TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/19 92/04/0008

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Veröffentlicht am 19.05.1992
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Index

21/01 Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §9;
GewO 1973 §39 Abs4 idF 1988/399;
HGB §125 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftfüherin Mag. Paliege, über die Beschwerde der E in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 11. Juli 1991, Zl. VI/1-1851-1991, betreffend Ausscheiden eines Geschäftsführers (mitbeteiligte Partei: J-OHG in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. März 1969 nahm die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf die Bestellung der Beschwerdeführerin als gewerberechtliche Geschäftsführerin der J-OHG in H zu Kenntnis. Mit Schriftsatz vom 5. April 1991 teilte die Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf mit, "daß ich die gewerberechtliche Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung zurücklege". Diese Mitteilung nahm die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf mit Bescheid vom 17. Mai 1991 "zur Kenntnis".

Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben, in welcher der Berufungswerber wie folgt bezeichnet wurde: "J-OHG, diese vertreten durch G, L, F-Gasse 15, letztere vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N ..., Vollmacht erteilt". In der Begründung dieser Berufung wird unter anderem folgendes ausgeführt:

"Für Vertretungshandlungen, die einen Rechtsverlust nach sich ziehen, ist die Gesellschafterin E nicht alleinzeichnungsberechtigt. Die Eingabe vom 8. April 1991 enthält nicht die Unterfertigung durch die zweite Gesellschafterin G.

Sehr wohl ist G jedoch zu solchen Eingaben, wie die gegenständliche Berufung berechtigt, wenn sie dem Rechtserhalt dienen und daher auch nur von einer Gesellschafterin gefertigt werden können."

Mit dem angefochtenen Bescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 19. August 1991 gab der Landeshauptmann von Burgenland der Berufung folge und nahm "die Anzeige der Frau E über ihr Ausscheiden als Geschäftsführerin der J-OHG nicht zur Kenntnis". Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der in Betracht kommenden Bestimmungen der Gewerbeordnung aus, Gewerbeinhaber sei im gegenständlichen Fall die J-OHG. Eine OHG trete im Rechtsverkehr unter ihrer Firma auf und werde von ihren Gesellschaftern vertreten. Die im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, daß Frau G und Frau E gemeinsam für die J-OHG vertretungsbefugt seien. Die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf habe offenbar die Anzeige der Frau E als natürliche Person betreffend ihr Ausscheiden als Geschäftsführerin der J-OHG als Anzeige der Gewerbeinhaberin aufgefaßt und in der Folge den angefochtenen Bescheid erlassen. Gemäß § 39 Abs. 4 GewO 1973 hätte jedoch die Anzeige betreffend das Ausscheiden der Geschäftsführerin vom Gewerbeinhaber, das heiße, der J-OHG, erstattet werden müssen, und zwar von ihren beiden vertretungsbefugten Gesellschafterinnen G und E gemeinsam unter der Firma der OHG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. November 1991, Zl. B 1026/91-3, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in folgenden Rechten verletzt:

"a) Auf bescheidmäßige Zurkenntnisnahme ihres Ausscheidens als Geschäftsführerin durch die Behörde,

b) daß ihre Mitteilung über die Zurücklegung ihrer Funktion der gewerberechtlichen Geschäftsführerin für die J-OHG nicht mit Bescheid nicht zur Kenntnis genommen wird,

c) sowie auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens".

In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter anderem vor, nach den Ergebnissen des von ihr durchgeführten Verwaltungsverfahrens hätte die belangte Behörde über die Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid nicht in merito entscheiden dürfen, sondern sie entweder zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel zurückstellen oder überhaupt zurückweisen müssen. Die belangte Behörde habe sich mit der auch in der Berufung aufgeworfenen Rechtsfrage der (alleinigen) Vertretungsmacht der G überhaupt nicht auseinandergesetzt. Dem diesbezüglich in der Berufung vertretenen Standpunkt komme jedoch mangels jeglicher gesetzlicher Grundlage keine Berechtigung zu.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Gemäß § 125 Abs. 1 HGB ist zur Vertretung der offenen Handelsgesellschaft jeder Gesellschafter ermächtigt, wenn er nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, daß alle oder mehrere Gesellschafter nur in Gemeinschaft zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt sein sollen (Gesamtvertretung). Die zur Gesamtvertretung berechtigten Gesellschafter können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem der zur Mitwirkung bei der Vertretung befugten Gesellschafter.

Fallen bei vereinbarter Gesamtvertretung einzelne der gesamtvertretungsbefugten Gesellschafter aus, so sind nach der Rechtsprechung die verbleibenden nur gemeinsam vertretungsbefugten Gesellschafter nicht befugt, die Gesellschaft allein weiter zu vertreten. In einem solchen Fall ist vielmehr für die weggefallenen gesamtvertretungsbefugten Gesellschafter ein Kurator zu bestellen (vgl. die in MGA,

27. Auflage, HGB § 125 E. 5 abgedruckte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes).

Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie offenbar davon ausging, bei gegebener Gesamtvertretung sei G deshalb berechtigt gewesen, bei Erhebung der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid die J- OHG allein zu vertreten, weil der angefochtene erstbehördliche Bescheid auf Antrag der zur Gesamtvertretung mitberufenen Beschwerdeführerin erging.

Da es die belangte Behörde ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht unterließ, die Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid dem in § 13 Abs. 3 AVG vorgesehenen Verbesserungsverfahren zu unterziehen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft einerseits nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand; andererseits konnte Schriftsatzaufwand nur in der Höhe des in der zitierten Verordnung genannten Pauschalbetrages zugesprochen werden.

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts Kurator Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040008.X00

Im RIS seit

19.05.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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