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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der E Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Juli 1991, Zl. 306.728/1-III-3/90, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. Juli 1991 wurden in seinem Spruchpunkt I die Berufungen einer Reihe von Nachbarn als unzulässig zurückgewiesen. In seinem Spruchpunkt II wurde der angefochtene Bescheid im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG behoben und das dem Verfahren zugrunde liegende Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 2. Februar 1987 insoweit, als es sich auf Dieselkraftstoffe bezieht, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Nach der Begründung dieses Bescheides sei mit dem angefochtenen (unterinstanzlichen) Bescheid der Beschwerdeführerin im Spruchteil I die Änderung ihrer genehmigten Betriebsanlage (Tankstelle) im näher bezeichneten Standort "durch Austausch von Behältern und Zapfsäulen, der Zulegung eines Behälters für unverbleites Superbenzin und durch Vornahme von Konservierungsarbeiten in der Servicebox" unter Auflagen genehmigt worden. Mit Spruchteil II dieses Bescheides sei demgegenüber "die Änderung der Anlage durch Zulagerung und Abgabe von Dieseltreibstoff" versagt worden. Daraufhin seien von der Beschwerdeführerin lediglich gegen Spruchteil II, von einer Reihe von Nachbarn jedoch gegen den gesamten Bescheid Berufungen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erhoben worden.
In der Begründung wird sodann - soweit sie sich auf den Spruchpunkt II bezieht - nach Wiedergabe des § 68 Abs. 1 AVG ausgeführt:
"Die Berufung der Konsenswerberin richtet sich lediglich gegen Spruchteil II des angefochtenen Bescheides; da im Spruchteil II dieses Bescheides ausschließlich über die Berufung der Konsenswerberin abgesprochen wird, ist Gegenstand des Spruchteiles II dieses Bescheides auch lediglich der Abspruch über Spruchteil II des Bescheides des Landeshauptmann von Wien vom 25. Mai 1990. Dieser versagte die begehrte Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage durch Zulagerung und Abgabe von Dieseltreibstoff.
Eine der nunmehr verfahrensgegenständlichen gleichartige begehrte Änderung wurde jedoch bereits einmal mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1980, Zl. MA 63-Ba 129/1/79, rechtskräftig abgewiesen.
Zufolge der obzitierten Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG hätte daher der Landeshauptmann von Wien nicht neuerlich in der Sache selbst entscheiden dürfen, sondern er hätte den auf Dieselkraftstoff bezüglichen Teil des Ansuchens vom 2. Februar 1987 wegen entschiedener Sache zurückweisen müssen.
Spruchteil II des angefochtenen Bescheides war daher spruchgemäß zu beheben und anstelle des LH die Zurückweisung auszusprechen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht verletzt, "daß ihr Ansuchen, soweit es die Änderung der Anlage durch Zulagerung und Abgabe von Dieseltreibstoff betrifft, nicht gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werde; ferner im Recht auf Ermittlung und Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes gemäß §§ 37, 60 AVG; im Recht auf Entscheidung über die Berufung in der Sache selbst gemäß §§ 56, 59 AVG; weiters im Recht auf Parteiengehör nach § 45 Abs. 3 AVG". Die Beschwerdeführerin bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Ansuchen der Beschwerdeführerin unterscheide sich inhaltlich in wesentlichen Punkten von jenem Ansuchen, welches dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1980 zugrunde gelegen sei. Mit diesem letzteren Ansuchen um Änderung der bestehenden Anlage sollte eine umfangreiche Abänderung der gesamten Tankstelle und des Tankstellenbetriebes erzielt werden. Der Antrag habe den Umbau des Stationsgebäudes, welches nach dem Umbau einen Verkaufsraum mit einem Flächenausmaß von 43 m2, eine Garderobe, eine Sanitäranlage, eine Wasch- und Schmierbox, einen Reifenlagerraum, eine Waschbox, einen Öllagerraum und einen Heizraum umfassen sollte. In der Wasch- und Schmierbox sollte ein Kaltwasser-Hochdruck-Reinigungsgerät mit einem Betriebsdruck von 50 bar in Betrieb genommen werden. Im Reifenlagerraum seien die Lagerung von Autoaltreifen und
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neureifen in stabilen Regalen sowie die Aufstellung einer elektrisch betriebenen Radwuchtmaschine und eines Reifenmontiergerätes geplant gewesen. Weiters sei in der Waschbox die Aufstellung und der Betrieb einer Pkw-Waschanlage mit Trockengebläse geplant gewesen. Im Öllagerraum, in welchem die Aufbewahrung von Schmierölen und Fetten mit einem Flammpunkt von über 100 Grad Celcius bis zu einer Menge von 1000 l in handelsüblichen Gebinden geplant gewesen sei, sollte ein Kompressor aufgestellt werden. Das Ansuchen habe weiters die Inbetriebnahme eines ölbefeuerten Warmwasser-Zentralheizungskessels im Heizraum umfaßt, wobei die Versorgung des Ölbrenners von dem vorhandenen Altölbehälter aus erfolgen sollte. Ferner habe zum Ansuchen auch eine komplette Umsituierung der Zapfsäuleninseln sowie eine Umgestaltung der bestehenden Pumpeninseln gehört: So sollte auf der linken Pumpeninsel eine Doppelzapfsäule für Superbenzin errichtet werden; rechts neben dem Stationsgebäude sei die Inbetriebnahme einer Einfachzapfsäule für Heizöl beabsichtigt gewesen. Daneben sollte ein Moped-Betankungsgerät aufgestellt werden, wobei alle Zapfsäulen im Wege der Selbstbedienung durch den Kunden mittels elektronischer Datenübertragung betrieben werden sollten. Ein weiterer Punkt der geplanten Änderung - aber eben nur einer unter vielen - sei die beabsichtigte Lagerung von 8000 l Dieseltreibstoff in dem bestehenden, 16000 l fassenden Lagerbehälter für Heizöl und die damit im Zusammenhang stehende Entfernung der dazugehörigen Pumpeninsel samt Zapfsäulen, welche durch zwei neue Zapfsäuleninseln ersetzt werden sollte. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1980 sei die Versagung dieser geplanten Änderung als einheitliches Gesamtprojekt erfolgt. In der Begründung dieses Bescheides sei im wesentlichen das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen wiedergegeben worden, welcher sich wegen der zu erwartenden unzumutbaren Belästigung für die Nachbarn gegen die Genehmigung der beantragten Änderung der Tankstelle ausgesprochen habe. Dabei sei im Spruch und in der Begründung nicht zwischen den einzelnen Maßnahmen der geplanten Änderung unterschieden worden, sondern sämtlichen Maßnahmen zusammen - als einheitlichem Projekt - wegen unzumutbarer Belästigung die Genehmigung versagt worden. Auch das in der Begründung zitierte Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen habe nicht zwischen den einzelnen Maßnahmen der geplanten Änderung unterschieden, sondern die gesamte Änderung als Einheit betrachtet: "Da nun der beabsichtigte Umbau eine Erweiterung und somit Frequenzsteigerung der Tankanlage bezweckt, ist dadurch die Wahrscheinlichkeit gegeben, daß Lärm- und Geruchsbelästigungen das für ein Wohngebiet zumutbare Ausmaß überschreiten werden". Das dem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Ansuchen um Änderung der bestehenden Anlage sei mit dem dem Bescheid vom 12. Februar 1980 zugrunde liegenden Ansuchen nicht identisch. Eine Ähnlichkeit bestehe nur insofern, als auch nunmehr eine Lagerung von 8000 l Dieselöl und die Abgabe von Dieselkraftstoff geplant sei. Es sei also die seinerzeitige, umfangreiche, versagte Änderung in wesentlichen Punkten fallen gelassen worden. Auch sei die beantragte Änderung hinsichtlich der Lagerung und der Abgabe von Dieseltreibstoff nicht identisch mit dem seinerzeitigen Ansuchen. Während diese noch die völlige Entfernung der vorhandenen Pumpeninseln samt Zapfsäulen vorgesehen habe, welche durch zwei neue Zapfsäuleninseln mit einer Länge von 3 bzw. 5 m ersetzt werden sollten, sei nunmehr lediglich der Austausch der auf dem nächstliegenden Pumpplatz stehenden Zapfsäule gegen eine Doppelzapfsäule geplant. Ferner solle die Befüllung der Tanks nun mittels Füll- und Gaspendelleitung erfolgen. Eine Verbesserung gegenüber dem bestehenden Zustand solle überdies durch Austausch des bestehenden Treibstoffbehälters gegen einen ebenso großen geteilten, doppelwandigen Tank herbeigeführt werden; gleichfalls eine Neuerung gegenüber dem 1980 abgelehnten Ansuchen. Die belangte Behörde habe ferner übersehen, daß sich das nunmehrige Ansuchen von dem 1980 abgelehnten Ansuchen auch bezüglich der Diesellagerung und -abgabe wesentlich dadurch unterscheide, daß das Ansuchen auf die Lagerung und Abgabe von Dieselkraftstoff für Diesel-Pkw und Diesel-Klein-Lkw bis 3,5 t eingeschränkt worden sei, wenn auch erst im Laufe des Verfahrens. Diese Einschränkung ergebe sich aus Punkt 1.) der Berufung der Beschwerdeführerin vom 5. Juli 1990. Mit dieser Einschränkung habe die Beschwerdeführerin dem Verhandlungsergebnis (Auflage des Sachverständigen in der Verhandlung am 26. Februar 1988 betreffend das Fahrverbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht und dessen Ersichtlichmachung sowie Gutachten vom 17. Mai 1988) Rechnung getragen. Bereits aus diesen Ausführungen ergebe sich, daß die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulagerung und Abgabe von Dieseltreibstoff nicht unter Hinweis auf den rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1980 wegen entschiedener Sache hätte zurückweisen dürfen, weil sich das nunmehrige Begehren in wesentlichen Punkten von damaligen Ansuchen unterscheide (inhaltliche Rechtswidrigkeit).
Nach Hinweisen auf Judikatur und Literatur wird in der Beschwerde sodann weiter ausgeführt, daß im gegenständlichen Fall sich der der Beurteilung zugrunde liegende Sachverhalt wesentlich verändert habe. Das gesamte Tankstellenobjekt bestehe heute nicht mehr so wie im Jahr 1980. So seien etwa mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. November 1982 und mit Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 6. August 1984 umfangreiche Änderungen der bestehenden Tankstelle bewilligt worden, wie die Aufstellung eines Mopedbetankungsgerätes, die Umsituierung von Pumpinseln, Änderungen des Stationsgebäudes, der Einsatz einer elektrisch betriebenen Radwuchtmaschine und eines pneumatisch betriebenen Reifenmontiergerätes sowie die Aufstellung einer pneumatisch-hydraulischen Einstempelhebebühne. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. September 1987 seien überdies die Änderung der Raumeinteilung im Bereich der Sanitärräume und eine größere Ausführung des Flugdaches bewilligt worden. Diese und alle anderen Änderungen ließen somit einen Vergleich mit der Situation im Jahr 1980
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insbesondere betreffend die von der Tankstelle ausgehenden Emissionen jeder Art - nicht mehr zu. Dazu komme, daß sich das Verkehrs- und Kundenaufkommen seit dem Jahr 1980 erheblich verändert habe, sodaß das bestehende Ist-Maß nicht vergleichbar mit jenem im Jahr 1980 sei. Bezogen auf das nunmehrige Ist-Maß hätten die Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren - im Unterschied zum Verfahren des Bescheides 1980 - festgestellt, daß bei der zu erwartenden Fahrzeugbewegung von Dieselfahrzeugen keine Erhöhung des energieäquivalenten Dauerschallpegels eintreten werde und auch die allfälligen Geruchsbeeinträchtigungen "absolut auf der sicheren Seite liegen", freilich bei Beschränkung der Betankung auf Dieselfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von höchstens 3,5 t. Auf Grund der technischen Entwicklung und auf Grund gesetzlicher Auflagen sei mittlerweile auch die Lärm- und Geruchsentwicklung zu- und abfahrender Lastkraftwagen nicht mit jener im Jahr 1980 zu vergleichen. Gerade diese Tatsachen seien aber auf Grund der bestehenden Rechtslage entscheidungsrelevant. Es hätten sich somit gegenüber dem Bescheid im Jahr 1980 wesentliche für die Beurteilung maßgebliche Tatsachen, nicht nur Nebenumstände geändert; die belangte Behörde hätte das Ansuchen der Beschwerdeführerin, soweit sich dieses auf Dieselkraftstoffe beziehe, nicht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückweisen dürfen, sondern hätte vielmehr sämtliche für die Beurteilung notwendigen Tatsachen erheben müssen (inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften).
Wie es in der Beschwerde weiters heißt, liege auch deshalb keine entschiedene Sache vor, weil sich die maßgebliche Rechtslage in entscheidungswichtigen Punkten geändert habe. Die Versagung der Genehmigung im Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1980 sei damit begründet worden, daß nach Ansicht der erkennenden Behörde auch durch weitere Vorschreibungen die Anrainer nicht vor unzumutbaren Belästigungen geschützt werden könnten. Diese Begründung sei im Zusammenhang mit den bereits zitierten Ausführungen des ärztlichen Amtssachverständigen erfolgt, wonach der beabsichtigte Umbau eine Erweiterung und somit Frequenzsteigerung der Tankanlage bezwecke, wodurch die Wahrscheinlichkeit gegeben wäre, daß durch die Lärm- und Geruchsbelästigung das für ein Wohngebiet zumutbare Ausmaß überschritten würden. Gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1973 in der damals geltenden Fassung sei die Frage, ob Belästigungen den Nachbarn zumutbar seien, nach den Maßstäben eines gesunden, normal empfindenden Menschen und auf Grund der örtlichen Verhältnisse zu beurteilen gewesen, wobei hiefür die für die Widmung der Liegenschaft maßgebenden Vorschriften zu berücksichtigen gewesen seien. Im Gegensatz zu der damals geltenden Rechtslage sei nunmehr gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1973 neu die Zumutbarkeit der Belästigungen der Nachbarn danach zu beurteilen, "wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken"; daneben gebe es ein Standortverbot. Dadurch sei eine wesentliche Änderung gegenüber der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides aus dem Jahr 1980 eingetreten. Ausschlaggebend sei nunmehr, von einem allfälligen Standortverbot abgesehen, ausschließlich die durch die Betriebsanlage verursachte Veränderung des Ist-Maßes; das Erfordernis der Berücksichtigung der Widmungsvorschriften sei fallengelassen worden. Das sei im gegenständlichen Fall deshalb relevant, weil für die damalige Versagung des Ansuchens der Beschwerdeführerin ausschlaggebend gewesen sei, daß die Lärm- und Geruchsbelästigung das für ein Wohngebiet zumutbare Ausmaß überschreiten würde; es sei also im Bescheid bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Belästigungen ausdrücklich auf die nach der damaligen Rechtslage zu beachtenden Widmungsvorschriften Bezug genommen worden. Auf Grund der derzeitigen Rechtslage seien die Widmungsvorschriften dagegen in diesem Zusammenhang bedeutungslos geworden. Dabei sei auch zu beachten, daß sich im Bescheid vom 12. Februar 1980 und in den Gutachten des seinerzeitigen Verfahrens keinerlei konkrete Angaben über den damaligen Ist-Zustand sowie darüber fänden, welche der damals geplanten Änderungen überhaupt und in welchem Ausmaß zu Emissionen führen würden. Da nach der geltenden Rechtslage das Ist-Maß als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen sei, wären seitens der belangten Behörde diesbezügliche Feststellungen nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens zu treffen gewesen (inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften). Schließlich wird in der Beschwerde gerügt, die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin im Rahmen des Berufungsverfahrens Gelegenheit einräumen müssen, zur beabsichtigten Zurückweisung wegen entschiedener Sache Stellung zu nehmen. Dadurch, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt habe, sei es der Beschwerdeführerin unmöglich gewesen, die Nichtidentität des gegenständlichen Ansuchens mit jenem, welches dem Bescheid aus dem Jahr 1980 zugrunde gelegen sei, die Änderung des maßgebenden Sachverhalts sonst und die Änderung der Rechtslage aufzuzeigen (Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften).
§ 68 Abs. 1 AVG bestimmt, daß Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sind.
Dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 AVG in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage) verhindern soll. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird demgemäß durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem bereits formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Umständen die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1987, Zl. 87/04/0154, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Bei einer Änderung des Sachverhaltes kann nur eine solche zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1987, Slg. N.F. Nr. 12511/A).
Von einer geänderten Rechtslage, die es der Behörde verwehren würde, das neue Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, kann dann gesprochen werden, wenn nach Abweisung des ersten Ansuchens sich die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für diese Entscheidung gewesen waren, so geändert haben, daß sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anders lautende Entscheidung ermöglicht hätten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1978, Zl. 432/78).
Nach § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide u.a. dann zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse der Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Diesen Anforderungen wird die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides in seinem hier relevanten Teil nicht gerecht. Inwieweit sich die belangte Behörde mit den dargelegten Kriterien des § 68 Abs. 1 AVG auseinandersetzte, ist der Begründung ihres Bescheides nicht zu entnehmen. Das innere Ausmaß der Begründungspflicht wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt. Begründungslücken sind dann wesentlich, wenn sie zur Folge haben, daß der Beschwerdeführer über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. März 1989, Zl. 86/17/0044). Daß dies zutrifft, ist dem Gerichtshof gerade vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens nicht zweifelhaft. Insofern wird mit dem Beschwerdevorbringen auch die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels aufgezeigt.
Da sohin die dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Begründungsmängel zur Folge haben, daß die Beschwerdeführerin über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Wegen seiner Unüberprüfbarkeit in dieser Hinsicht konnte daher auch auf die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht eingegangen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelZurückweisung wegen entschiedener SacheRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeÄnderung der RechtslageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991040242.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
05.06.2009