TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/21 92/06/0081

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §2 liti idF 1983/047;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litc idF 1983/047;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs3;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs8;
BauG Vlbg 1972 §9 Abs1;
BauRallg impl;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des BG in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 5. März 1992, Zl. II-2527/1991, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. DF in Feldkirch,

2. BF, Feldkirch, 3. Stadt Feldkirch, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 14. April 1988 wurde den Erst- und Zweitmitbeteiligten die Errichtung eines Schwimmbeckens und eines Einfamilienwohnhauses bewilligt. Dieser Bescheid ist rechtskräftig. Während der Durchführung des Bauvorhabens wurden Geländekorrekturen vorgenommen und im Bereich der südwestlichen Grundstücksgrenze zwei Stütz- und Futtermauern aus Eisenbahnschwellen errichtet. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom 17. Juli 1991 wurden diese Planabweichungen baubehördlich genehmigt. Gegen diesen Bescheid erhob der nunmehrige Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung. Mit Bescheid der Berufungskommission der Stadt Feldkirch vom 29. Oktober 1991 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Der dagegen eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. März 1992 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, der geringste Abstand der kürzeren Stütz- und Futtermauer zur Liegenschaft des Beschwerdeführers betrage 20 cm, die maximale Höhe über Terrain 153 cm, die geringste 110 cm. Der geringste Abstand der längeren Stütz- und Futtermauer zum Grundstück des Beschwerdeführers betrage 2,60 m, die Oberkante dieser Mauer liege 1,10 m über dem Niveau der unteren Mauer. Da die zwei Stützwände nicht miteinander verbunden seien, stellten sie zwei eigene Bauwerke dar. Die dem Nachbargrundstück näherliegende Stützwand mit einer Höhe von 1,55 m (richtig wohl: 1,53 m) verletze nach den Ausnahmebestimmungen des § 6 Abs. 8 des Baugesetzes die gesetzlichen Abstands- und Höhebestimmungen nicht. Da der Abstand der zweiten Stützmauer zum Nachbargrundstück 2,60 m betrage, werde der gesetzlich vorgeschriebene Mindesabstand von 2 m eingehalten. Zu Recht habe daher die Baubehörde die diesbezüglichen Einwendungen als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Es wird vorgebracht, Stütz- und Futtermauern seien gemäß § 23 Abs. 1 lit. c des Vorarlberger Baugesetzes bewilligungspflichtig. Es handle sich dabei um oberirdische Bauwerke im Sinne des § 6 Abs. 8 leg. cit. Bei derartigen Bauwerken habe der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m zu betragen. Rechtsirrig nehme die belangte Behörde an, die gegenständlichen Stütz- und Futtermauern könnten unter die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 8 des Baugesetzes subsumiert werden, wonach "sonstige Wände" bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück weniger als 2 m von der Nachbargrenze entfernt und unabhängig von einer Zustimmung des Nachbarn errichtet werden dürften. Eine Subsumtion unter dem Begriff "sonstige Wände" komme aber nicht in Frage, der Landesgesetzgeber habe Stütz- und Futtermauern eine besondere Bedeutung beigemessen, indem er sie der Bewilligungspflicht unterwarf. Dadurch werde ihrer Qualität und den von ihnen ausgehenden Gefahren Rechnung getragen. Insbesondere erfolge eine Differenzierung zu Einfriedungen. Wenn nun im § 6 Abs. 8 dieses Gesetzes Einfriedungen in konsequenter Parallele zu § 23 Abs. 1 lit. c des Baugesetzes aus der Abstandsbestimmung für Bauwerke ausgenommen seien und in diesem Zusammenhang auch "sonstige Wände" miterfaßt sein sollten, widerspreche es der Gesetzessystematik, Einfriedungen im Zusammenhang mit der Frage der Abstandsflächen in einem Zuge mit Stützmauern zu behandeln. Unter einer "sonstigen Wand" sei eine Wand ohne besondere zustätzliche Qualifikation zu verstehen, jedenfalls aber nicht ein Mauerwerk mit zusätzlicher, baurechtlich relevanter und in der Regel mit Gefahren verbundener Stützfunktion. Außerdem sei der Beschwerdeführer der Ansicht, daß die gegenständliche Stütz- und Futtermauer zwar aus zwei Bestandteilen bestehe, jedoch aufgrund der klaren Funktion als Einheit zu betrachten sei. Demgemäß wäre von einer Mauer in der Höhe von 2,55 m auszugehen, weshalb eine Ausnahme im Sinne des § 6 Abs. 8 des Baugesetzes von vornherein nicht in Frage komme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Einhaltung von Abstandsflächen im Sinne des § 6 des Vorarlberger Baugesetzes und in seinem Recht auf Versagung des Bauvorhabens verletzt.

Gemäß § 2 lit. i des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972 i.d.F. LGBl. Nr. 47/1983, ist Nachbar der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Nahverhältnis steht, daß mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes oder dessen vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen ist. Die subjektiv-öffentlichen Rechte, die das Baugesetz den Nachbarn einräumt, sind im § 30 des Baugesetzes taxativ aufgezählt. Im Beschwerdefall kommen hier folgende Bestimmungen in Betracht:

"§ 30

Einwendungen der Parteien, Übereinkommen

(1) Über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, ist in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:

...

b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft, Lärm, betrifft;

c) § 9 Abs. 1 hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes;

..."

Aus den im § 30 Abs. 1 lit. b BauG eigeräumten subjektiv-öffentlichen Rechten macht der Beschwerdeführer Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit hinsichtlich Luft und Lärm nicht geltend; es bleibt sohin zu überprüfen, ob durch das Bauvorhaben Rücksichten der Gesundheit insbesondere durch die Belichtung berührt werden können. Aus der Bestimmung des § 6 Abs. 3 des Baugesetzes ergibt sich, daß die Belichtungsverhältnisse grundsätzlich so zu berechnen sind, daß Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Innerhalb der Abstandsflächen darf gemäß § 6 Abs. 3 letzter Satz BauG ein Lichteinfall von 45 Grad zur Waagrechten, gemessen an der Fensterbrüstung, durch Böschungen, Stützmauern, Erhebungen udgl. nicht beeinträchtigt werden. Unbestritten ist, daß der geringste Abstand der längeren Stützmauer zum Grundstück des Beschwerdeführers 2,60 m beträgt und die Oberkante dieser Mauer 1,10 m über dem Niveau der unteren Stützmauer liegt. Wenn nun über die Oberkante der Mauer Licht in einem Winkel von 45 Grad einfällt, ändern sich die Belichtungsverhältnisse nur im Bereich über dem Niveau der unteren Stützmauer in einem Bereich bis 1,10 m, also noch innerhalb des Abstandes von 2,60 m zur Grundstücksgrenze. Durch die längere, auf der unteren Stützmauer aufgesetzten Stützmauer können sich daher die Belichtungsverhältnisse auf dem (tiefer liegenden) Grundstück des Beschwerdeführers nicht ändern.

Gemäß § 9 Abs. 1 des Baugesetzes dürfen Einfriedungen an der Grenze des Nachbargrundstückes dieses ohne Zustimmung des Nachbarn nicht um mehr als 1,80 m überragen. Gemäß § 6 Abs. 8 des Baugesetzes hat bei oberirdischen Bauwerken, ausgenommen Gebäude und Einfriedungen oder sonstige Wände bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück, der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m und bei unterirdischen Bauwerken mindestens 1 m zu betragen, falls der Nachbar nicht einem geringeren Abstand zustimmt und die im § 9 genannten Interessen nicht beeinträchtigt werden. Aus der Zusammenschau der § 30 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 9 Abs. 1 und § 2 lit. i des Baugesetzes ist zu folgern, daß hinsichtlich einer Einfriedung an der Grenze des Nachbargrundstückes dem Anrainer nur insoweit ein Mitspracherecht zusteht, als die Einfriedung das Nachbargrundstück um mehr als 1,80 m überragt (vgl. das h.g. Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 86/06/0232, BauSlg. Nr. 1074). Wenn zwei Stützmauern von einander soweit enfernt sind, daß der Lichteinfall von 45 Grad zur Waagrechten ausgehend von der Grundgrenze des Anrainers zur weiter enfernten Stützmauer keine Auswirkung in bezug auf die Belichtung auf das Grundstück des Beschwerdeführers zeigt, ist davon auszugehen, daß sie hinsichtlich der Abstandsbestimmungen zwei eigene Bauwerke darstellen. Doch selbst wenn man dem Beschwerdevorbringen folgt und die Höhen beider Mauern addiert, ergibt sich daraus nicht die Unzulässigkeit des Bauvorhabens:

die hintere, längere Stützmauer wäre dann insgesamt maximal 2,63 m hoch, sie liegt jedoch außerhalb der Abstandsfläche von 2 m, nämlich 2,60 m hinter der Grundgrenze, sodaß ihre Errichtung dort jedenfalls zulässig ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann § 6 Abs. 8 des Baugesetzes nicht entnommen werden, daß unter dem Begriff "sonstige Wände" nicht auch eine Stützmauer subsumiert werden kann. Gebäude sind aus der Bestimmung des § 6 Abs. 8 deshalb ausgenommen, weil die Gebäude betreffenden Abstandsbestimmungen bereits in den Absätzen 1 bis 6 geregelt sind. Die Ausnahme für Einfriedungen ergibt sich aus der Bestimmung des § 9 Abs. 1 des Baugesetzes. Aus der bereits zitierten Bestimmung des § 6 Abs. 3 letzter Satz BauG ergibt sich, daß die Errichtung von Böschungen und Stützmauern grundsätzlich innerhalb der Abstandsflächen zulässig ist, wenn der Lichteinfall nicht beeinträchtigt wird. Aus der Zusammenschau der Bestimmung des § 6 Abs. 3 letzter Satz und jener des § 6 Abs. 8 geht daher hervor, daß mit "sonstigen Wänden" jedenfalls auch Stützmauern gemeint sind. Die dem Nachbargrundstück näherliegende Stützmauer mit einer Höhe von maximal 1,53 m verletzt nach der Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 8 des Baugesetzes weder die Abstands- noch die Höhenbestimmung. Im Ergebnis ist daher die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer durch die Bewilligung der beiden Stützmauern in seinen Rechten nicht verletzt wurde.

Da somit schon die Beschwerde im Zusammenhalt mit dem angefochtenen Bescheid erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060081.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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