TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/19 92/04/0014

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Veröffentlicht am 19.05.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/03 GesmbH-Recht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39;
GewO 1973 §9 Abs1;
GmbHG §18;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richer, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der N in K, vertreten durch Dr. Y, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Oktober 1991, Zl. IIa-90.102/18-91, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem als Ersatzbescheid für den mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0068, aufgehobenen Bescheid vom 7. Februar 1990 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Oktober 1991 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, als handelsrechtliche Geschäftsführerin der N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. und damit als im Sinn des § 9 Abs. 1 VStG satzungsgemäß zur Vertretung der N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. nach außen berufenes Organ verantwortlich zu sein, daß durch die genannte Unternehmung in der Zeit vom 24. April 1987 bis zum 23. September 1987 in Innsbruck, A-Straße 2, eine gewerbliche Betriebsanlage, nämlich ein Gastbetrieb und zwar die Bar "X" betrieben worden sei, welche im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 geeignet gewesen sei bzw. geeignet sei, die dortigen Nachbarn durch Lärm, welcher durch die Motoren der Kraftfahrzeuge, die die dortigen Gäste zum Zu- bzw. zum Abfahren vom Parkplatz des Gastbetriebes verwendeten, sowie durch die Unterhaltung der diesen Gastbetrieb aufsuchenden und die diesen verlassenden Gästen in unmittelbarer Nähe des Gastlokales sowie durch die im Rahmen dieses Gastbetriebes betriebene Lüftungsanlage verursacht werde, zu belästigen, ohne über die erforderliche Betriebsanlagengenehmigung im Sinne der §§ 74 ff GewO 1973 zu verfügen. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 begangen, weshalb gemäß § 366 Abs. 1 leg. cit. über sie eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt wurde. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges aus, FK sei Inhaber einer Konzession zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart "Bar" im Standort Innsbruck, A-Straße 2. Dieser habe am 26. März 1987 beim Stadtmagistrat Innsbruck um die Genehmigung der Übertragung der Gewerbeausübung (Verpachtung) an die Beschwerdeführerin angesucht. Mit Erteilung der Verpachtungsbewilligung an diese sollte die bestehende Verpachtungsbewilligung an JK gelöscht werden. Im erstinstanzlichen Akt befinde sich der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21. September 1987, mit dem die Übertragung der Gewerbeausübung an die Beschwerdeführerin als Pächterin genehmigt worden wäre. Dieser Bescheid sei jedoch FK nicht zugestellt worden, da dieser trotz mehrfach ergangener Aufforderung seitens der Behörde den Bescheid nicht abgeholt habe. Der Bescheid sei daher nicht nach außen in Erscheinung getreten und somit nicht erlassen worden. Am 23. September 1987 habe das städtische Erhebungsamt im Zusammenhang mit einer Anrainerbeschwerde wegen Lärmbelästigung durch den Betrieb der in Rede stehenden Bar berichtet, das Gastgewerbe (die Bar) im Standort Innsbruck - Igls, A-Straße 2, sei in der Zeit vom 10. Dezember 1986 bis 19. April 1987 von JK als Pächter betrieben worden. Seit 24. April 1987 werde der Barbetrieb auf Namen und Rechnung der protokollierten Firma "N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H."

abgewickelt. Handelsrechtliche Geschäftsführerin sei die Beschwerdeführerin. Am 6. November 1987 sei das Ansuchen des FK vom 26. März 1987 in der Weise abgeändert worden, daß die Übertragung der Gewerbeausübung an die "N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H." mit der Beschwerdeführerin als gewerberechtliche Geschäftsführerin an dem bereits mehrfach genannten Standort für das Gast- und Schankgewerbe in der Betriebsart "Bar" beantragt worden sei. Aufgrund des Erhebungsersuchens des Stadtmagistrates Innsbruck, Abteilung I, vom 15. Dezember 1987 habe das städtische Erhebungsamt am 18. Dezember 1987 mitgeteilt, die N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. werde von der alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführerin N vertreten. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. März 1988 sei die Genehmigung der Übertragung der Gewerbeausübung an die N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. mit der Beschwerdeführerin als gewerberechtliche Geschäftsführerin verweigert worden, weil die vorgesehene Pächterin, die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Dieser Bescheid sei mit Berufungserkenntnis vom 4. Juli 1988 vollinhaltlich bestätigt worden. Am 10. Juli 1987 sei zwischen der K Gasthof Stern, Igls, Ges.m.b.H. als Verpächterin einerseits und der N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. andererseits ein privatrechtlicher Unternehmenspachtvertrag abgeschlossen worden, wobei Pachtgegenstand das Nachtlokal X samt Ausstattung sowie die Konzession des FK gewesen sei. Nach Punkt 3 dieses Vertrages beginne das Pachtverhältnis am 24. April 1987 und werde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Im August 1987 habe sich ein Nachbar der in Rede stehenden Betriebsanlage bei der Erstbehörde wegen der durch die Betriebsanlage verursachten nächtlichen Ruhestörungen und Lärmbelästigung beschwert. Dieser Anrainer habe sich in den letzten Jahren regelmäßig bei der zuständigen Polizeidienststelle in Igls aus dem gleichen Grund beschwert. Ein weiterer Zeuge habe angegeben, er werde in seiner derzeitigen Wohnung bereits seit dem Jahr 1983 durch den in Rede stehenden Betrieb insbesondere durch das Zufahren und Abstellen der Fahrzeuge der Gäste sowie durch den Lärm der Lüftungsanlage belästigt. Im Tatzeitpunkt sei für den in Rede stehenden Gastgewerbebetrieb keine Betriebsanlagengenehmigung vorgelegen und es sei auch kein entsprechendes Verfahren anhängig gewesen. Aus den genannten Beschwerden und der Zeugenaussage gehe eindeutig hervor, daß das gegenständliche Gastlokal in jedem Fall geeignet sei, Belästigungen der Nachbarn zu bewirken. Dies werde in der Berufung der Beschwerdeführerin auch gar nicht bestritten, sondern lediglich darauf hingewiesen, daß diese Zeugenaussage in keiner Weise als Beweisgrundlage geeignet sei, da der Zeuge immerhin vier Jahre gewartet habe, um seiner Entrüstung nunmehr Ausdruck zu verleihen. Dem sei entgegen zu halten, daß Belästigungen bis zu einem gewissen Grad sicherlich über einen Zeitraum erduldet werden könnten und eine Beschwerde erst dann erfolge, wenn die "Belastungsschwelle" überschritten werde. Zudem sei darauf zu verweisen, daß auch ein anderer Nachbar bereits seit einigen Jahren entsprechende Beschwerden bei der zuständigen Polizeidienststelle deponiert habe.

Aus den Ermittlungen im fortgesetzen Verfahren ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum weder gewerberechtliche Pächterin noch gewerberechtliche Geschäftsführerin des in Rede stehenden Gastbetriebes (der Bar) gewesen sei. Der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21. September 1987, in welchem der Beschwerdeführerin die Übertragung der Gewerbeausübung genehmigt worden sei, sei mangels einer Zustellung nicht erlassen worden und könne daher keine Rechtswirkungen entfalten. Im maßgeblichen Zeitraum sei vielmehr aufgrund des Unternehmenspachtvertrages das Gastgwerbe in der Betriebsart Bar an dem gegenständlichen Standort durch die N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. ausgeübt worden.

Es folgen sodann Ausführungen zur Frage der subjektiven Tatseite und der Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, nicht wegen Übertretung der Gewerbeordnung bestraft zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, der angefochtene Bescheid verstoße gegen die Bestimmung des § 31 VStG, weil seit der Tat bereits drei Jahre verstrichen seien und daher Verjährung eingetreten sei. Im übrigen gehe die belangte Behörde fälschlicher Weise davon aus, der Beschwerdeführerin sei ein Verhalten anzulasten, das ihren "Rechtsvorgängern", nämlich den früheren Betreibern des Lokals offensichtlich nicht als strafbar angelastet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe davon ausgehen dürfen, ihre Betriebsführung werde nicht beanstandet, wenn ein von der Behörde als orndungsgemäß geführtes Lokal von ihr in derselben Art und Weise weiterbetrieben werde. Zu Unrecht gehe die belangte Behörde auch davon aus, die Verpachtungsbewilligung sei "nicht erlassen worden", wenn der entsprechende Bescheid dem Verpächter nicht zugestellt worden sei. Denn der Bescheid sei nicht nur dem Verpächter, sondern auch der Pächterin zugestellt worden und dieser gegenüber rechtskräftig geworden. Voraussetzung für eine Bestrafung wäre, wenn die Betriebsanlage tatsächlich geeignet gewesen wäre, eine Belästigung der Anrainerschaft herbeizuführen. Dies hätte von der Behörde objektiviert werden müssen. Wenn durch viele Jahre ein Betrieb ohne Nachbarbeschwerden geführt werde, plötzlich bei einer Verpachtung jedoch eine solche Beschwerde auftrete, könne daraus zwanglos der Schuß gezogen werden, daß andere Überlegungen diesen Beschwerden zugrunde lägen als Belästigungen. Die Behörde habe entsprechende Erhebungen unterlassen. Schließlich habe sich die belangte Behörde im Strafmaß geirrt. Eine Bestrafung für ein Verhalten, das bereits fünf Jahre zurückliege, sei grundsätzlich nicht mehr geboten, da jeder spezial- oder generalpräventive Aspekt weggefallen sei. Die Behörde hätte daher von ihrem Recht, eine Ermahnung auszusprechen, Gebrauch machen müssen, wenn sie nicht überhaupt das Verfahren einstelle. Die belangte Behörde habe bei der Strafbemessung auch die Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin nicht ausreichend beachtet.

Mit ihrem Verjährung behauptenden Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin die Bestimmung des § 31 Abs. 3 letzter Satz VStG, wonach die Zeiten eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Verwaltungsgerichtshof in die Verjährungszeit nicht einzurechnen sind. Zieht man von der seit dem Ende des der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Tatzeitraumes bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verflossenen Zeit die Zeit der Verfahren über die zu den hg. Zlen. 88/04/0134 und 90/04/0068 geführten Verfahren ab, so ergibt sich, daß die Verjährungsfrist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch offen war.

Die Beschwerde erweist sich aber aus folgenden Erwägungen als begründet:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0068, dargetan hat, ist in einem Fall wie dem vorliegenden der handelsrechtliche Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur dann für ein Verhalten der Gesellschaft zu bestrafen, wenn im Tatzeitraum kein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war. Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, klare Feststellungen darüber zu treffen, ob im gegenständlichen Tatzeitraum für die N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war. Diesbezüglich mangelt es der Begründung des angefochtenen Bescheides an der erforderlichen Klarheit. Denn aus dem von der belangen Behörde festgestellten Umstand, mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. März 1988 sei die Genehmigung der Übertragung der Gewerbeausübung an die "N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. mit N als gewerberechtliche Geschäftsführerin" verweigert worden, ergibt sich noch nicht zwingend, daß für diese Gesellschaft nicht ein gewerberechtlicher Geschäftsfüher bestellt war. Diese Unklarheit gewinnt umso mehr Gewicht, als der Vertreter der Beschwerdeführerin über Aufforderung der belangten Behörde dieser mit Schreiben vom 22. Dezember 1990 mitteilte, "daß im Tatzeitraum 24. April 1987 bis 23. September 1987 ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war". Die belangte Behörde stellte darüber in der Folge auch Erhebungen an, die jedoch nach der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Aktenlage bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zu keinem Ergebnis führten.

Da die belangte Behörde somit neuerlich die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin im Sinne des § 9 VStG zur Verantwortung zog, ohne mit ausreichender Sicherheit klargestellt zu haben, daß im Tatzeitraum für die N-Diskotheken Betriebsges.m.b.H. kein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040014.X00

Im RIS seit

19.05.1992

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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