TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/19 92/04/0073

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Veröffentlicht am 19.05.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GewO 1973 §198 Abs5 idF 1988/399;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems a.d. Donau vom 4. Februar 1992, Zl. MD-G-1/1992, betreffend Vorschreibung einer früheren Sperrstunde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Krems a.d. Donau hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Krems a. d. Donau vom 29. November 1991 wurde für das Cafe-Restaurant des Beschwerdeführers am näher bezeichneten Standort eine frühere Sperrstunde - nämlich 2.00 Uhr - vorgeschrieben.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der lärmtechnische Amtssachverständige habe festgestellt, daß als Abhilfemaßnahme zur Reduzierung der Lärmbelästigung und der Störung der Nachbarschaft nur die Vorverlegung der Sperrstunde geeignet sei. Der medizinische Amtssachverständige habe festgestellt, daß ab 1.00 Uhr nachts bis Betriebsschluß die Erhöhung des Lärmpegels durch betriebskausale Geräusche eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Nachbarschaft darstelle und daher die Sperrzeitvorverlegung auf 2.00 Uhr eine Verbesserung der Schlafsituation ergebe. Bezugnehmend auf die Einwendung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, daß eine Lärmentwicklung aus strafbaren Handlungen seinem Mandanten nicht zugerechnet werden dürfe, werde festgestellt, daß zum Zeitpunkt der Lärmmessung durch die NÖ. Umweltschutzanstalt keine strafbaren Handlungen dem lärmtechnischen Gutachten zugrunde gelegen seien, weil laut Beobachtung des Meßtechnikers die Geräusche durch keine besonders auffallenden Einzelergebnisse hervorgerufen worden seien. Es werde darauf hingewiesen, daß in den Räumen der Nachbarschaft Spitzenpegelwerte zwischen 60 und 78 dB erreicht worden seien, und als Grenzwert für den äquivalenten Dauerschallpegel bei Bauland-Widmung von 60 dB tags bzw. 50 dB nachts im Freien angegeben sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Zur Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung im wesentlichen dargetan, daß für keinen der beiden in der im angefochtenen Bescheid zitierten Gesetzesstelle, nämlich § 198 Abs. 5 GewO 1973 angeführten Fällen das in erster Instanz gepflogene Verfahren ein hinreichendes Substrat ergeben habe; er begründe dies damit, daß das lärmtechnische Gutachten der NÖ. Umweltschutzanstalt obwohl auf Wunsch der Anrainer zu einem Zeitpunkt durchgeführt, zu welchem mit Maximalbelastungen gerechnet worden sei, keine Werte ergeben habe, die über dem Grenzwert für den äquivalenten Dauerschallpegel laut der entsprechenden NÖ. Verordnung bei Baulandwidmungen lägen. Aus diesem Grund sei auch nicht verständlich, weshalb der Amtsarzt in seinem Gutachten von der Möglichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Anrainer spreche, könne doch nicht ernstlich angenommen werden, daß die NÖ. Verordnung über den äquivalenten Dauerschallpegel Werte für zulässig erkläre, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung möglich erscheinen ließen. Darüber hinaus sei das Gutachten der NÖ. Umweltschutzanstalt insofern mangelhaft geblieben, als es keine ausreichende Grundlage zur Beurteilung bilde, ob die im Gutachten enthaltenen Werte durch strafbares oder nicht strafbares Verhalten von Gästen und unmittelbar vor seiner Betriebsanlage oder lediglich in näherer Umgebung hervorgerufen worden seien. Ferner werde ausdrücklich darauf verwiesen, daß aus der Betriebsanlage selbst keinerlei Lärm dringe. Dies habe das Gutachten der NÖ. Umweltschutzanstalt eindeutig ergeben und es sei auch von den Anrainern nicht einmal behauptet worden, daß Lärm aus der Betriebsanlage als störend empfunden werde. Abschließend bringe der Beschwerdeführer vor, daß zweifellos neben dem Ruhebedürfnis der Anrainer auch die Erwerbsmöglichkeit des Gaststättenbetreibers zu berücksichtigen sei und er verweise nochmals darauf, daß die Diskothek mit beträchtlichem finanziellen Aufwand errichtet und erst vor relativ kurzer Zeit vollinhaltlich gewerbebehördlich genehmigt worden sei. Eine Vorverlegung der Sperrzeit auf 2.00 Uhr für die Dauer des gesamten Jahres würde ihn praktisch zwingen, den Diskothekenbetrieb zu schließen, weil er unter diesen Umständen nicht wirtschaftlich sinnvoll geführt werden könne. Aus diesen Gründen werde der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben, oder allenfalls die Sperrstunde lediglich für die Monate Juni bis August auf 2.00 Uhr vorzuverlegen.

In Erwiderung dieses Berufungsvorbringens wird in der Begründung sodann ausgeführt, daß die Berufungsausführungen zur Gänze ins Leere gingen und sich die Berufungsbehörde den zutreffenden Ausführungen der Behörde erster Instanz vollinhaltlich anschließe. Gäben doch die Darlegungen im angefochtenen (erstinstanzlichen) Bescheid klar und widerspruchslos die rechtliche Situation wieder und es sei diesen schlüssigen Äußerungen "an und für sich" nichts weiter hinzuzufügen. Diese schlüssigen Ausführungen träfen auch vollinhaltlich auf die dem Bescheid zugrunde liegenden Sachverständigengutachten zu. Darüber hinaus sei der Berufungsgrund, soweit er sich auf wirtschaftliche Aspekte für die Beibehaltung der bisherigen Sperrzeit beziehe, rechtlich bedeutungslos und auch für die Entscheidung in keiner Weise relevant. Die Behörde habe sich vielmehr "im Sinne des Legalitätsprinzipes" bei ihrer Entscheidung ausschließlich nach den entsprechenden Verwaltungsvorschriften zu richten und die Gewerbebehörde normiere die Kriterien, wann die Gemeinde eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben habe. Es liege somit die Entscheidung hierüber nicht im freien Ermessen der Behörde, sondern das Gesetz schreibe genau vor, bei Zutreffen welcher Voraussetzungen die Behörde die Sperrstunde vorzuverlegen habe. Da auch bei Prüfung der dem gegenständlichen Akt zugrunde liegenden Unterlagen keine Rechtsverletzung festgestellt habe werden können, gelange die Berufungsbehörde in Abwägung des vorliegenden Sachverhaltes und unter Bedachtnahme auf die zitierte Gesetzesstelle zu der Auffassung, daß die Behörde erster Instanz mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides durchaus zu Recht gehandelt habe und es sei daher auf Grund des Vorhergesagten der Berufung der Erfolg zu versagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich "in dem gesetzlich gewährleisteten Recht, daß die Sperrstunde meines Gastgewerbebetriebes nicht vorverlegt wird (§ 198 Abs. 5 Gewerbeordnung), verletzt". Der Beschwerdeführer bringt hiezu u. a. vor, zunächst sei festzuhalten, es sei im Verwaltungsverfahren unstrittig gewesen, daß kein Lärm aus der Betriebsanlage selbst dringe, sodaß die Zulässigkeit der Vorschreibung einer früheren Sperrstunde lediglich anhand des § 198 Abs. 5 GewO 1973 zu prüfen gewesen sei. Auf sicherheitspolizeiliche Bedenken sei keiner der im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheide gestützt worden, sodaß im Verwaltungsverfahren lediglich zu prüfen geblieben sei, ob die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen unmittelbar vor der Betriebsanlage des Gastgewerbetreibenden unzumutbar belästigt worden sei. Diese Frage sei im erstinstanzlichen Bescheid und auch im angefochtenen Bescheid bejaht und es sei deshalb eine frühere Sperrstunde vorgeschrieben worden, obwohl das Verwaltungsverfahren für die Bejahung dieser Frage keine hinreichenden Beweisergebnisse erbracht habe.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 198 Abs. 5 GewO 1973 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, hat die Gemeinde, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen unmittelbar vor der Betriebsanlage des Gastgewerbetreibenden unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen, eine spätere Aufsperrstunde oder eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben.

Dem Tatbestandsmerkmal der "unzumutbaren Belästigung" im Sinne des § 198 Abs. 5 GewO 1973 kann hiebei keine im wesentlichen andere Bedeutung beigelegt werden als dem Begriff der unzumutbaren Belästigung im Sinne der für die Betriebsanlagen geltenden Vorschriften (§ 77 Abs. 1 und § 84 GewO 1973), wobei die Frage der Zumutbarkeit einer durch die Ausübung eines Gastgewerbes bewirkten Störung der Nachbarschaft mangels einer weiteren gesetzlichen Determinierung ausschließlich unter Bedachtnahme auf die gegebenen örtlichen Verhältnisse zu beantworten ist (vgl. hiezu die Darlegungen zu den entsprechenden Tatbestandsmerkmalen der Bestimmung des § 198 Abs. 5 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988 im hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0058).

Ein weiteres essentielles Tatbestandsmerkmal im Sinne dieser Bestimmung bildet der Umtand, daß diese unzumutbare Belästigung durch "ein nicht strafbares Verhalten von Gästen unmittelbar vor der Betriebsanlage des Gastgewerbetreibenden" hervorgerufen wird, und weiters, daß eine derartige unzumutbare Belästigung "wiederholt" erfolgte.

Die belangte Behörde hatte ihre Ermittlungen und Messungen (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1991, Zl. 90/04/0313) in Ansehung der von ihr als relevant angesehenen Lärmeinwirkungen bei der im Immissionsbereich liegenden Nachbarschaft vorzunehmen, UND DES WEITEREN, im gegebenen Zusammenhang auch anhand konkreter hiefür geeigneter Sachverhaltsfeststellungen in rechtlicher Hinsicht darzulegen, inwiefern die von ihr angenommene wiederholte "unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft" auf ein nicht strafbares Verhalten von Gästen "unmittelbar vor der Betriebsanlage" des Beschwerdeführers ursächlich zurückzuführen ist. Hiebei wäre im gegebenen Zusammenhang bei der Frage der Abgrenzung von strafbarem und nicht strafbarem Verhalten von Gästen insbesondere auch auf die entsprechenden Bestimmungen des NÖ. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 4000-0, Bedacht zu nehmen gewesen.

Nach § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide u.a. dann zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Diesen Anforderungen wird die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gerecht; dies auch nicht in Ansehung seiner Verweisung auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides. Inwieweit sich die belangte Behörde mit den oben dargelegten Kriterien auseinandersetzte, ist der Begründung ihres Bescheides nicht zu entnehmen. Das innere Ausmaß der Begründungspflicht wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtschutzinteresse der Partei bestimmt. Begründungslücken sind dann wesentlich, wenn sie zur Folge haben, daß der Beschwerdeführer über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. März 1989, Zl. 86/17/0044).

Da die dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Begründungsmängel zur Folge haben, daß der Beschwerdeführer über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Wegen seiner Unüberprüfbarkeit in dieser Hinsicht konnte daher auch auf die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht eingegangen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Beweismittel Sachverständigenbeweis Technischer Sachverständiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040073.X00

Im RIS seit

19.05.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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