TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/14 90/16/0058

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Veröffentlicht am 14.05.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ErbStG §13 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Kramer, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der X-Kasse in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 19. Jänner 1990, Zl. 387/1-9/Nd-1989, betreffend Haftung für Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Verlassenschaftssache nach dem am 16. Dezember 1983 verstorbenen jugoslawischen Staatsbürger A.K. wies das Bezirksgericht M mit Beschluß vom 19. April 1984, A 114/83-4, den Gerichtskommissär, öffentlicher Notar Dr. B, an, die in seiner Verwahrung befindlichen, dem Erblasser gehörigen drei Sparbücher je der X-Kasse, Hauptgeschäftsstelle M, derselben zur Realisierung vorzulegen. Die genannte X-Kasse wurde weiters angewiesen, ein näher bezeichnetes Girokonto abzuschließen und das Realisat an den Gerichtskommissär auszufolgen. Dieser wurde weiters angewiesen, aus den Realisaten der drei Sparbücher und des vorbezeichneten Girokontos gewisse Zahlungen durchzuführen und das Restrealisat auf das Konto des jugoslawischen Generalkonsulates in S bei einer näher bezeichneten Raiffeisenkasse zu überweisen. Dies ist unbestrittenermaßen geschehen.

Mit vorläufigem Bescheid vom 17. Dezember 1987 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Linz gegenüber dem in Jugoslawien wohnhaften erblasserischen Bruder M.K. Erbschaftssteuer in Höhe von S 244.481,-- fest.

Mit weiterem "vorläufigem Abgaben- und Haftungsbescheid gemäß § 200 BAO u. § 13 (5) ErbStG" vom 16. November 1988 machte das genannte Finanzamt gegenüber der "X-Kasse Hauptgeschäftsstelle M" für den "Erwerb von Todes wegen nach A.K." die Haftung gemäß § 13 Abs. 5 ErbStG in Verbindung mit § 224 BAO in Höhe von S 244.481,-- geltend.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 6. April 1989 wies das Finanzamt die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, bei gegebener Situation sei "im Hinblick auf die mangelnde Anfrage an die Finanzbehörde in bezug auf die Entrichtung bzw. Sicherstellung der Steuer, gemessen an der Sorgfalt eines gewissenhaft Handelnden, fahrlässige Verhaltensweise gegeben". Die Geltendmachung der Haftung sei erst nach erfolglosen Versuchen, die Steuer vom Pflichtigen hereinzubringen, erfolgt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab auch die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich über Vorlageantrag der Beschwerdeführerin ihrer Berufung keine Folge. Sie führte zur Begründung im wesentlichen aus, durch die zuständigen jugoslawischen Behörden sei M.K. als Erbe nach A.K. namhaft gemacht worden. Die mit Bescheid vom 17. Dezember 1987 dem in Jugoslawien wohnhaften Pflichtigen vorgeschriebene Erbschaftssteuer habe sich als uneinbringlich erwiesen. Die "Vorschreibung der Erbschaftssteuer auch an die X-Kasse als Haftende" erweise sich als zutreffend. Der Erblasser habe unter anderem Sparbücher über "Vermögensstände" bei der X-Kasse, Hauptgeschäftsstelle M, hinterlassen. Dieses Geldvermögen habe sich in der Gewahrsame dieser Bank befunden, und zwar bis zum Zeitpunkt der Herausgabe bzw. "getätigten Überweisung dieser Vermögensstände" in die Verfügungsmacht Dritter, laut Berufungsangabe unter anderem auf das Konto des jugoslawischen Generalkonsulates in S. Unter dem Begriff Gewahrsame sei jedwedes Machtverhältnis eines Dritten über Vermögenswerte des Erblassers zu verstehen. Der steuerlich Haftende werde durch eine gerichtliche Verfügung nicht von seiner Verpflichtung entbunden, alle Vorkehrungen im Sinne des § 13 Abs. 5 ErbStG zu treffen, die geeignet seien, der Republik Österreich das Recht auf Besteuerung zu sichern. Für die Begründung einer Haftung nach dieser Gesetzesstelle genüge bereits leichte Fahrlässigkeit. Der Einwand, über ausdrückliche gerichtliche Anweisung gehandelt zu haben, gehe ins Leere, weil damit nicht schon die Berücksichtigung etwaiger weiterer rechtlicher Verpflichtungen, wie gegenständlichenfalls steuerrechtlicher Vorschriften, feststehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, zur Haftung für die genannte Erbschaftssteuer nicht herangezogen zu werden, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg sei bemerkt, daß die von der belangten Behörde aufrechterhaltene Bezeichnung des erstinstanzlichen Bescheides als "Abgaben- und Haftungsbescheid" insoweit unzutreffend war, als mit diesem Bescheid nicht etwa eine Abgabe festgesetzt, sondern lediglich die Beschwerdeführerin mittels Haftungsbescheides nach § 224 BAO zur Haftung herangezogen wurde.

Gemäß § 13 Abs. 5 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 141 (ErbStG) haften Versicherungsunternehmen, die vor Berichtigung oder Sicherstellung der Steuer die von ihnen zu leistende Versicherungssumme oder Leibrente in das Ausland zahlen oder ausländischen Berechtigten zur Verfügung stellen, in Höhe des herausgegebenen Betrages für die Steuer, soweit dieser 3000 S übersteigt. Das gleiche gilt für Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, soweit sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Berichtigung oder Sicherstellung der Steuer in das Ausland bringen oder ausländischen Berechtigten zur Verfügung stellen.

Ein ausländischer Berechtigter ist jeder, der weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland besitzt (vgl. Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz3, Seite 331, Rz 6.10).

Zutreffend macht die Beschwerdeführerin geltend, daß sie das Vermögen des Erblassers weder in das Ausland verbracht noch einem ausländischen Berechtigten zur Verfügung gestellt habe. Vielmehr habe sie die Realisate auf das Anderkonto des Notars als Gerichtskommissär überwiesen.

Die belangte Behörde stellt diesen Sachverhalt in ihrer Gegenschrift nicht in Abrede, meint aber, mit der Überweisung der "Vermögensstände" auf das Anderkonto des Gerichtskommissärs habe die Beschwerdeführerin auch die Verfügbarkeit über dieses Vermögen für den ausländischen Berechtigten indirekt geschaffen, indem sie sich dieser Verfügungsmacht begeben habe.

Der belangten Behörde ist zu erwidern, daß das Gesetz die von ihr gewünschte extensive Auslegung nicht zuläßt. Weder hatte die Beschwerdeführerin mit der Ausfolgung der Geldmittel an den Gerichtskommissär das Vermögen in das Ausland gebracht noch einem ausländischen Berechtigten zur Verfügung gestellt; unter "zur Verfügung stellen" ist nämlich "aushändigen" (im buchstäblichen Sinn des Wortes), nicht jedoch die indirekte Verschaffung der Möglichkeit eines Zugriffs zu verstehen (vgl. Dorazil, a.a.O., Rz 6.11). Welche Verfügungen der Gerichtskommissär über die ihm übergebenen Geldmittel treffen würde, entzog sich im übrigen jeder Einflußnahme seitens der Beschwerdeführerin.

Verfehlt ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auf das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1971, Zl. 1883/70 (Slg. Nr. 4186/F). Der damals entschiedene Fall war nämlich in mehrfacher Hinsicht anders gelagert als der vorliegende; zum einen lag damals lediglich eine Ermächtigung, nicht jedoch ein Auftrag des Gerichtes zur Ausfolgung der Sparguthaben vor, zum anderen waren damals die Sparguthaben unmittelbar an die im Ausland wohnhafte Erbin ausgefolgt worden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich schon aus diesem Grunde als mit der Rechtslage nicht im Einklang stehend, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war. Auf das weitere Vorbringen der Streitteile mußte daher nicht weiter eingegangen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990160058.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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