TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/19 92/08/0085

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Veröffentlicht am 19.05.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16 Abs1 litl idF 1987/615;
AlVG 1977 §16 Abs4 idF 1987/615;
AlVGNov 1987 Art3 Abs2;
AlVGNov 1987;
B-VG Art7 Abs1;
UrlaubsG 1976 §10;
UrlaubsG 1976 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 6. März 1992, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Ruhen des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste (Wien) vom 23. Dezember 1991 wurde unter anderem ausgesprochen, daß der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld gemäß § 16 Abs. 1 lit. l ALVG vom 1. Dezember 1991 bis 24. Dezember 1991 ruhe.

Der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge und änderte den bekämpften Bescheid dahin ab, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld nur für die Zeit vom 1. Dezember bis 14. Dezember 1991 ruhe. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe anläßlich der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 2. Dezember 1991 eine Arbeitsbescheinigung ihres ehemaligen Dienstgebers vorgelegt, wonach ihr im Anschluß an das mit Ablauf des 30. November 1991 beendete Dienstverhältnis eine Urlaubsentschädigung im Ausmaß von 21 Werktagen ausbezahlt worden sei. Diese 21 Werktage hätten einen Ruhenszeitraum von 24 Kalendertagen (je 6 Werktage sei ein weiterer Ruhenstag; der Sonntag sei hinzuzurechnen) ergeben und es sei daher mit dem erstinstanzlichen Bescheid das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für den obgenannten Zeitraum ausgesprochen worden. Im Berufungsverfahren sei beim ehemaligen Dienstgeber bzw. dessen Steuerberatung erhoben worden, daß die Beschwerdeführerin 3 Wochen (18 Werktage) ihres Urlaubsanspruches noch während des Dienstverhältnisses konsumiert habe und ihr für den nichtkonsumierten Urlaubsrest bei Beendigung des Dienstverältnisses die gebührende Urlaubsentschädigung im Ausmaß von 12 Werktagen ausbezahlt worden sei. Die Angabe von 21 Werktagen auf der Arbeitsbescheinigung sei irrtümlich erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe zwar Ladungen zu Terminen, in denen die Sache hätte erörtert werden sollen, nicht Folge geleistet, habe jedoch eine Gehaltsabrechnung für November 1991 übermittelt, die den Erhalt einer Urlaubsentschädigung in der Höhe von S 10.649,-- ausweise und somit die Angaben ihres ehemaligen Dienstgebers bestätige. Im Hinblick auf den vorangeführten Sachverhalt sei der Ruhenszeitraum nach § 16 Abs. 1 lit. l ALVG mit 14 Kalendertagen, somit vom 1. Dezember bis 14. Dezember 1991 festzusetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gewährung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. Dezember bis 14. Dezember 1991 aus Gründen verletzt erachtet, die im Zusammenhang mit der Behandlung der Beschwerde wiedergegeben werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Die für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde bedeutsamen Bestimmungen des § 16 Abs. 1 lit. l und § 16 Abs. 4 ALVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 lauten:

"(1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während ...

l) des Zeitraumes, für den Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung im Zeitpunkt der Auflösung des

Beschäftigungsverhältnisses ... gebührt bzw. gewährt wird, nach

Maßgabe des Abs. 4.

(4) Gebührt Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung im Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnisses, besteht jedoch auch Anspruch auf Kündigungsentschädigung mit dem Ende des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt ..."

Zum Zweck der neuen Bestimmungen führen die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (282 BlgNR XVII GP., Seite 8) aus:

"Die derzeitige Gewährung von Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung und der gleichzeitige Bezug von Arbeitslosengeld führen zu einer nicht vertretbaren Doppelversorgung. Das Arbeitslosengeld soll daher in Hinkunft während der Zeit, die der Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung entspricht, ruhen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit diesen durch die genannte Novelle eingefügten Bestimmungen in seinem Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 88/08/0132, ausführlich befaßt. Vor dem Hintergrund dieser Darlegungen sind die unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Einwände aus nachstehenden Überlegungen unbegründet:

Die Beschwerdeführerin stellt zwar nicht in Abrede, daß ihr Dienstverhältnis mit Wirkung zum 30. November 1991 aufgelöst worden sei und sie "zum Stichtag 30.11.1991 den Anspruch auf Gewährung eines Resturlaubes besessen" habe (einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung behauptet sie nicht). Sie bringt aber vor, sie habe "diesen Resturlaubsanspruch jedoch nicht als

Urlaub verbraucht, sondern ... die Zeit dieses Resturlaubes

beim Dienstgeber in der Beschäftigungszeit bis 30.11.1991 durch Erbringung einer Arbeitsleistung als kfm. Angestellte verbracht". Da sie ihren Resturlaubsanspruch nicht als tatsächlichen Urlaub verbraucht habe, sei ihr deshalb eine Urlaubsentschädigung bezahlt worden. Da der Resturlaubsanspruch innerhalb des Zeitraumes bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses, sohin bis 30. November 1991, auf diese Art verbraucht worden sei, habe sie den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Dezember 1991 gestellt. Sie entnehme nun dem angefochtenen Bescheid, daß die belangte Behörde an denselben Sachverhalt zwei verschiedene Folgen knüpfe: "Ist das Dienstverhältnis zum 30.11.1991 beendet, hat die Beschwerdeführerin bis zu diesem Termin noch einen Resturlaubsanspruch und wird dieser durch Urlaub verbraucht, dann wird der Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld ab 1.12.1991 gewährt. Wird der Resturlaubsanspruch nicht durch tatsächlichen Urlaub verbraucht, sondern die Urlaubszeit beim Dienstgeber durch Erbringen einer Arbeitsleistung verbraucht, dann wird der Beschwerdeführerin der Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld erst ab 15.12.1991 gewährt." Die Beschwerdeführerin könne aus den Bestimmungen des ALVG nichts entnehmen, was diese verschiedene Lösung beim selben Sachverhalt rechtfertigen könnte. Das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin sei zum 30. November 1991 beendet worden, dies gleichgültig davon, ob sie ihren Resturlaubsanspruch tatsächlich verbraucht oder nicht verbraucht habe. In beiden Fällen habe sie gegen ihren Dienstgeber einen Entgeltanspruch nur bis zum 30. November 1991 gehabt. Sei die verschiedene Erledigung desselben Sachverhaltes weder begründet noch gerechtfertigt, dann sei dies mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

Diesen Ausführungen liegt eine völlige Verkennung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen über den Urlaub, das Urlaubsentgelt, die Urlaubsentschädigung und die Urlaubsabfindung nach dem Urlaubsgesetz 1976, BGBl. Nr. 390 (UrlG), zugrunde. Verbraucht ein dem UrlG unterliegender Arbeitnehmer seinen bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses entstandenen Urlaubsanspruch (und zwar sowohl denjenigen aus dem laufenden Urlaubsjahr als auch den noch nicht verjährten aus vergangenen Urlaubsjahren) noch während des Arbeitsverhältnisses "durch tatsächlichen Urlaub", so behält er nach § 6 UrlG während des Urlaubes den Anspruch auf das Entgelt nach Maßgabe der Bestimmungen des § 6 leg. cit. ohne "Erbringen einer Arbeitsleistung" für den Arbeitgeber während des Urlaubes. Ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung nach § 9 UrlG bzw. Urlaubsabfindung nach § 10 leg. cit. entsteht in einem solchen Fall zufolge Verbrauchs des Urlaubes vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Mangels eines Anspruchs auf Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung liegt daher auch nicht der Tatbestand des § 16 Abs. 1 lit. l ALVG vor. Verbraucht hingegen der Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses den bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Urlaub nicht oder nicht zur Gänze "durch tatsächlichen Urlaub" - ein Verbrauch des Urlaubs "durch Erbringen einer Arbeitsleistung beim Dienstgeber" stellt keinen Urlaubsverbrauch im Sinne des UrlG dar -, so steht ihm mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - entsprechend den Bestimmungen der §§ 9 und 10 UrlG - Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung zu. In diesem Fall ist der Ruhenstatbestand des § 16 Abs. 1 lit. l ALVG verwirklicht. Die vom Beschwerdeführer angeführten Sachverhalte betreffen somit nicht denselben Sachverhalt, sondern Sachverhalte wesentlich unterschiedlichen Inhaltes, die dadurch gekennzeichnet sind, daß im erstgenannten Fall der Urlaubsanspruch zur Gänze während des Dienstverhältnisses verbraucht wurde und daher der Arbeitnehmer nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung hat, während im zweiten Fall der Urlaubsanspruch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht oder nicht zur Gänze verbraucht wurde und deshalb der Arbeitnehmer (anstelle des wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in natura erfüllbaren Anspruchs auf Verbrauch des Urlaubes bzw. Resturlaubes) einen Anspruch auf Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung in einer in den §§ 9 und 10 UrlG näher geregelten Höhe hat. Gegen die an den zuletzt genannten (vom erstangeführten unterschiedlichen) Sachverhalt geknüpfte arbeitslosenversicherungsrechtliche Lösung (aus den in den oben wiedergegeben Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 angeführten Gründen) hegt der Verwaltungsgerichtshof aus den im obzitierten Vorerkenntnis näher dargelegten Überlegungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Ausgehend davon, daß das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin mit 30. November 1991 beendet wurde und ihr zu diesem Zeitpunkt noch ein Resturlaubsanspruch zustand, den sie nicht durch "tatsächlichen Urlaub verbraucht hatte" (weshalb ja auch eine Urlaubsentschädigung bezahlt wurde), hat die belangte Behörde mit Recht - zunächst dem Grunde nach - die Tatbestandsmäßigkeit des § 16 Abs. 1 lit. l ALVG bejaht.

Zu den ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhalts vorgetragenen Bedenken gegen die Verwendung des Begriffes "Ruhen" genügt es darauf zu verweisen, daß der Gesetzgeber diesen Begriff gebraucht und nicht ersichtlich ist, in welchen Rechten die Beschwerdeführerin durch diese Begriffswahl verletzt sein könnte.

Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch unter jener der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet die Beschwerdeführerin schließlich ein, sie könne dem angefochtenen Bescheid weder die tatsächliche Dauer des Resturlaubsanspruches noch entnehmen, auf welche Art und Weise eine Umrechnung von Urlaubsanspruch auf Dauer des "Ruhens" des Anspruchs auf Bezug von Arbeitslosengeld erfolgt sei.

Auch diese Einwände sind unbegründet. Dem angefochtenen Bescheid läßt sich völlig eindeutig entnehmen, daß die belangte Behörde - entsprechend der korrigierten Arbeitsbescheinigung des ehemaligen Dienstgebers der Beschwerdeführerin - von einem Resturlaubsanspruch von 12 Werktagen ausgegangen ist. Aus welchen Gründen diese schon einmal korrigierte Dauer neuerlich korrekturbedürftig sein sollte, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor. Auch die Art und Weise der "Umrechnung von Urlaubsanspruch auf Dauer des Ruhens des Anspruches auf Bezug von Arbeitslosengeld" ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides: Danach seien je 6 Werktagen, für die ihr die Urlaubsentschädigung gebühre, zur Ermittlung des Ruhenszeitraums ein weiterer Ruhenstag hinzuzurechnen. Diese Umrechnung von einem Werktag auf einen Kalendertag auf die Woche bezogen mit 7/6 entspricht, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls im Vorerkenntnis ausgeführt hat, dem Gesetz.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992080085.X00

Im RIS seit

22.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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