TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/12 91/05/0221

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Veröffentlicht am 12.05.1992
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
L82109 Kleingarten Wien;

Norm

BauO Wr §71;
BauRallg;
KlGG Wr 1979 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. Oktober 1991, Zl. MD-VfR-B XI-10/91, betreffend die Versagung einer nachträglichen Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegenstand des angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheides ist ein Ansuchen des Beschwerdeführers um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung. Zur Begründung der Abweisung dieses Ansuchens wurde ausgeführt, daß die bebaute Grundfläche in einem Gebiet liege, für das der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Widmung Grünland-ländliches Gebiet vorsehe, und zwar mit der besonderen Bestimmung, daß diese Flächen von jeder Bebauung freizuhalten seien. Die Flächen würden jedoch bereits jahrelang kleingärtnerisch genutzt, obwohl kein Beschluß der örtlich zuständigen Bezirksvertretung über die Zulässigkeit einer vorübergehenden kleingärtnerischen Nutzung vorliege. Selbst bei einer beschlossenen vorübergehenden kleingärtnerischen Nutzung wäre die Bewilligung zu versagen gewesen, da gemäß § 8 Abs. 1 des Wiener Kleingartengesetzes für vorübergehend kleingärtnerisch genutzte Grundflächen eine Bewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) auf Widerruf nur dann erteilt werden könne, wenn das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als 15 v.H. der Fläche des Kleingartens, jedoch keinesfalls mehr als 16 m2, und die Gebäudehöhe nach Abs. 2 lit. c leg. cit. maximal 2,20 m betrage. Da es sich um kein vorübergehend genutztes Kleingartengebiet handle, sei die Bauordnung für Wien anzuwenden. Es scheine unsachlich und hätte negative Beispielsfolgen, wenn in Anwendung der Bauordnung für Wien und außerhalb des Geltungsbereiches des Kleingartengesetzes nach § 71 BO mehr bewilligt würde, als selbst bei Beschluß der Bezirksvertretung über die vorübergehende Kleingartennutzung zulässig wäre. (Bereits im erstinstanzlichen Bescheid war näher ausgeführt worden, aus welchen Gründen eine Baubewilligung nach § 70 BO nicht in Betracht komme.)

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 71 der Bauordnung für Wien auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 71 der Bauordnung für Wien (BO) kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen.

Hinsichtlich der Ausnützbarkeit von Kleingärten bestimmt § 8 Abs. 1 des Wiener Kleingartengesetzes, daß das Ausmaß der bebauten Fläche gemäß § 80 Abs. 1 BO nicht mehr als 15 v.H. der Fläche des Kleingartens, jedoch keinesfalls mehr als 35 m2, auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Grundflächen nicht mehr als 16 m2 betragen darf. In die bebaute Fläche sind Nebengebäude (Werkzeughütten, Kleintierstallungen und dgl.) einzurechnen. Nebengebäude sind an das Kleingartenhaus anzubauen. Sind in den Bebauungsplänen Bestimmungen über die bauliche Ausnützbarkeit der Kleingärten enthalten, darf das Ausmaß der bebauten Fläche die in den Bebauungsplänen festgesetzten Ausmaße nicht überschreiten. § 69 der Bauordnung für Wien ist nicht anzuwenden.

Der Beschwerdeführer behauptet, daß er durch den angefochtenen Bescheid in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf gesetzeskonforme Anwendung des Ermessens verletzt worden sei. Da das Grundstück nach dem Flächenwidmungsplan nicht als Kleingartengebiet gemäß dem Wiener Kleingartengesetz gewidmet ist, sei das Kleingartengesetz unanwendbar. Tatsächlich habe die zuständige Baupolizeiabteilung des Wiener Magistrats zur Errichtung eines Holzhauses im Ausmaß von 25 m2 in dieser Kleingartenanlage eine Bewilligung erteilt. Die zuständige Behörde wisse seit über 30 Jahren, daß eine Kleingartenanlage auf dem Grundstück existiere. Sie habe gegen diese Kleingartenanlage nie rechtliche Schritte unternommen und durch die jahrzehntelange Untätigkeit konkludent den Bestand der bestehenden Gebäude akzeptiert. Dadurch, daß die Baubehörde das Ansuchen eines (namentlich genannten) anderen Bauwerbers "ermessenskonform" bewilligt habe, beim Beschwerdeführer hingegen das Ermessen rechtswidrig zu seinen Ungunsten angewendet habe, sei er in seinen öffentlichen Rechten verletzt worden.

Der Beschwerdeführer hat zutreffend darauf verwiesen, daß eine Entscheidung nach § 71 BO nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensübung bedeutet (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Oktober 1981, Zl. 81/05/0007). Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß das Ausmaß der nach dem Kleingartengesetz maximal zulässigen Nutzung wesentlich überschritten worden sei und es negative Beispielswirkungen hätte, wenn in Vollziehung der Bauordnung und außerhalb des Geltungsbereiches des Kleingartengesetzes nach § 71 BO mehr bewilligt würde, als selbst bei Vorliegen eines Beschlusses der Bezirksvertretung über die vorübergehende Kleingartennutzung zulässig wäre. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß diese Gründe für eine negative Ermessensübung nicht sachgerecht sind und somit die Ermessensentscheidung - weil nicht dem Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) entsprechend - als rechtswidrig ausweisen. Ein tatsächlicher Bestand, auch durch Jahrzehnte, kann nicht bewirken, daß das Ermessen stets positiv zu handhaben wäre, unabhängig von der gegebenen Rechtslage und vom jeweils vorliegenden Sachverhalt. Im Beschwerdefall ist Gegenstand des Bauansuchens ein 5,62 m langes und 4,45 m breites sowie 3,50 m hohes Gebäude, welches ein auf einer vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Grundfläche zulässiges Gebäude sohin wesentlich überschreitet, sodaß auch dann, wenn von der tatsächlichen Nutzung der Grundfläche ausgegangen und diese mit einer zulässig erklärten Nutzung verglichen wird, das Maß der dann nach dem Kleingartengesetz zulässigen Nutzung wesentlich überschritten wäre. Ein solcher Vergleich ist im Hinblick auf die tatsächliche kleingärtnerische Nutzung keineswegs gesetzwidrig und vermag die Versagung der Baubewilligung mitzubegründen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 91/05/0222).

Soweit der Beschwerdeführer eine rechtswidrige Ermessensübung darin erblickt, daß einem anderen Bauwerber in der faktisch gegebenen Kleingartenanlage eine Baubewilligung erteilt worden ist, übersieht er, daß eine allenfalls rechtswidrige Ermessensübung in einem anderen Fall nicht bedeuten kann, daß auch im vorliegenden Fall das Ermessen rechtswidrig geübt werden müßte. Im übrigen hat er in seiner Berufung auf diesen Umstand nicht verwiesen, sodaß es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 VwGG) handelt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die sohin unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991050221.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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