutete Konsens für das seinerzeit bestandene Bauwerk zur Gänze untergegangen ist, da nur in diesem Falle die Agrargemeinshaft Parteistellung im Sinne des § 16 Abs. 6 BauPolG hätte.
Da die belangte Behörde - offenbar von einer falschen Rechtsansicht ausgehend - einerseits die sachverhaltsbezogene Feststellung getroffen hat, es handle und handelte sich bei dem in Rede stehenden Gebäude um einen "Schwarzbau", der Beschwerdeführerin jedoch dazu kein Parteiengehör eingeräumt hat und andererseits zu dieser Feststellung nur auf Grund eines völlig unzureichenden Ermittlungsverfahrens gekommen ist, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. ungeachtet eines diesbezüglichen Parteienantrages von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf den Ersatz von Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen zur Beschwerde gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen.
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1988060199.X00Im RIS seit
03.05.2001