Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in N, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 25. März 1991, Zl. IVa-IESG-7022/0/B/BNr. 408/91/14E/1986/Linz, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/11/0234, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 16. August 1988, soweit mit ihm der Antrag des Beschwerdeführers auf Insolvenz-Ausfallgeld abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Mit (Ersatz-)Bescheid vom 25. März 1991 wies das Landesarbeitsamt Oberösterreich neuerlich den (mit
1. April 1987 datierten, am 9. April 1987 zur Post gegebenen und am 10. April 1987 beim Arbeitsamt eingelangten) Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit H, über deren Vermögen mit Beschluß des Landesgerichtes vom 2. Dezember 1986, AZ S n1/86, der Anschlußkonkurs eröffnet worden war, ab.
Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe um die Nachsicht der Rechtsfolgen der Fristversäumung mit der Behauptung ersucht, sein Vertreter habe den Formularantrag auf Insolvenz-Ausfallgeld am 1. April 1987 seiner Kanzleiangestellten D diktiert. Diese habe ihn geschrieben und kanzleimäßig abgefertigt und kuvertiert. Sie habe den Auftrag gehabt, den Antrag am 1. April 1987 zur Post zu geben. Der Antrag sei der Kanzleiangestellten von ihrem Schreibtisch gerutscht, an der Rückwand zu liegen gekommen und am 9. April 1987 zufällig entdeckt worden.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gelange die Berufungsbehörde zur Ansicht, daß der Antrag erst nach Ablauf der Frist geschrieben worden sei und das Vorbringen hinsichtlich des unterlaufenen Fehlers bei der Kuvertierung bzw. Postaufgabe nicht zutreffe.
Die Zeugin D habe das Vorbringen zwar bestätigt, doch habe der Beschwerdeführer selbst in dem gegen seinen früheren Rechtsvertreter eingeleiteten Schadenersatzprozeß diese Version bestritten und ausführlich dargelegt, woraus sich ergebe, daß der Antrag erst nach Fristende geschrieben worden sei. So habe der Beschwerdeführer behauptet, sein damaliger Vertreter habe in einem Telefonat am 3. April 1987 erklärt, daß der Antrag nach wie vor nicht diktiert sei, und auf den Vorwurf, daß nun Fristversäumnis eingetreten sei, geantwortet, er werde in den nächsten Tagen einfach einen Wiedereinsetzungsantrag stellen und die Sache werde schon in Ordnung gehen. Bei der Vernehmung durch die Berufungsbehörde habe der Beschwerdeführer zunächst nichts zur Klärung des Widerspruches beitragen wollen und nach Vorhalt, ohne jedoch sein Vorbringen im Schadenersatzprozeß zu widerrufen, bloß die Möglichkeit in den Raum gestellt, daß sich sein früherer Vertreter bei dem Telefonat geirrt habe. Diese Möglichkeit hätte durch die Vernehmung des früheren Rechtsvertreters als Zeugen überprüft werden können. Dieser habe mitgeteilt, nur im Falle der Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht aussagen zu wollen. Der Beschwerdeführer habe jedoch hierauf ausdrücklich erklärt, seinen ehemaligen Rechtsvertreter nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.
Da die Nachsicht der Rechtsfolgen der Fristversäumung rechtfertigende berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 6 Abs. 1 IESG nicht vorlägen, sei der Antrag auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld wegen Versäumung der materiell-rechtlichen Ausschlußfrist abzuweisen gewesen. Überdies stammten die geltend gemachten Ansprüche nicht aus einem Arbeitsverhältnis zu der genannten Gemeinschuldnerin, bei der es sich um die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers handle. Der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin seien im Zusammenhang mit dem Konkurs wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei zu seiner Lebensgefährtin nicht in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gestanden. Er habe keine festen Dienstzeiten einzuhalten gehabt, sei nicht unter der Leitung und Führung seiner Lebensgefährtin gestanden und habe die unternehmerische Funktion gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ausgeübt. Damit seien Merkmale gegeben, die nicht "das Arbeitsverhältnis, sondern "das Gesellschaftsverhältnis" charakterisieren. Die Arbeitnehmereigenschaft des Beschwerdeführers sei daher zu verneinen. An das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16. August 1988, mit dem dem Beschwerdeführer die von ihm gegen seine Lebensgefährtin geltend gemachten Ansprüche zuerkannt worden seien, sei die belangte Behörde nicht gebunden, weil dieses Urteil ausschließlich auf der Erklärung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, daß die Ansprüche des Beschwerdeführers berechtigt seien, beruhe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Wie der Verwaltungsgerichtshof im eingangs zitierten Erkenntnis vom 24. Oktober 1989 ausgeführt hat, sollte durch die in der Novelle BGBl. Nr. 395/1986 enthaltene Neufassung des § 6 Abs. 1 IESG die bis dahin bestandene Möglichkeit, die Folgen der Versäumung der Antragsfrist durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des § 71 AVG 1950 zu beseitigen, erweitert werden, sodaß jedenfalls dann, wenn ein Grund vorliegt, der (nach der früheren Rechtslage) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde, die Nachsicht zu gewähren ist (im gleichen Sinne auch das Erkenntnis vom 28. Juni 1988, Zl. 88/11/0067). Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner im Erkenntnis vom 24. Oktober 1989 unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausgeführt, daß zwar ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen sei, doch könne ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes diesem nur dann als Verschulden angelastet werden, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen habe. Unterlaufe einem Angestellten, dessen Verläßlichkeit glaubhaft dargetan werde, erst nach Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stelle dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar.
Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren Ermittlungen zu den vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen betreffend den Grund für die Fristversäumung durchgeführt und ist auf Grund der Ermittlungsergebnisse zur Überzeugung gelangt, daß die (im Verwaltungsverfahren aufgestellten) Behauptungen des Beschwerdeführers über den Grund der Fristversäumung nicht richtig sind.
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß sich die belangte Behörde dabei auf den Akt 5 Cg 108/89 des Landesgerichtes - dabei handelt es sich um das Verfahren betreffend die Schadenersatzansprüche des Beschwerdeführers gegen seinen ehemaligen Rechtsvertreter - stütze, ohne den (nunmehrigen) Vertreter des Beschwerdeführers davon in Kenntnis zu setzen oder zur Stellungnahme aufzufordern. Wäre der Beschwerdeführer davon in Kenntnis gewesen, hätte er eine ergänzende Stellungnahme abgegeben und die Zweifel der belangten Behörde betreffend die rechtzeitige Erstellung des Antrages ausräumen können.
Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil sie nicht erkennen lassen, welches Vorbringen er erstattet und welche Beweisanträge er gestellt hätte, wenn die belangte Behörde seinen nunmehrigen Vertreter in förmlicher Weise aufgefordert hätte, zu den Behauptungen des Beschwerdeführers in dem genannten Zivilprozeß Stellung zu nehmen. Auch die Beschwerde nennt keinen Grund, warum der Beschwerdeführer in jenem (am 23. Juni 1989, sohin in der Zeit zwischen der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 16. August 1988 und der Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 24. Oktober 1989 eingeleiteten) Prozeß konkrete unwahre Behauptungen über den Grund der Fristversäumung aufgestellt haben soll.
Der Beschwerdeführer rügt als Verletzung des Parteiengehörs, daß seinem Vertreter eine von der belangten Behörde bei der Entscheidung verwertete Niederschrift über die Vernehmung der Zeugin S nicht übermittelt worden sei. Diese Ausführungen gehen ins Leere, weil eine solche Vernehmung nach der Aktenlage nicht erfolgt ist und demnach von der belangten Behörde auch nicht verwertet werden konnte.
Der Beschwerdeführer räumt ein, daß seinem Vertreter am 24. Juli 1990 die Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers vom 18. Juli 1990 übersendet worden sei und daß er mit Schreiben vom 27. September 1990 (zu Handen seines Vertreters) aufgefordert worden sei, mitzuteilen, ob er seinen früheren Vertreter von der Verschwiegenheitspflicht entbinde. Seine in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, eine Entbindung seines früheren Rechtsvertreters von der Verschwiegenheitspflicht sei ihm völlig bedeutungslos erschienen, ist daher nicht überzeugend.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die belangte Behörde hätte seinen ehemaligen Vertreter als Zeugen vernehmen können, obwohl er ihn nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden habe.
Auch damit vermag der Beschwerdeführer keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer hat sich auf die Vernehmung seines ehemaligen Vertreters als Zeugen nie berufen. Die belangte Behörde hatte die Absicht, den ehemaligen Vertreter im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer im Zivilprozeß aufgestellten konkreten Behauptungen als Zeugen zu vernehmen. Dabei wäre es erforderlich gewesen, den Zeugen über den Inhalt der zwischen ihm und dem Beschwerdeführer geführten Telefonate zu befragen. Diesbezüglich hätte der ehemalige Vertreter des Beschwerdeführers gemäß § 49 Abs. 2 AVG die Aussage verweigern können. Er hatte der belangten Behörde gegenüber auch angekündigt, nur im Falle der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht eine Aussage abzulegen. Da der Beschwerdeführer seinen früheren Rechtsvertreter von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden hat, stellt es keinen Verfahrensmangel dar, wenn die belangte Behörde keinen weiteren Versuch unternommen hat, den früheren Vertreter des Beschwerdeführers als Zeugen zu vernehmen, weil es bei der gegebenen Sachlage aussichtslos erschien, von diesem Auskünfte über die mit dem Beschwerdeführer geführten Telefonate zu erhalten.
Auf die Frage, ob die Zeugin D der Verschwiegenheitspflicht unterlag, brauchte schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil diese Zeugin die Aussage nicht verweigert hat.
Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß er anläßlich seiner Vernehmung die Möglichkeit in den Raum gestellt habe, daß sich sein ehemaliger Rechtsvertreter bei den Telefonaten im Zusammenhang mit der Erstellung des Antrages auf Insolvenz-Ausfallgeld geirrt haben könne, sodaß die belangte Behörde auf Grund der Beweisergebnisse zu der Feststellung hätte gelangen müssen, daß der Antrag bei Fristablauf bereits erstellt gewesen sei.
Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer nicht die Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen darzutun. Die belangte Behörde hat mit Recht ins Treffen geführt, ein allfälliger Irrtum des ehemaligen Rechtsvertreters bei dem vom Beschwerdeführer genannten Telefonat hätte durch die Vernehmung des ehemaligen Vertreters als Zeugen verifiziert werden können, doch habe dies der Beschwerdeführer durch seine Weigerung, den ehemaligen Vertreter von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, vereitelt. Die belangte Behörde hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß unter Zugrundelegung der Behauptungen des Beschwerdeführers über den Inhalt des Telefonates vom 3. April 1987 ein Irrtum seines ehemaligen Vertreters wenig wahrscheinlich sei. Es ist nämlich nur schwer vorstellbar, daß der Vertreter des Beschwerdeführers, nachdem er angeblich am 1. April den Antrag diktiert und unterfertigt und den Auftrag zur sofortigen Postabfertigung erteilt hat, zwei Tage später irrtümlich davon ausgegangen sein soll, der Antrag sei noch nicht diktiert und die Fristversäumung werde mit Wiedereinsetzungsantrag "in Ordnung gebracht werden".
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Festellungen der belangten Behörde, wonach die vom Beschwerdeführer zur Dartuung eines berücksichtigungswürdigen Grundes im Sinne des § 6 Abs. 1 IESG aufgestellten Behauptungen unrichtig sind, auf einer schlüssigen Beweiswürdigung beruhen. Die belangte Behörde hat daher mit Recht den Antrag auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld wegen Versäumung der in der zuletzt genannten Gesetzesstelle bestimmten Ausschlußfrist von vier Monaten abgewiesen.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, ohne daß noch auf die weiteren Beschwerdeausführungen zur Arbeitnehmereigenschaft des Beschwerdeführers eingegangen zu werden brauchte. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991110055.X00Im RIS seit
19.05.1992Zuletzt aktualisiert am
24.10.2010