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44 ZivildienstNorm
ZivildienstG §2 Abs1Leitsatz
Keine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung; keine Glaubhaftmachung der Gewissensgründe; keine WillkürSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK), Senat 2, vom 25. November 1988, wurde der von W H - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz 1986, BGBl. 679 (ZDG) - gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 ZDG abgewiesen.
b) Der dagegen vom Antragsteller erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 2, vom 7. April 1989 - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid der ZDOK wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht (§2 Abs1 ZDG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die ZDOK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
1.a) Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige im Sinn des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise - beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch VfSlg. 9391/1982, 9785/1983, 9839/1983, 9840/1983, 9842/1983, 9971/1984, 9985/1984, 10021/1984).
b) Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht bloß dadurch verletzt, daß die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; eine solche Verletzung ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen (Befreiungs-)Bedingungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980, 9549/1982, 9842/1983, 9985/1984; VfGH 3.10.1988 B808/88).
Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978, 9785/1983, 9985/1984), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
2.a) Die ZDOK geht richtig davon aus, daß der Antragsteller deutlich erkennbar den Standpunkt einnahm, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.
Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982; VfGH 3.10.1988 B808/88).
b) Die ZDOK legte dem Sinn nach dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.
Entgegen der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Auffassung unterliefen der belangten Behörde dabei weder materielle noch gravierende prozessuale Rechtsverletzungen, und zwar auch nicht im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials: Der Beschwerdeführer bekämpft nämlich nach der unverkennbaren Zielsetzung des Beschwerdevorbringens in Wahrheit bloß die - nicht zu seinen Gunsten ausgefallene - behördliche Beweiswürdigung, indem er tatsächliche Beschlußfolgerungen der ZDOK in der Glaubhaftmachungsfrage als unrichtig und verfehlt hinstellt. Der Beschwerdeführer vermochte den Umständen nach also nicht aufzuzeigen, daß die beweiswürdigenden Überlegungen der Berufungsbehörde, so auch die Schlußfolgerung, daß der Beschwerdeführer Wissensgut zum Besten gebe, mit dem er sich im Innersten nicht identifiziere, der allgemeinen Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechen: Nur in diesem Fall aber könnte im gegebenen Zusammenhang - nach gefestigter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - von einem verfassungsrechtlich relevanten, groben Verstoß verfahrensrechtlicher Art die Rede sein, der nach §2 ZDG aufzugreifen wäre (zB VfSlg. 9732/1983, 9985/1984).
Im angefochtenen Bescheid wird wohl angedeutet, daß sich der Beschwerdeführer nicht mit den denkbaren Alternativen zur bewaffneten Verteidigung der Neutralität Österreichs auseinandergesetzt habe. Diesem Umstand mißt die ZDOK aber - anders als etwa in den mit Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom 10.12.1987 B1018/87, B696/87, B246/87 abgeschlossenen Fällen - keine tragende Bedeutung bei, sodaß sich eine Auseinandersetzung damit, ob daraus irgendetwas für die Frage der Glaubhaftmachung der Gewissensgründe zu gewinnen ist, erübrigt (vgl. VfGH 10.6.1988 B1355/87).
In der Beschwerde klingt der Vorwurf an, daß der ZDOK ein schwerer Verfahrensfehler unterlief, weil sie den Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung, die vor ihr abgehalten wurde, nicht ausführlich genug befragte. Dieser Vorwurf trifft nicht zu: Es ist primär Aufgabe des Zivildienstwerbers, seine Gewissensgründe darzulegen und sie glaubhaft zu machen (§5 Abs3, §6 Abs2 ZDG). Der Behörde kann zumindest kein gravierender Verfahrensmangel vorgeworfen werden, wenn sie - unter Bedachtnahme auf das Bildungsniveau des Beschwerdeführers (er ist Student) - davon ausging, er kenne die maßgebende Rechtslage und sei fähig, seine Überlegungen verständlich auszudrücken. Der ZDOK ist unter diesen Umständen kein Verfassungsverstoß anzulasten, wenn sie annahm, der Beschwerdeführer bedürfe keiner Manuduktion und habe seinen (der Behörde verständlichen) Ausführungen nichts hinzuzufügen, sodaß für sie - anders als etwa im Fall VfSlg. 9664/1983 - kein Anlaß bestand, ergänzende oder klärende Fragen zu stellen.
c) Der Verfassungsgerichtshof kann der ZDOK also nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Wägung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf Grund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Vorjudikatur, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die auf Grund unmittelbaren persönlichen Eindrucks gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen: zB VfSlg. 9573/1982, 9785/1983, 10529/1985).
d) Des weiteren trifft es - dem Beschwerdevorbringen zuwider - nicht zu, daß die belangte Behörde die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Atomkraftbewegung und Betätigung am elterlichen Bergbauernhof nicht ausreichend gewürdigt habe, wie die Bescheidbegründung und eine Durchsicht der Administrativakten zeigen.
e) Abschließend folgt daraus, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (§2 Abs1 ZDG) nicht verletzt wurde.
3.a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesbestimmungen unter dem Aspekt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebots wurden nicht geltend gemacht und kamen - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - auch sonst nicht hervor. Bei dieser Betrachtung schied im übrigen die Vorschrift des §2 Abs1 ZDG, da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, von vornherein aus.
b) Da es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das - vom Beschwerdeführer relevierte - Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 7466/1974, 8238/1978, 9233/1981) nur dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
Es finden sich jedoch keine wie immer geartete Hinweise dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Momenten bestimmt oder von anderen unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei. Daß die Gründe für die abweisende Entscheidung insofern in der Person des Beschwerdeführers lagen, als sie primär auf dem persönlichen Eindruck beruhen, den er den Mitgliedern der ZDOK machte, ist - wie sich aus dem vorstehenden Pkt. 1 ergibt - verfassungsrechtlich unbedenklich.
c) Daher ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nicht verletzt wurde.
4. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.
5. Da einesteils die hier maßgebenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits genügend klargestellt sind, andernteils ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt wurde, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B752.1989Dokumentnummer
JFT_10108873_89B00752_00