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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
KJBG 1987 §17 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 13. August 1990, Zl. 5-212 Lo 25/5-90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des KJBG (mitbeteiligte Partei: H in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
I.
1. Das Arbeitsinspektorat Graz erstattete am 13. Februar 1989 die Anzeige gegen die mitbeteiligte Partei (mP) und beantragte die Verhängung einer Geldstrafe von S 4.000,-- wegen Übertretung des § 17 Abs. 5 KJBG, weil bei einer am 28. Jänner 1989 durchgeführten Überprüfung des Betriebes der mP festgestellt worden sei, daß ein näher bezeichneter Jugendlicher an diesem Tag um 3.05 Uhr beschäftigt worden sei. Das Arbeitsinspektorat machte in diesem Schriftsatz auf einen Strafantrag gegen die mP vom 12. Jänner 1988 aufmerksam.
2. In seiner Stellungnahme vom 15. Jänner 1990 sprach sich das Arbeitsinspektorat Graz gegen die Einstellung des Strafverfahrens aus, weil keine Gründe dafür vorlägen.
3. Mit Bescheid vom 12. Februar 1990 verfügte die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung gemäß § 45 Abs. 1 lit. a i. V.m. § 45 Abs. 2 VStG 1950 die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. Begründend wurde ausgeführt, es sei nicht einwandfrei zu beweisen, daß der Beschuldigte den Lehrling angehalten habe, am 28. Jänner 1989 um 3.00 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Deshalb sei das Verfahren "in dubio pro reo" einzustellen.
4. Dagegen erhob das Arbeitsinspektorat Graz Berufung und beantragte, dem Strafantrag zu entsprechen. In der Berufung wurde ausgeführt, die Begründung des Einstellungsbescheides sei nicht schlüssig. Die mP hätte beweisen müssen, daß Maßnahmen getroffen worden seien, die unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen. Im Hinblick auf die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 30. Mai 1988 liege ein Wiederholungsfall vor.
5. Mit Bescheid vom 13. August 1990 gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) der Berufung des Arbeitsinspektorates Graz teilweise Folge und verhängte gemäß § 30 KJBG in Verbindung mit § 20 VStG 1950 wegen der durch die in der Anzeige beschriebene Tat begangenen Übertretung des § 17 Abs. 5 KJBG eine Geldstrafe von S 500,--. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Tat sei als erwiesen anzusehen. Das Verschulden des Beschwerdeführers sei nicht erheblich. Erschwerungsgründe seien nicht gegeben. Als Milderungsgrund werde der Umstand gewertet, daß der Beschwerdeführer bisher "keine verwaltungsstrafrechtliche Übertretung des KJBG begangen hat und die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht bestritten hat".
Von § 20 VStG 1950 sei deshalb Gebrauch gemacht worden, weil der jugendliche Arbeitnehmer ohne Wissen des Beschwerdeführers, der nicht bei der Betriebsstätte wohnhaft sei, um 3.00 Uhr zu arbeiten begonnen habe und es dem Beschwerdeführer daher nicht möglich gewesen sei, diese Übertretung zu verhindern.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Sie hat, ebenso wie die mP, keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
II.
1.1. Der Beschwerdeführer macht mit Recht geltend, daß die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe "bislang keine Verwaltungsstrafrechtliche Übertretung des KJBG begangen", aktenwidrig sei.
Das Arbeitsinspektorat hat in der Berufung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 30. Mai 1988 ein Wiederholungsfall vorliege. Mit Schreiben vom 30. Mai 1990 hat die belangte Behörde die erstinstanzliche Behörde um Übersendung einer Kopie der Strafkartei bezüglich des Beschwerdeführers ersucht. Diesem Ersuchen hat die erstinstanzliche Behörde mit Schreiben vom 8. Juni 1990 entsprochen. Nach der im Akt befindlichen Ablichtung der Strafkartei wurde gegen den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung am 30. Mai 1988 wegen einer Übertretung des KJBG eine Geldstrafe von S 2.000,-- verhängt.
Aus welchen Gründen die belangte Behörde dennoch die Auffassung vertreten hat, der Beschwerdeführer sei noch nicht wegen einer Übertretung nach dem KJBG bestraft worden, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen und wurde - infolge Nichterstattung einer Gegenschrift - von der belangten Behörde auch nicht nachträglich zu begründen versucht. Die Annahme der belangten Behörde, mit dem angefochtenen Bescheid werde der Beschwerdeführer erstmals wegen einer Übertretung des KJBG bestraft, erweist sich demnach als aktenwidrig.
1.2. Diese aktenwidrige Annahme war für die Entscheidung der belangten Behörde auch wesentlich.
Gemäß § 30 KJBG ist derjenige, der diesem Bundesgesetz oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen einer strengeren Strafe unterliegt, mit Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, im Wiederholungsfall von S 3.000,-- bis S 30.000,--, oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
Auf Grund ihrer aktenwidrigen Annahme ist die belangte Behörde von der Anwendbarkeit des ersten Strafsatzes des § 30 KJBG ausgegangen und hat unter Heranziehung des § 20 VStG 1950 die Hälfte der Mindeststrafe nach diesem Strafsatz verhängt. Hätte die belangte Behörde hingegen entsprechend der Aktenlage das Vorliegen eines Wiederholungsfalles angenommen, hätte sie den dafür vorgesehenen Strafsatz anwenden und daher jedenfalls eine höhere Geldstrafe als im angefochtenen Bescheid verhängen müssen.
1.3. Die aktenwidrige Annahme hatte auch insofern Auswirkung auf die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung, als die belangte Behörde daraus einen Milderungsgrund abgeleitet hat. Im übrigen sei an dieser Stelle bemerkt, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur die absolute Unbescholtenheit einen Milderungsgrund dargestellt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1991, Zl. 90/19/0584), wovon aber die belangte Behörde im Falle des Beschwerdeführers auf Grund der im Akt befindlichen Ablichtung der Strafkartei nicht ausgehen durfte, weil darin mehrere Vorstrafen wegen Übertretungen des Lebensmittelgesetzes aufscheinen.
2. Der angefochtene Bescheid enthält keine ausreichende Begründung dafür, warum die belangte Behörde das Verschulden des Beschwerdeführers "als nicht erheblich" ansieht.
Den weiteren Ausführungen ist zu entnehmen, daß vom außerordentlichen Milderungsrecht deshalb Gebrauch gemacht wurde, weil es zu der Übertretung ohne Wissen des Beschwerdeführers gekommen sei. Dies stellt jedoch keine taugliche Begründung dar, weil der Umstand, daß dem Beschwerdeführer nach der Annahme der belangten Behörde nur Fahrlässigkeit zur Last liegt, kein besonderer Milderungsgrund ist, reicht doch Fahrlässigkeit zur Begehung des Ungehorsamsdeliktes nach § 17 Abs. 5 KJBG aus.
Darauf, ob der Beschwerdeführer seit der Übertretung vom 28. Jänner 1989 keine Lehrlinge "in seiner Bäckerei" wohnen läßt, kommt es bei der Bestrafung wegen dieser Übertretung ebenso wenig an wie darauf, ob seither mehrere Überprüfungen durch das Arbeitsinspektorat ohne Beanstandungen stattgefunden haben oder nicht.
3. Aus den oben unter Punkt II 1.1. bis 1.3. dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben.
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände Schuldform Erschwerende und mildernde Umstände VorstrafenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990190513.X00Im RIS seit
11.05.1992