Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §74;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Ing. G in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 12. Februar 1991, Zl. IVb-449-8/1990, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als auf Grund seiner Funktion als Leiter der Qualitätskontrolle gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der Firma S Ges.m.b.H., R, ein falsch bezeichnetes Lebensmittel in Verkehr gebracht, indem er, wie bei einer Revision durch das Lebensmittelaufsichtsorgan der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch am 24. Jänner 1989 im A-Verbrauchermarkt in Feldkich-Altenstadt festgestellt worden sei, am 24. Jänner 1989 der Firma X, A-Verbrauchermarkt in F, mindestens eine Alu-Dose a 0,5 l
1. mit der Aufschrift "Isotonic" geliefert habe, obwohl
a) das Produkt 500 mg/l Kalium und 175 mg/l Natrium enthalten und
b) der Gefrierpunkt der Flüssigkeit bei nur -0,50 Grad C gelegen sei.
Die Bezeichnung von "Isotonic" als "isotonisches Erfrischungsgetränk" sei nicht zutreffend, da
a) der Gehalt an Kalium den Natriumgehalt keinesfalls übersteigen sollte und
b) ein isotonisches Getränk die gleiche Osmolalität wie das Blutplasma (290 bis 310 mosmal), also entsprechend einem Gefrierpunkt von -0,55 bis -0,58 Grad C aufweisen sollte.
2. mit der Aufschrift "Isotonic ist ein erfrischender Durstlöscher, der vom Körper besonders rasch resorbiert wird" geliefert habe, obwohl sich das Produkt bei den Inhaltsstoffen von üblichen Fruchtsaftlimonaden außer dem erhöhten Mineralstoffgehalt kaum unterscheide und eine "besonders rasche Resorbierbarkeit" nicht gegeben sei. Er habe somit eine gesundheitsbezogene Angabe verwendet.
Der Beschwerdeführer habe dadurch 1. eine Übertretung des § 74 Abs. 1 iVm den §§ 7 Abs. 1 lit. c und 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes 1975 und 2. eine Übertretung gemäß § 74 Abs. 1 iVm den §§ 8 lit. f und 9 Abs. 1 lit. a des Lebensmittelgesetzes 1975 begangen. Es wurden zwei Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, er werde zu Unrecht als Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG zur Verantwortung gezogen. Die belangte Behörde berufe sich bei der Annahme seiner Verantwortlichkeit auf ein Schreiben der Firma S Ges.m.b.H. vom 10. August 1989, das ihn als Leiter der Qualitätskontrolle ausweise. Nach dem angefochtenen Bescheid sei das Inverkehrbringen am 24. Jänner 1989 erfolgt. Aus dem Schreiben vom 10. August 1989 könne zwar abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer im August 1989 für die Produktion verantwortlich gewesen sei, ein diesbezüglicher (unbegründeter) Rückschluß auf Jänner 1989 sei jedoch nicht zulässig. Wie sich überdies aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides und dem Schreiben vom 10. August 1989 ergebe, werde er als Leiter der Qualitätskontrolle bezeichnet. Als solcher sei er nur verantwortlich für die Zusammensetzung des Produktes, nicht jedoch für die Beschriftung der Verpackung oder das Ausliefern des Produktes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Nach § 9 Abs. 2 leg. cit. sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Eine wesentliche Voraussetzung, um von einem "verantwortlichen Beauftragen" im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anstelle des Inhabers des Unternehmens bzw. des zur Vertretung nach außen Berufenen trägt, sprechen zu können, ist zufolge des § 9 Abs. 4 leg. cit. die nachweisliche Zustimmung des Betreffenden zu seiner Bestellung. Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum "verantwortlichen Beauftragten" bestellten Person nachgewiesen wird, wirkt diese Bestellung. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises, bei der Behörde tritt der "verantwortliche Beauftragte" in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des Inhabers des Unternehmens oder des zur Vertretung nach außen Berufenen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1984, Slg. NF 11 596/A u.a.). Der Zustimmungsnachweis muß aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammen und bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens einlangen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. NF 12 375/A u.a.).
Ein solcher Zustimmungsnachweis lag der belangten Behörde nicht vor. Das Schreiben der Firma S Ges.m.b.H. vom 10. August 1989, daß der Beschwerdeführer als Leiter der Qualitätskontrolle für sämtliche Übertretungen nach dem Lebensmittelgesetz verantwortlich sei, stellt keinen Nachweis seiner Zustimmung zur Bestellung als verantwortlicher Beauftragter dar, zumal der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren seine Stellung als verantwortlicher Beauftragter bestritten hat.
Da das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG geführt wurde, ohne daß die Voraussetzungen hiefür vorlagen, hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Auf das übrige Beschwerdevorbringen brauchte angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr eingegangen zu werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991100087.X00Im RIS seit
18.05.1992