TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/12 91/08/0186

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Veröffentlicht am 12.05.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 6. November 1991, Zl. 3/01-652/4-1991, betreffend Blindenbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 28. Juni 1991 ersuchte der Beschwerdeführer um Zuerkennung einer Blindenbeihilfe nach dem Salzburger Blindenbeihilfegesetz 1966, LGBl. Nr. 114/1966 i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 7/1979, da er hochgradig sehbehindert bzw. blind sei.

Die belangte Behörde holte Befund und Gutachten der Augenabteilung der Landeskrankenanstalt Salzburg ein. Nach dem Gutachten vom 6. September 1991 sei der Beschwerdeführer weder blind noch hochgradig sehbehindert.

Mit Schreiben vom 10. September 1991 teilt die belangte Behörde vom Beschwerdeführer mit, daß das erforderliche Ermittlungsverfahren nunmehr abgeschlossen sei. Nach dem vorliegenden Untersuchungsergebnis sei zu schließen, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Gewährung einer Blindenbeihilfe nicht vorlägen und damit sein Antrag abzuweisen wäre. Der Beschwerdeführer könne während der Amtsstunden jederzeit Akteneinsicht nehmen bzw. eine Fotokopie des Gutachtens anfordern. Er habe Gelegenheit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieser Verständigung schriftlich Stellung zu nehmen.

Nach Übersendung einer Ausfertigung des Gutachtens an den Beschwerdeführer teilte dieser der belangten Behörde mit Schreiben vom 26. September 1991 mit, daß er von der Augenklinik für eine weitere Untersuchung am 7. Oktober 1991 vorgemerkt sei. Es sei daher nicht verständlich, weshalb ein abschlägiger Bescheid schon vorher erlassen werde. Um ein Fristversäumnis zu vermeiden, bitte er darum, seine Stellungnahme nach beendeter Beweisaufnahme abgeben zu dürften.

Nach einem Aktenvermerk vom 1. Oktober 1991 brachte die belangte Behörde daraufhin bei der Augenklinik in Erfahrung, daß der Termin des Beschwerdeführers am 7. Oktober 1991 den Besuch der Sehschule betreffe und daher kein zusätzlicher Befund übermittelt werde. Nach Auffassung der belangten Behörde sei somit die Begutachtung des Beschwerdeführers abgeschlossen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. November 1991 - dem Beschwerdeführer am 13. November 1991 zugestellt - wies die belangte Behörde den Antrag auf Gewährung einer Blindenbeihilfe ab. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten sei der Beschwerdeführer nicht als blind bzw. hochgradig-sehbehindert im Sinne des § 2 des Salzburger Blindenbeihilfegesetzes 1966 einzustufen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Stellungnahme übermittelt worden. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine Stellungnahme abgegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet der Beschwerdeführer im wesentlichen, die belangte Behörde habe ihm entgegen der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG die Möglichkeit genommen, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung nehmen zu können. Er sei daher in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Die belangte Behörde habe ihm nämlich nicht mitgeteilt, daß nach ihren Erhebungen am 7. Oktober 1991 kein zusätzlicher Befund mehr erhoben werde und die Begutachtung somit abgeschlossen sei. Sie habe den Beschwerdeführer vielmehr im Glauben gelassen, das Beweisverfahren sei noch im Gange und er werde von dessen Ergebnis verständigt und zu einer abschließenden Stellungnahme aufgefordert werden. Wäre ihm mitgeteilt worden, daß es nach Auffassung der belangten Behörde auf das Ergebnis der Untersuchung vom 7. Oktober 1991 nicht ankomme, hätte er selbst ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Widerlegung des amtlichen Gutachtens beigebracht.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe geglaubt, das Beweisverfahren sei im Hinblick auf die vorgesehene Untersuchung am 7. Oktober 1991 noch immer im Gange, ist im Hinblick auf den gegenständlichen Verfahrensablauf nicht unschlüssig. Hat die belangte Behörde doch den Beschwerdeführer nach der ersten Begutachtung am 6. September 1991 mit Schriftsatz vom 10. September 1991 förmlich vom Abschluß des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Daß der Beschwerdeführer der Auffassung war, das Beweisverfahren sei noch nicht (förmlich) beendet, geht auch aus seiner Stellungnahme vom 26. September 1991 hervor, in der er ersuchte, um ein Fristversäumnis zu vermeiden, seine Stellungnahme "nach beendeter Beweisaufnahme" abgeben zu dürften.

Es wäre daher im Beschwerdefall geboten gewesen, dem Beschwerdeführer mitzuteilen, daß die Beweisaufnahme bereits (endgültig) abgeschlossen sei, da der Beschwerdeführer nur durch eine solche ausdrückliche Verständigung in der Lage gewesen wäre, der Behörde noch rechtzeitig eine Stellungnahme zu übermitteln. Durch das stillschweigende Hinweggehen über seinen Auftrag auf Fristverlängerung und die in der Stellungnahme vom 26. September 1991 zum Ausdruck kommende Auffassung, das Beweisverfahren sei noch im Gange und er werde von dessen endgültigem Ergebnis verständigt und zu einer abschließenden Stellungnahme aufgefordert werden, hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinen aus § 45 Abs. 3 AVG ableitbaren Parteienrechten verletzt, innerhalb einer sachangemessenen Frist zum amtlichen Gutachten vom 6. September 1991 auf gleicher fachlicher Ebene Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde hat daher Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebührenersatz konnte nur für zwei Beschwerdeausfertigungen, zwei Ausfertigungen einer Gegenäußerung zur Gegenschrift, eine Vollmacht und eine Beschwerdeausfertigung zuerkannt werden. Für eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde besteht kein Anspruch auf gesonderten Schriftsatzaufwand (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Jänner 1978, Zl. 1427/76). Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand kann ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden (vgl. das Erkenntnis vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314). Das entsprechende Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991080186.X00

Im RIS seit

12.05.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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