TE Vwgh Beschluss 1992/5/6 92/01/0389

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Veröffentlicht am 06.05.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/01/0390

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Anträge des W (auch: V) in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, auf 1.) Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der im hg. Verfahren Zl. 91/01/0151 gesetzten Mängelbehebungsfrist und 2.) Wiederaufnahme des Verfahrens, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Mit hg. Beschluß vom 26. Februar 1992, Zl. 91/01/0151, wurde das Verfahren über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde des nunmehrigen Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. August 1990, Zl. 4.281.701/2-III/13/90, gemäß §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 2 VwGG wegen unterlassener Mängelbehebung eingestellt. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer den ihm mit hg. Verfügung vom 7. Jänner 1992 erteilten Aufträgen nur teilweise nachgekommen war; der ergänzende Schriftsatz war nämlich entgegen dem ausdrücklich erteilten Auftrag nur einfach eingebracht worden, es fehlte die verlangte Ausfertigung oder Kopie des angefochtenen Bescheides und weiters die Angabe des Datums der Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer.

Der Einstellungsbeschluß wurde dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 13. März 1992 zugestellt.

Am 27. März 1992 gab der Antragsteller einen Schriftsatz zur Post, worin er einerseits die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist und andererseits die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt.

Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antragsteller begründet sein Wiedereinsetzungsbegehren wie folgt:

Es sei richtig, daß dem Verbesserungsauftrag nur teilweise nachgekommen worden sei. Allerdings habe dazu eine Verkettung unglücklicher Umstände geführt. Am 23. Jänner 1992 sei im Kalender des Rechtsanwaltes zur Einbringung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung ein Vortermin eingetragen gewesen. Als Endtermin sei der 30. Jänner 1992 eingetragen gewesen. In Vorbereitung dieses Termines habe der Vertreter des Beschwerdeführers am 20. Jänner 1992 den Schriftsatz zur Mängelbehebung im Entwurf diktiert. Dieser Schriftsatz habe sich noch nicht in der endgültigen Fassung befunden, weil insbesondere noch das Datum der Zustellung des anzufechtenden Bescheides an den Beschwerdeführer gefehlt habe.

Der 20. Jänner 1992 sei ein äußerst hektischer Tag gewesen, weil an diesem Tag eine Hauptversammlung zur Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft in der Kanzlei des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers durchgeführt hätte werden sollen. Zur Vorbereitung dieser Hauptversammlung habe ein ziemlicher Druck auf der Kanzlei und den Mitarbeitern gelastet, zumal zahlreiche Urkunden ausgefertigt und überprüft hätten werden müssen. Alle diese Unterlagen seien in die Unterschriftenmappe nach erfolgter Kontrolle eingelegt worden. Dabei dürfte es passiert sein, daß der Schriftsatzentwurf, der noch nicht verbessert und fertiggestellt gewesen sei, versehentlich in die Unterschriftenmappe eingelegt worden sei.

Normalerweise sei die Vorgangsweise in der Kanzlei des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers so, daß Entwürfe von Schriftstücken samt dem dazugehörigen Akt nochmals zur Kontrolle bzw. zur Vorbereitung der endgültigen Fassung vorgelegt würden. Nach erfolgter Verbesserung (was auch mehrmals erfolgen könne) werde das Schriftstück neuerlich ausgedruckt und mit allfälligen Beilagen samt Akt zur Durchsicht und Nachkontrolle nochmals vorgelegt. Erst danach erfolge die Einlage des Schriftstückes samt allenfalls erforderlichen Beilagen in die Unterschriftenmappe. Nur Mahnklagen und Exekutionen würden direkt in die Unterschriftenmappe eingelegt. Das Einlegen in die Unterschriftenmappe erfolge normalerweise nur durch die Kanzleileiterin, die bereits seit mehreren Jahren beim Rechtsanwalt des Beschwerdeführers beschäftigt und eine äußerst zuverlässig Mitarbeiterin sei. Bis heute habe es niemals irgendwelche Vorfälle gegeben.

Wenn ein Schriftstück oder Schriftsatz (auch kompliziertere Klagen und dgl.) einmal in die Unterschriftenmappe eingelegt sei, habe bereits zumindest eine zweimalige Kontrolle stattgefunden. Außerdem werde der erste Ausdruck automatisch mit dem handschriftlichen Vermerk "Entwurf" versehen. Es gebe sohin mehrere Schutzvorrichtungen in der Kanzlei, um einen Vorfall wie den gegenständlichen zu vermeiden. Es habe auch bis heute nach immerhin mehr als fünfjähriger Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt keinen derartigen oder ähnlichen Vorfall gegeben. Es zeige sich also, daß die Maßnahmen, die gesetzt worden seien, um Versäumissen vorzubeugen, mehr als ausreichend seien. Trotz mehrmaliger Diskussion in der Kanzlei sei es nicht gelungen nachzuvollziehen, wieso und vor allem wie der Schriftsatzentwurf in die Unterschriftenmappe gekommen sei und warum der Vermerk "Entwurf" fehle.

Es sei nur so zu erklären, daß infolge der großen Nervosität, die in der Kanzlei wegen der vorgesehenen Hauptversammlung geherrscht habe, der Schriftsatzentwurf versehentlich in die Unterschriftenmappe eingelegt und unterfertigt worden sei. Zu guter Letzt sei dann auch noch die Hauptversammlung im letzten Moment auf einen anderen Termin verlegt worden. Die jeweiligen Termine würden aus dem Kalender ausgetragen, sobald der Postaufgabeschein auf der Kopie des Schriftsatzes angebracht werde. Für den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers stelle sohin die Übermittlung des noch nicht fertiggestellten Schriftsatzes zur Mängelbehebung, durch den die Einstellung des Verwaltungsgerichtshofverfahrens ausgelöst worden sei, ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis dar. Dadurch, daß nach Absendung des unvollständigen und fehlerhaften Schriftsatzentwurfes dessen Termine (Vortermin und Letzttermin) ausgetragen worden seien, sei der Vertreter des Beschwerdeführers der Meinung gewesen, daß ohnehin alles ordnungsgemäß erledigt worden sei. Andernfalls wäre ja die Sanierung der Mängel noch rechtzeitig möglich gewesen.

Ausgehend von diesem Vorbringen erweist sich der Wiedereinsetzungsantrag als unberechtigt. Es liegt nämlich auf der Hand, daß dem Rechtsanwalt des damaligen Beschwerdeführers und nunmehrigen Antragstellers der noch unvollständige Entwurf des Verbesserungsschriftsatzes in der Unterschriftenmappe zur Unterschrift vorgelegt wurde. Dem Verbesserungsschriftsatz (vgl. OZl. 9 im hg. Akt 91/01/0151) ist zu entnehmen, daß der Rechtsanwalt des damaligen Beschwerdeführers das Schriftstück eigenhändig unterfertigte ohne die diesem Schriftsatz anhaftenden (auch inhaltlichen) Unvollständigkeiten zu bemerken.

Darin liegt aber nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. z. B. die hg. Beschlüsse vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0108; 8. Oktober 1990, Zl. 90/15/0134 und vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0437) nicht mehr ein bloß minderer Grad des Versehens.

Mit Rücksicht darauf mußte dem Wiedereinsetzungsantrag ein Erfolg versagt bleiben, zumal nichts vorgebracht wurde, wieso der Rechtsanwalt des Antragstellers bei Unterfertigung des Verbesserungsschriftsatzes durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen wäre, die gebotene Kontrolle des Schriftsatzes auf seine Vollständigkeit vorzunehmen.

Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens:

Der ausdrücklich auch gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird mit keinem Wort näher begründet, insbesondere nicht in Richtung des Vorliegens eines der Gründe des § 45 Abs. 1 Z. 1 bis 5 VwGG, weshalb ihm ebenfalls kein Erfolg beschieden sein kann.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010389.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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