TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/4 89/07/0092

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Veröffentlicht am 04.05.1992
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Index

L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §56;
VwRallg;
WWSGG §13 Abs2;
WWSGG §21 Z1;
WWSGG §25;
WWSGG §4;
WWSGG §5;
WWSGG §6;
WWSLG Tir 1952 §18 Abs2;
WWSLG Tir 1952 §26 Abs1 litb;
WWSLG Tir 1952 §3 Abs2;
WWSLG Tir 1952 §30;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs2;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs4;
WWSLG Tir 1952 §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der AS in B und der PS in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 9. März 1989, Zl. LAS-162/25-81, betreffend Ablösung von Holzbezugsrechten (mitbeteiligte Partei: AGRARGEMEINSCHAFT O, vertreten durch den Obmann J in O), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben zu gleichen Teilen dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 8. Juli 1986 wurde gemäß § 39 des Tiroler Wald- und Weideservituten-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 21/1952 (WWSG), festgestellt, daß ein - von der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Agrargemeinschaft eingebrachter - gültiger Antrag auf Ablösung für die mit der - im Eigentum der Beschwerdeführerinnen stehenden - Liegenschaft EZ 143 KG O aufgrund des Servitutenneuregulierungsplanes der AB vom 24. November 1980 verbundenen Holzbezugsrechte auf dem Besitz der Mitbeteiligten in EZ 44 KG O vorliege, und für dieses Gebiet das Servitutenablösungsverfahren eingeleitet. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 18. Dezember 1986 im Instanzenzug mit der Maßgabe bestätigt, daß anstelle des Wortes "Servitutenablösungsverfahren" das Wort "Servitutenverfahren" trat.

Mit Bescheid vom 21. April 1988 verfügte sodann die AB gemäß § 41 in Verbindung mit §§ 18 und 26 WWSG die Ablösung der aufgrund und nach Maßgabe des Servitutenneuregulierungsplanes vom 24. November 1980 mit Bescheid (der AB) vom 11. März 1981 zugunsten der Liegenschaft EZ 143 auf den Gp. 907/1, 907/5, 907/6, 907/7, 907/8, 909 und 910 EZ 44 im Eigentum der Mitbeteiligten lastenden Holzbezugsrechte im Umfang von 2,14 fm Nutz- und 6,821 rm Brennholz jährlich gegen eine einmalige Gegenleistung von S 69.967,-- für immerwährende Zeiten.

Die Berufung der Beschwerdeführerinnen wies der Landesagrarsenat mit Erkenntnis vom 9. März 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) in Verbindung mit den §§ 18 und 26 WWSG ab. Begründend wurde ausgeführt:

Gemäß § 7 WWSG bilde die Grundlage für ein Servitutenverfahren das durch Übereinkommen festgestellte oder durch Urkunden oder sonstige Beweismittel nachgewiesene Ausmaß der zustehenden Nutzungsrechte. Rechtsgrundlage für das gegenständliche Servitutenverfahren sei demnach der rechtskräftige Servitutenneuregulierungsplan vom 24. November 1980 in der Fassung des Bescheides vom 11. März 1981. Danach scheine als holzbezugsberechtigte Liegenschaft auf der Alpe F in den Waldungen der Mitbeteiligten die Liegenschaft in EZ 143 II KG O auf. Dieser berechtigten Liegenschaft stehe ein Holzbezugsrecht von 2,140 fm Nutzholz und 6,821 rm Brennholz zu. Nach den Bedingungen für den Holzbezug (Pkt. C) diene das Holzbezugsrecht zur Deckung des jeweiligen Bedarfes an Brennholz für die Alpenwirtschaft und zur Erhaltung und Herstellung der zum Alpwirtschaftsbetrieb erforderlichen Gebäude. Nunmehr stelle aber die berechtigte Liegenschaft, die im wesentlichen aus der Bp. 103 (im Ausmaß von 82 m2) bestehe, kein alpwirtschaftliches Gebäude, sondern ein Gasthaus dar. Daraus sei aber schon zu ersehen, daß eine Abgabe von Brennholz oder Nutzholz für den Betrieb der Alpwirtschaft oder zur Erhaltung und Herstellung der zum Alpwirtschaftsbetrieb auf der Alpe F erforderlichen Gebäude gar nicht mehr möglich sei. Gemäß § 26 Abs. 1 lit. b WWSG könnten Nutzungsrechte in Geld dann abgelöst werden, wenn sie für das berechtigte Gut dauernd entbehrlich seien. Da eine Ausnützung der gegenständlichen Rechte nur im Zusammenhang mit dem Betrieb der Alpwirtschaft erfolgen könne und ein solcher auf der berechtigten Liegenschaft gar nicht mehr möglich sei, erschienen die Rechte für die berechtigte Liegenschaft dauernd entbehrlich. Dabei habe man nach Ansicht des Landesagrarsenates von den rechtskräftigen Feststellungen des Servitutenneuregulierungsplanes auszugehen. Es möge zutreffen, daß bei Erlassung dieses Bescheides der Behörde bekannt gewesen sei, daß schon damals auf Bp. 103 keine Landwirtschaft mehr betrieben und diese Liegenschaft dennoch als berechtigte Liegenschaft aufgenommen worden sei. Zweck der Servitutenneuregulierung sei gewesen, wie schon die AB richtig festgestellt habe, die servitutsberechtigten Liegenschaften und den Umfang des Holzbezugsrechtes festzustellen. Hätte man die seinerzeit sicherlich alpwirtschaftlich genutzte Liegenschaft EZ 143 II überhaupt nicht mehr als holzbezugsberechtigte Liegenschaft angeführt, wäre dies einer Enteignung gleichgekommen. Wenn sich auch hinsichtlich der berechtigten Liegenschaft die Verhältnisse, die seit der Erlassung des Servitutenneuregulierungsplanes maßgebend gewesen seien, nicht geändert hätten, sei doch rechtskräftig festgestellt, daß das Bezugsrecht für Nutz- und Brennholz nur zur Deckung des jeweiligen Bedarfes der Alpwirtschaft diene. Da bei der berechtigten Liegenschaft von einer Alpwirtschaft, wie dargelegt, nicht mehr die Rede sein könne, sei dieses Holzbezugsrecht auch entbehrlich. Damit werde keineswegs der Servitutenneuregulierungsplan geändert oder das Verfahren wiederaufgenommen. Im gegenständlichen Verfahren werde lediglich über die Möglichkeit einer Ablösung der Holzbezugsrechte entschieden. Der Landesagrarsenat und die AB hätten sich auch nicht mehr mit der Frage zu befassen gehabt, ob es rechtlich zulässig gewesen wäre, in den seinerzeitigen Servitutenneuregulierungsplan die Bestimmung aufzunehmen, daß das Bezugsrecht nur für Zwecke der Alpwirtschaft diene. Diesbezüglich sei der Bescheid rechtskräftig und habe die Behörde von dessen Feststellungen auszugehen gehabt. Der Landesagrarsenat könne sich auch nicht erklären - was im gegenständlichen Fall im übrigen belanglos sei -, weshalb der berechtigten Liegenschaft auch ein Zaunholzbezugsrecht zustehen solle. Nach den eindeutigen rechtskräftigen Feststellungen des vorzitierten Servitutenneuregulierungsplanes und des Bescheides vom 11. März 1981 stehe der berechtigten Liegenschaft wohl ein Bezugsrecht für Brenn- und Nutzholz, nicht jedoch für Zaunholz zu. Insgesamt ergebe sich, daß wegen der nicht mehr bestehenden Möglichkeit eines Alpwirtschaftsbetriebes auf der berechtigten Liegenschaft richtigerweise die Ablösung des Holzbezugsrechtes verfügt worden sei.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde angefochten, wobei sich die Beschwerdeführerinnen in dem Recht auf Unterbleiben der verfügten Ablösung der bezeichneten Nutzungsrechte verletzt erachten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Mitbeteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerinnen sind der Ansicht, ein Ablösungsbescheid hätte schon deshalb nicht erlassen werden dürfen - und darin liege auch eine Verletzung der Zuständigkeit -, weil sich die maßgebenden Verhältnisse seit 1980/1981 nicht geändert hätten, bereits damals keine Alpwirtschaft auf dem berechtigten Grundstück betrieben worden und auf ihm kein alpwirtschaftliches Gebäude, sondern ein Gasthaus gestanden sei. Ohne Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse dürfe keine Ablösung gefordert werden, die andernfalls zudem einer amtswegigen Bescheidabänderung gleichkomme; auch sei es unzutreffend, daß mangels Antragstellung in Richtung Ausnutzbarkeit der Holzbezugsrechte anläßlich der Servitutenneuregulierung nicht auch hierüber hätte entschieden werden können.

Demgegenüber ist jedoch im Beschwerdefall, worauf die belangte Behörde zu Recht verwiesen hat, davon auszugehen, daß in den mehrfach genannten Bescheiden der AB aus 1980 und 1981 nur Fragen einer Neuregulierung, nicht solche einer Ablösung behandelt worden waren - ein Einleitungsbescheid, der eine Prüfung in beider Hinsicht offengehalten hätte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. März 1983, Slg. Nr. 11010/A), fehlte damals -, wobei die Neuregulierung, wie bereits in der Begründung des Servitutenneuregulierungsplanes angeführt worden war, nicht auf einer Änderung der Verhältnisse, sondern darauf beruhte, daß "die Bezugsberechtigung und der Umfang der Rechte der einzelnen berechtigten Liegenschaften ... unübersichtlich geworden" war. In den Servitutenneuregulierungsplan kann daher nicht, wie die Beschwerdeführerinnen meinen, von Überlegungen her, wie allenfalls rechtens vorzugehen gewesen wäre, ein Inhalt hineingetragen werden, den er nicht hat. Insbesondere ist ihm eine dahin gehende Aussage nicht zu entnehmen, die der berechtigten Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen zustehenden Rechte hätten aufrecht zu bleiben, obwohl es insoweit gar keinen Alpwirtschaftsbetrieb mehr gebe. Gerade die "gemeinsamen Bedingungen für den Holzbezug" die ohne Einschränkung eine "Alpenwirtschaft" und einen "Alpwirtschaftsbetrieb" voraussetzen, zeigen, daß auf Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie die Beschwerdeführerinnen, von der belangten Behörde unwidersprochen, behauptet haben, in jenen Bescheiden aus 1980 und 1981 nicht Bedacht genommen wurde. Daraus ergibt sich, daß die Verfügung einer Ablösung (in Geld) einer rechtserheblichen Veränderung der Verhältnisse seit Erlassung des Servitutenneuregulierungsplanes nicht bedurfte.

Es ist auch nicht zulässig, wie die Beschwerdeführerinnen meinen, von den spezifischen, urkundlichen und bescheidmäßig festgelegten wirtschaftlichen Voraussetzungen abzusehen. Der Servitutenneuregulierungsplan hat den allgemeinen Widmungszweck aus der Servitutenregulierungsurkunde vom 27. Dezember 1872, Nr. 21066/1051, übernommen (Brennholz für die "Alpenwirtschaft" sowie "Bau-, Nutz- und Zaunholz" für die alpwirtschaftlichen Gebäude und Zäune). Bei der in Rede stehenden berechtigten Liegenschaft handelt es sich daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen nicht um den Fall einer Einforstung, bei der es allein auf das Gebäude ankommt, wie dies etwa bei Häusern, die gewerblichen oder Wohnzwecken dienen, der Fall ist. Der Alpwirtschaftsbetrieb ist daher im Beschwerdefall für die Feststellung des Nutzungsbedarfes von rechtserheblicher Bedeutung. Auch soweit das Gesetz vom wirtschaftlichen Bedarf (§ 3 Abs. 2 WWSG), von der Frage einer Bewirtschaftungserschwernis, wirtschaftlichen Bedürfnissen (§ 4 Abs. 2 WWSG) oder vom ordentlichen Wirtschaftsbetrieb (§ 18 Abs. 2 WWSG) spricht, geht es nicht, wie den Beschwerdeführerinnen vorzuschweben scheint, um beliebige, sondern jeweils um ganz bestimmte wirtschaftliche Verhältnisse. Daß jede Zweckbindung gesetzwidrig wäre, wie die Beschwerdeführerinnen behaupten, ist unzutreffend und wird beispielsweise durch die Regelung des § 30 WWSG über das Gewerbeholz mit dem ausdrücklichen Widmungszweck des Betriebes eines Gewerbes widerlegt. Durch das Recht der freien Weiterverwendung (§ 4 Abs. 4 WWSG) wird die wirtschaftliche Grundlage des Bezugsrechtes nicht beeinflußt.

Wenn die Beschwerdeführerinnen schließlich auf die in einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (Urteil vom 19. April 1988, 5 Ob 547/87) zum Ausdruck kommende Beurteilung von Almnutzungsrechten hinweisen, in welche auch die Ausübung des Schisportes im Winter einbezogen wurde, ist - von allen anderen in diesem Zusammenhang bestehenden Unterschieden, auf die im einzelnen nicht eingegangen zu werden braucht - hieraus für den Beschwerdefall schon deswegen nichts zu gewinnen, weil ein Gastgewerbebetrieb nicht zur Almwirtschaft gehört (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1984, Slg. Nr. 11475/A, von dem abzugehen dieser keinen Anlaß sieht).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989070092.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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