TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/20 92/01/0463

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Veröffentlicht am 20.05.1992
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/01/0464

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerden 1. des N (hg. Zl. 92/01/0463) und 2. der M (hg. Zl. 92/01/0464), beide in T, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 20. Februar 1992, Zlen. 4.317.067/2-III/13/91 und 4.317.068/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Dem durch Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide belegten Vorbringen in den beiden Beschwerden zufolge haben die Beschwerdeführer, ein Ehepaar vietnamesischer Staatsangehörigkeit, die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. Juni 1991, mit denen festgestellt worden war, bei den Beschwerdeführern lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufungen bekämpft. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und führte nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens begründend aus, sie sei nach Prüfung der Angaben der Beschwerdeführer zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bei den Beschwerdeführern nicht vorlägen. Der Erstbeschwerdeführer habe bei seiner Befragung durch die Sicherheitsbehörde erster Instanz am 25. Mai 1991 ausgeführt, er habe sich seit dem Jahr 1988 auf Grund einer in seinem Heimatland nur durch Bestechung erlangten Bewilligung in der Tschechoslowakei als Fremdarbeiter aufgehalten. Nach Ablauf seines Arbeitsvertrages im Mai 1991 habe der Beschwerdeführer nicht in sein Heimatland zurückkehren können, weil dort ein Arbeitsplatz nur gegen eine die finanziellen Möglichkeiten des Beschwerdeführers übersteigende Bestechung erlangt werden könne. In der Tschechoslowakei habe der Beschwerdeführer auch nicht bleiben können, weil er dort "diskriminiert" worden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe geltend gemacht, sie habe ihr Heimatland verlassen, weil sie verpflichtet worden sei, in Bulgarien zu arbeiten. Sie habe in Vietnam der kommunistischen Jugendpartei angehört, sich aber sonst nicht politisch betätigt. Die Zweitbeschwerdeführerin sei weder aus politischen noch aus rassischen oder religiösen Gründen, sondern aus ihrem Wunsch nach Freiheit geflüchtet. In ihrem Heimatland habe sie nichts über den "Westen" gehört und das Gefühl gehabt, eingesperrt zu sein. Infolge Ablaufs ihres Arbeitsvertrages hätte die Zweitbeschwerdeführerin im Dezember 1990 in ihr Heimatland zurückkehren sollen. Sie habe sich aber entschlossen, gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Österreich eine Existenz aufzubauen.

In den gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufungen hätten die Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, sie seien weder finanziell noch politisch in der Lage, in ihr Heimatland zurückzukehren. Diesen Ausführungen hielt die belangte Behörde entgegen, daß der Begriff der Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention nicht irgendeine Benachteiligung im weitesten Sinn verlange, sondern einen Rechtseingriff von bestimmter Intensität und Qualität in die vom Staat zu schützende persönliche Rechtssphäre des einzelnen, die dem Staat zurechenbar sei, voraussetze. Diesen Anforderungen entspreche das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, in seinem Heimatland zur Erlangung eines Arbeitsplatzes Bestechungsgelder zahlen zu müssen, nicht, weil derartige Praktiken nicht der Staatsgewalt zurechenbar seien. Ebensowenig könnten die Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin, das politische System ihres Heimatlandes abzulehnen, weil es ihr das Gefühl des Eingesperrtseins vermittelt hätte, diesen Kriterien genügen. Die von beiden Beschwerdeführern in den Berufungen erhobene Behauptung, politisch nicht zur Rückkehr in der Lage zu sein, sei, was den Erstbeschwerdeführer anbelange, nicht glaubwürdig, weil er mit Wissen und Erlaubnis der Behörden sein Heimatland verlassen habe und seinem Vorbringen keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen seien, die auf auffällige politische Aktivitäten schließen ließen. Was die Zweitbeschwerdeführerin anbelange, habe diese bei ihrer ersten Einvernahme ausdrücklich angegeben, keiner individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und auf Feststellung der Aufenthaltsberechtigung verletzt. Insbesondere habe die belangte Behörde nicht darauf Bedacht genommen, daß das unerlaubte bzw. heimliche Verlassen Vietnams mit Freiheitsstrafe bis zu zwanzig Jahren geahndet werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten soziale Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Das Vorbringen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren war darauf beschränkt, Schwierigkeiten in ihrem Heimatland bei der Arbeitsplatzbeschaffung aufzuzeigen und die Unzufriedenheit mit dem dort herrschenden kommunistischen System zum Ausdruck zu bringen. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie diese Angaben der Beschwerdeführer nicht als geeignet angesehen hat, Fluchtgründe im Sinne der Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Denn einerseits können Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzbeschaffung, für die der Erstbeschwerdeführer keine in dieser Konvention angeführten Gründe geltend gemacht hat, nicht als Verfolgungshandlungen gewertet werden. Andererseits kann aus der bloßen Unzufriedenheit mit dem politischen System eines Staates bzw. mit Beschränkungen der Reise- oder Informationsfreiheit, welchen die Mehrzahl der Bürger dieses Staates unterworfen sind, nicht eine individuelle Verfolgung von Einzelpersonen abgeleitet werden.

Zur erstmals in ihren Beschwerden erhobenen Rüge der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe keine Feststellungen über die von ihnen geltend gemachte politische Verfolgung getroffen und insbesondere keine Nachforschungen über die im Heimatland der Beschwerdeführer für unerlaubte Ausreise drohenden Strafen angestellt, ist ihnen zunächst entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Diesem Gebot sind die Beschwerdeführer aber durch die Erhebung ihrer Berufungen, die unwidersprochen lediglich den Hinweis enthalten, weder "finanziell noch politisch" in der Lage zu sein, in ihr Heimatland zurückzukehren, nicht nachgekommen.

Zu der von den Beschwerdeführern geäußerten Befürchtung, wegen der Übertretung paßrechtlicher bzw. sonstiger den Aufenthalt vietnamesischer Staatsbürger im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, ist ihnen - abgesehen davon, daß es sich bei diesem Vorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt - unter Hinweis auf die hg. Judikatur zu entgegnen, daß eine allenfalls aus diesen Gründen drohende Bestrafung eines Asylwerbers für die Frage seiner Anerkennung als Flüchtling ohne Bedeutung ist (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 32, angeführte Judikatur).

Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung und somit auch ohne die beantragte Verhandlung als unbegründet abzuweisen.

Demgemäß konnte auch ein Abspruch über die zu den Zlen. AW 92/01/0054 und AW 92/01/0055 protokollierten Anträge der Beschwerdeführer, ihren Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010463.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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