Index
L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter SatzLeitsatz
Nichterteilung einer Bewilligung zur Führung einer Schischule; Aufhebung des Bescheides wegen Anwendung des mit Erk. VfSlg. 12066/1989 als verfassungswidrig aufgehobenen §4 Abs2 erster Satz Vlbg. SchischulG; einem Anlaßfall gleichzuhaltender FallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Vorarlberg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters, die mit S 11.000,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die Vorarlberger Landesregierung wies mit Bescheid vom 7. November 1988, Z IVc-791/5-88, den Antrag des H D vom 27. März 1987 auf Erteilung einer Bewilligung zur Führung einer Schischule mit dem Standort Stubenbach, Gemeinde Lech, ab.
Begründend führte sie aus:
"Gemäß §5 Abs1 litc ist Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung zur Führung einer Schischule u.a., daß der Antragsteller Diplomschilehrer ist. Diplomschilehrer ist nach §2 litc des Gesetzes, wer die Lehrberechtigung zur Erteilung von Unterricht im alpinen Schilauf besitzt und die Prüfung für Diplomschilehrer abgelegt hat.
Die vom Bewilligungswerber vorgelegte Bewilligungsurkunde vom 3.2.1982, Zl. IIb-791-5, zur Erteilung von Unterricht im Schilauf an Private im Rahmen von Schischulen im Lande Vorarlberg ist bis zum 31.5.1987 befristet. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde der Antragsteller daher mit Schreiben vom 27.7.1987 ersucht, den Nachweis einer gültigen Lehrberechtigung nach §17 des Schischulgesetzes zu erbringen. Ein solcher Nachweis einer auch für die folgende Wintersaison 1987/88 gültigen Lehrberechtigung wurde vom Antragsteller trotz einer Urgenz nicht erbracht.
Weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung zur Führung einer Schischule ist nach §5 Abs1 litd in Verbindung mit §5 Abs2 des Schischulgesetzes, daß der Antragsteller die zur Führung einer Schischule erforderlichen Kenntnisse durch eine Bestätigung über den erfolgreichen Besuch eines vom Schilehrerverband durchgeführten Kurses nachweist. Auch diese Voraussetzung wurde trotz mehrfacher Urgenzen nicht erfüllt.
Die beantragte Bewilligung war daher aus den oben angeführten Gründen zu versagen.
Lediglich ergänzend wird auf folgendes hingewiesen: Für den Fall, daß der Bewilligungswerber die Voraussetzungen nach §5 des Schischulgesetzes erfüllt hätte, wäre darauf einzugehen gewesen, daß der Bewilligungswerber die Bewilligung für eine neue Schischule mit dem Standort in Lech-Stubenbach beantragt hat. Die Behörde hat daher vorsorglich ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren durchgeführt. Dieses hat ergeben, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bildung eines entsprechenden neuen Schischulgebietes nicht gegeben wären.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 22. Dezember 1988 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Erwerbsfreiheit, auf ein Verfahren nach Art6 MRK sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger einfach-gesetzlicher Bestimmungen geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die vorliegende - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. In der Beschwerde wird zunächst darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer bereits seit 1961 als Schilehrer bzw. Bergführer tätig ist, eine Bergsteigerschule in Heiligenblut besitzt und seit 25 Jahren (bis 1987) Schilehrer in Lech war. Mit Bewilligungsurkunde vom 3. Feber 1982 sei ihm von der Vorarlberger Landesregierung eine auf fünf Jahre befristete Bewilligung gemäß §4 Abs1 des Gesetzes über das Schischulwesen (Schischulgesetz), Vorarlberger LGBl. Nr. 39/1984, zur Erteilung von Unterricht im Schilauf an Private im Rahmen der Schischulen im Lande Vorarlberg erteilt worden, die auf Erteilung von Unterricht im Schilauf an Private mit Berechtigung zur Führung der Schischule Lech, ausgeweitet worden sei. Mit Eingabe vom 13. Feber 1987 habe der Beschwerdeführer das mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesene Ersuchen um Bewilligung zur Führung einer "exklusiven VIP-Schischule" mit dem Standort in Lech angesucht. In der Folge habe die Behörde sein Verfahren fast eineinhalb Jahre verschleppt. Inzwischen sei er aus der Schischule Lech "entfernt" worden, was bewirkt habe, daß er "laut angef. Bescheid seine 'gültige Lehrberechtigung nach §17 des Schischulgesetzes' verloren" habe. Folge man dem angefochtenen Bescheid, bedeute der Verlust der Stellung als Schilehrer bei der Schischule Lech für ihn den Verlust der Anspruchsvoraussetzungen für den Beginn einer eigenen Schischule. Nach Meinung des angefochtenen Bescheides wäre als weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung zur Führung einer Schischule eine Bestätigung über den erfolgreichen Besuch eines vom Schilehrerverband durchgeführten Kurses vorzulegen gewesen. Einen solchen Kurs habe es aber gar nicht gegeben.
Nach Meinung des Beschwerdeführers werde er durch diese Rechtsauffassung der belangten Behörde im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt. Darüber hinaus verstoße das "Standortmonopol", wonach in jedem Schischulgebiet nur eine Schischule geführt werden darf, ebenfalls gegen die Erwerbsfreiheit, sodaß auch durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes ein Eingriff in seine Erwerbsfreiheit vorliege.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß der angefochtene Bescheid auch gegen Art6 MRK verstoße, da es bei der Verweigerung einer Schischulbewilligung "um civil rights des Beschwerdeführers geht", sodaß eine Gerichtsinstanz über alle Tatsachen- und Rechtsfragen hätte entscheiden müssen; schließlich liege auch ein Verstoß gegen Art13 MRK vor, der eine wirksame Beschwerdeführung bei Grundrechtseingriffen garantiere.
4.2. Die belangte Behörde verweist zu den Ausführungen der Beschwerde zur Verfassungswidrigkeit des Vorarlberger Schischulgesetzes auf ihre Stellungnahme im Gesetzesprüfungsverfahren G176/88. Für das vorliegende Verfahren seien die dort in Prüfung gezogenen Bestimmungen jedoch nicht präjudiziell, da sich die Versagung der beantragten Bewilligung auf das Fehlen der persönlichen Voraussetzungen stütze. Ein Verstoß gegen Art6 MRK liege nicht vor, wie sich aus den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1988 G1/88 ua. sowie vom 14. Oktober 1987 B267/86 ergebe. Den Ausführungen des Beschwerdeführers, daß er bereits seit 25 Jahren befugterweise als Schilehrer Unterricht erteilt habe, tritt die belangte Behörde jedoch nicht entgegen. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit wird "lediglich zur Klarstellung ... in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer nicht seine Lehrberechtigung wegen der behaupteten 'Entfernung' aus der Schischule Lech 'verloren' hat"; vielmehr habe es der Beschwerdeführer unterlassen, so wie die anderen Inhaber solcher befristeter Bewilligungen zur Unterrichtserteilung nach Ablauf der befristeten Bewilligung eine neue Lehrberechtigung nach §17 des Schischulgesetzes zu erwerben. Der Beschwerdeführer habe erst am Schluß des Verfahrens vorgebracht, daß kein Kurs nach §5 Abs2 des Schischulgesetzes stattgefunden habe. Auch von keiner anderen Seite sei dies zu diesem Zeitpunkt bei der belangten Behörde bemängelt worden. Der fehlende Bedarf nach einem solchen Kurs dürfte insbesondere darauf zurückzuführen gewesen sein, daß der Kurs bis zum 1. Mai 1986 kein Erfordernis für die Erteilung der Bewilligung zur Führung einer Schischule war. Da der Beschwerdeführer "offenbar nicht gewillt war, die grundlegende Voraussetzung des Vorliegens einer Lehrberechtigung nachzuweisen ... erschien es nicht zielführend, mit der Bescheiderlassung bis zur Durchführung eines Kurses zuzuwarten bzw. die Möglichkeit einer Bewilligungserteilung unter der Auflage eines späteren Nachweises des Kurses in Erwägung zu ziehen".
4.3. Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst fest, daß er den Beschwerdeausführungen, soweit sie Art6 MRK betreffen, im Hinblick auf seine Darlegungen im Erkenntnis vom 14. Oktober 1987 B267/86 nicht folgen kann, da es sich im vorliegenden Verfahren offenkundig nicht um Fragen handelt, die den Kernbereich der civil rights betreffen.
Die Beschwerde ist dennoch begründet. Die belangte Behörde hat nämlich, wenn auch "lediglich ergänzend" die Abweisung des Antrages auf Erteilung der Bewilligung zur Führung einer Schischule darauf gestützt, daß die Voraussetzungen für die Bildung eines neuen Schischulgebietes in Lech-Stubenbach, wie das vorsorglich durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben habe, nicht vorlägen, womit implizit (auch) der erste Satz des §4 Abs2 des Schischulgesetzes angewendet wurde. Diese Bestimmung ordnete an, daß in jedem Schischulgebiet nur eine Schischule geführt werden darf. Die Beschwerde bezweifelte, daß diese Bestimmung verfassungsmäßig sei.
Während über die vorliegende Beschwerde das Vorverfahren abgewickelt wurde, führte der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß einer anderen Beschwerde tatsächlich ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ersten Satzes des §4 Abs2 sowie des §5 Abs1 lite und des §5 Abs6, weiters des §7, der Abs1, 4 und 6 des §8 und des §9 des Gesetzes über das Schischulwesen (Schischulgesetz), Vorarlberger LGBl. Nr. 39/1984 durch; mit Erkenntnis vom 16. Juni 1989 G176/88 hob der Verfassungsgerichtshof den §4 Abs2 erster Satz, weiters §5 Abs1 lite, §5 Abs6, §7 sowie §9 Abs1 und 3 des Schischulgetzes als verfassungswidrig auf.
Die Bestimmung, auf die sich die belangte Behörde vorsorglich stützte, ist demnach mit dem zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben worden. Da die vorliegende Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof am 22. Dezember 1988 eingelangt ist, im Gesetzesprüfungsverfahren die mündliche Verhandlung am 16. März 1989 stattfand und es keineswegs ausgeschlossen ist, daß die Anwendung der verfassungswidrigen Bestimmung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war, ist der vorliegende Fall einem Anlaßfall gleichzuhalten (vgl. zB VfSlg. 10736/1985).
Der Verfassungsgerichtshof vermag nämlich der Auffassung der belangten Behörde nicht beizupflichten, daß die Versagung der beantragten Schischulbewilligung schon deshalb gerechtfertigt war, weil der Beschwerdeführer offenbar nicht gewillt gewesen wäre, die erforderlichen Nachweise über das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen zu erbringen. In der Gegenschrift wird immerhin ausdrücklich zugestanden, daß der Beschwerdeführer die Bestätigung über den erfolgreichen Besuch eines vom Schilehrerverband durchgeführten Kurses gar nicht erbringen konnte, weil ein solcher vom Schilehrerverband noch nicht abgehalten worden war. Die belangte Behörde hat sich im Administrativverfahren weder damit auseinandergesetzt, ob es nicht gerade ihre Aufgabe im Rahmen der ihr nach §35 des Schischulgesetzes obliegenden Aufsichtspflicht gewesen wäre, für die Abhaltung eines solchen Kurses zu sorgen, noch hat sie dazu Stellung genommen, ob der Besuch eines gleichwertigen Kurses in einem anderen Bundesland Anerkennung gefunden hätte (vgl. hiezu §25 Abs3 des Schischulgesetzes). Ebensowenig hat sich die belangte Behörde aber auch mit der Tatsache auseinandergesetzt, daß der Beschwerdeführer - wie von ihr ebenfalls nicht bestritten wird - bereits seit 25 Jahren als Schilehrer tätig war und eine Bergsteigerschule besitzt. Welche Bedeutung diesen Umständen zukommt, wird von der belangten Behörde insbesondere unter dem Gesichtspunkt der in der Gegenschrift aufgeworfenen Möglichkeit "einer Bewilligungserteilung unter der Auflage eines späteren Nachweises des Kurses" zu erwägen und zu erörtern sein.
So war auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid wegen der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt wurde sowie daß der angefochtene Bescheid aufgehoben wird.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 1.000,-- enthalten.
Schlagworte
Schischulen, VfGH / Anlaßfall, civil rightsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1947.1988Dokumentnummer
JFT_10108988_88B01947_00