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L55002 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Kärnten;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftsführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 16. Jänner 1991, Zl. Ro-440/3/1990, betreffend Parteistellung in einem Verfahren nach dem Kärntner Naturschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 2. Februar 1988 beantragte die Firma R (OGH) bei der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt (im folgenden: Bezirkshauptmannschaft) die naturschutzrechtliche Genehmigung für eine Schotterentnahme auf den Parzellen 1272 und 339/49 der KG W.
Die Bezirkshauptmannschaft holte Stellungnahmen (Gutachten) zweier Abteilungen des Amtes der Kärntner Landesregierung ein, die sie unter anderem auch der beschwerdeführenden Partei mit der Einladung zur Kenntnis brachte, hiezu binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Die beschwerdeführende Partei sprach sich gegen die beantragte Bewilligung aus.
Mit Schreiben vom 17. April 1990 teilte die H Ges.m.b.H. der Bezirkshauptmannschaft mit, daß die Firma R OHG in die H Ges.m.b.H. eingebracht worden sei und letztere nunmehr als Konsenswerberin auftrete.
Mit Bescheid vom 25. April 1990 erteilte die Bezirkshauptmannschaft unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen "Herrn Dipl. Ing. W als Rechtsnachfolger der Firma R" gemäß § 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986 idgF (Kärntner Naturschutzgesetz) die Bewilligung zur Erweiterung der auf den Parzellen 1273 und 1274 der KG W befindlichen Schotterentnahmestelle auf die Parzellen 1272 und 339/49 derselben KG. Die Einwendungen der beschwerdeführenden Partei wurden gemäß § 53 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes wegen mangelnder Parteistellung zurückgewiesen. Diese Zurückweisung wurde damit begründet, daß im Antrag des Konsenswerbers die beschwerdeführende Partei als Anrainer bekannt gegeben worden sei; aus diesem Grund sei sie von der Bezirkshauptmannschaft irrtümlicherweise in das Parteiengehör miteinbezogen worden. Nach § 53 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes komme Anrainern jedoch nur in Verfahren nach § 4 lit. b, § 5 Abs. 1 lit. a, c und f Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu. Im gegenständlichen Verfahren handle es sich um die Erteilung einer Bewilligung zur Erweiterung einer bestehenden Anlage gemäß § 11 Abs. 1, sodaß Anrainer im Sinne dieser Gesetzesstelle keine Parteistellung besäßen.
Gegen diesen Bescheid berief die beschwerdeführende Partei und machte geltend, die Bezirkshauptmannschaft habe ihr zu Unrecht die Parteistellung aberkannt. Die Antragstellerin habe schon vor Jahren die Bewilligung ihrer Schottergrube auf den Parzellen 1273 und 1274 zur Gänze ausgebeutet; die neuerliche Genehmigung für die Schotterentnahme aus den Parzellen 1272 und 339/49 falle daher nicht unter § 11 Abs. 1, sondern unter § 4 lit. b des Kärntner Naturschutzgesetzes.
Die belangte Behörde richtete an die beschwerdeführende Partei ein mit 30. November 1990 datiertes Schreiben, in welchem sie ihr unter Berufung auf die §§ 4 lit. b, 9 Abs. 5, 11 Abs. 1 und 53 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes ihre Auffassung mitteilte, Voraussetzung für die Geltendmachung der Parteistellung sei einerseits das Vorliegen eines Siedlungsbereiches und andererseits, daß die Schottergrube in unzumutbarer Nähe zu diesem Siedlungsbereich angelegt werden solle. Aus dem Akteninhalt, insbesondere dem erstellten Sachverständigengutachten ergebe sich, daß die Abbaufläche im gegenständlichen Fall an eine bereits bestehende Anlage angrenze. Westlich und östlich seien landwirtschaftlich bzw. forstwirtschaftlich genutzte Flächen gelegen. Im Norden grenze der Zufahrtsweg an, der seinerseits wieder an einen nördlich gelegenen Geländestreifen, der in weiterer Folge bis zum Vorfluter des Kraftwerkes F reiche, angrenze. Die Abbaustelle sei weitab vom Siedlungsbereich gelegen. Daraus gehe eindeutig hervor, daß sich die beschwerdeführende Partei als Anrainer in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht gegen die Erweiterung der Schottergrube stellen könne.
Die beschwerdeführende Partei machte von der ihr gemäß § 45 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, zu diesen Ausführungen der belangten Behörde Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch.
Mit Bescheid vom 16. Jänner 1991 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die Begründung deckt sich im wesentlichen mit den Ausführungen im Schreiben der belangten Behörde vom 30. November 1990.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die beschwerdeführende Partei bemängelt, es sei nicht festgestellt worden, daß sich ihr Haus in unmittelbarer Nähe zu dem Bauvorhaben befinde. Hätte die belangte Behörde einen Lokalaugenschein abgehalten, hätte sie festgestellt, daß sie im unmittelbaren Einflußbereich der beantragten Anlage wohne.
Die Auffassung der belangten Behörde, die Eigentümer von im unmittelbaren Einflußbereich eines naturschutzrechtlich bewilligungspflichtigen Vorhabens gelegenen Grundstücken könnten Parteistellung nur geltend machen, wenn das Grundstück als Bestandteil eines Siedlungsgebietes zu qualifizieren sei, sei verfehlt. Da die beschwerdeführende Partei materielle Rechte habe, die durch die Anlage berührt werden könnten, komme ihr auch Parteistellung zu. Ihre materiellen Rechte resultierten daraus, daß nicht auszuschließen sei, daß Punkt 5 der Auflagen des Bewilligungsbescheides, wonach die durch den nördlichen Vorsprung der Parzelle 1277 gebildete Halbinsel durch die Abbaumaßnahmen nicht beeinträchtigt werden dürfe, nicht eingehalten werde.
Die Behörden seien ihrer Belehrungspflicht nach § 13a AVG nicht nachgekommen, da sie ihr im gesamten Verfahren nie erklärt hätten, daß sie keine Parteistellung habe; vielmehr seien immer wieder Zustellungen an sie erfolgt, woraus zu ersehen sei, daß sie die Behörde offensichtlich als Partei betrachtet habe.
Da die bestehende Bewilligung der Schottergrube auf den Parzellen 1273 und 1274 bereits zur Gänze ausgebeutet worden sei, wäre die Genehmigung einer weiteren Schotterentnahme nicht auf § 11, sondern auf § 4 lit. b des Kärntner Naturschutzgesetzes zu stützen gewesen.
Völllig übergangen habe die belangte Behörde auch, daß den Antrag vom 2. Februar 1988 die Firma H gestellt habe, der erstinstanzliche Bescheid aber die Bewilligung Dipl.Ing. W erteile.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Auffassung, auch in einem Verfahren nach § 11 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes könne - entgegen der Meinung der Erstbehörde - Anrainern Parteistellung zukommen, wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 leg. cit. vorlägen, was aber im Beschwerdefall nicht zutreffe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 4 lit. b des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986, bedarf die Anlage von Steinbrüchen, von Lehm-, Sand-, Schottergruben und dergleichen sowie der Abbau von Torf im gesamten Landesgebiet einer Bewilligung. Einer Bewilligung bedarf nach § 11 Abs. 1 leg. cit. auch jede Änderung nach Art, Lage, Umfang und Verwendungszweck von bewilligungspflichtigen Anlagen im Sinne des § 4.
Nach § 53 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes kommt im Verfahren nach den §§ 4 lit. b, 5 Abs. 1 lit. a, c und f Anrainern die Stellung von Parteien im Sinne des § 8 AVG 1950 zu. Für Anrainer werden in den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 subjektiv öffentliche Rechte begründet. Anrainer sind die Eigentümer der im unmittelbaren Einflußbereich eines Vorhabens liegenden Grundstücke.
Nach § 9 Abs. 5 leg. cit. sind Bewilligungen im Sinne der §§ 4 lit. b, 5 Abs. 1 lit. a, c und f zu versagen, wenn die Anlagen in unzumutbarer Nähe zum Siedlungsbereich errichtet werden sollen.
Im Beschwerdefall kann die Frage, ob - wie die Bezirkshauptmannschaft meint - im Verfahren nach § 11 Abs. 1 des Kärntner Naturschutzgesetzes den Anrainern in keinem Fall Parteistellung zukommt oder ob die Auffassung der belangten Behörde zutrifft, daß auch in solchen Fällen die Parteistellung unter denselben Voraussetzungen wie im Verfahren nach § 4 lit. b bestehe, ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob die beantragte Anlage nach § 4 lit. b oder nach § 11 Abs. 1 zu beurteilen gewesen wäre, da in jedem Fall das Ergebnis dasselbe ist. Selbst wenn man davon ausgeht, daß im vorliegenden Fall die Parteistellung unter denselben Voraussetzungen wie in einem Verfahren nach § 4 lit. b bestünde, könnte dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
§ 53 Abs. 1 erster Satz des Kärntner Naturschutzgesetzes scheint den Anrainern im Verfahren nach § 4 lit. b zunächst eine umfassende Parteistellung einzuräumen. Diese erfährt aber im nachfolgenden zweiten Satz eine wesentliche Einschränkung.
§ 53 Abs. 1 zweiter Satz bestimmt, welche subjektiven öffentlichen Rechte Anrainer geltend machen können und legt damit auch den Umfang ihrer Parteistellung fest. Nach § 8 AVG, auf den § 53 Abs. 1 erster Satz des Kärntner Naturschutzgesetzes verweist, sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Für die Parteistellung ist demnach maßgebend, inwieweit die in Betracht kommenden Personen vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses an der Sache beteiligt sind. Da das Kärntner Naturschutzgesetz Anrainern subjektiv öffentliche Rechte nur zubilligt, wenn die Anlagen in unzumutbarer Nähe zum Siedlungsbereich errichtet werden sollen, kommt ihnen auch nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen Parteistellung zu.
Die belangte Behörde hat festgestellt, daß die zur Bewilligung beantragte Anlage nicht in unzumutbarer Nähe zum Siedlungsbereich errichtet werden soll. Sie hat der beschwerdeführenden Partei dies auch zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit geboten, hiezu Stellung zu nehmen, wovon sie aber keinen Gebrauch gemacht hat. Der Einwand der Beschwerde, die belangte Behörde habe die Lage des Wohnhauses nicht ausreichend ermittelt, ist daher unberechtigt. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. die hg. Erkenntnissse vom 26. Juni 1959, Slg. NF 5007/A, vom 14. April 1975, Slg. NF 8807/A u.a.).
Der Antrag der "Firma R" auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Schotterentnahme bezieht sich auf die Parzellen 1272 und 339/49 der KG W, nicht aber auf die im Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehende Parzelle 1277. Die von der beschwerdeführenden Partei angenommene Möglichkeit allein, daß - über die Grenzen der Bewilligung hinaus - ihr Grundstück in Anspruch genommen werden könnte, kann ihr nicht die Parteistellung verschaffen.
Die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, sie sei im gesamten Verwaltungsverfahren nie auf ihre mangelnde Parteistellung aufmerksam gemacht worden, ist, soweit sie sich auf die belangte Behörde bezieht, aktenwidrig. Diese hat ihr vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mit Schreiben vom 30. November 1990 ausführlich über den ihrer Meinung nach gegebenen Mangel ihrer Parteistellung informiert und ihr Gelegenheit gegeben, hiezu Stellung zu nehmen. Der Umstand, daß die Bezirkshauptmannschaft die beschwerdeführende Partei irrtümlich in das Verfahren einbezogen hat, kann keine Parteistellung begründen.
Der Antrag auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Schotterentnahme wurde ursprünglich von der Firma R gestellt. Mit Schreiben vom 17. April 1990 wurde der Bezirkshauptmannschaft mitgeteilt, daß die H Ges.m.b.H. die Rechtsnachfolge der Antragstellerin angetreten habe und daher auch als Antragstellerin auftrete. Trotzdem hat die Bezirkshauptmannschaft die Bewilligung Dipl.Ing. W erteilt. Sie hat daher ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, da sie die Bewilligung einem Rechtssubjekt, das keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, erteilt hat. Diese (objektive) Rechtswidrigkeit verletzt aber die beschwerdeführende Partei nicht in ihren subjektiven Rechten.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991100071.X00Im RIS seit
18.05.1992