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L26004 Lehrer/innen Oberösterreich;Norm
BDG 1979 §115;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des NN in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Oberösterreich (Senat für Volks- und Sonderschullehrer) vom 23.12.1991, Zl. 1-DOK-3/3-1991, betreffend Disziplinarverfahren (Schuldspruch, Absehen von der Strafe), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Volksschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich; seine Dienststelle ist die Volksschule L.
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat G (Senat für Landeslehrer an Volks- und Sonderschulen) den Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 1. März 1990 schuldig erkannt, er hätte die ihm nach § 29 Abs. 1 LDG 1984 iVm § 18 Abs. 2 SchUG und § 11 Abs. 2 und § 14 der Leistungsbeurteilungsverordnung, BGBl. Nr. 371/1974, obliegenden Dienstpflichten vorsätzlich dadurch verletzt, daß er in den Jahreszeugnissen der Schuljahre 1986/87 und 1987/88 in der 3. und 4. Schulstufe der Volksschule L in mindestens fünf Fällen unrichtige Leistungsbeurteilungen vorgenommen hätte.
Weiters war der Beschwerdeführer - soweit für die Beschwerde von Relevanz - vom Verdacht der Verletzung des § 30 Abs. 1 LDG 1984 durch "Nichtbefolgung mündlicher und schriftlicher Weisungen betreffend die undifferenzierte Leistungsbeurteilung" gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 LDG 1984 mangels ausreichender Beweise freigesprochen worden.
Gemäß § 70 Abs. 1 Z. 2 LDG 1984 war über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage verhängt worden.
Die Disziplinaroberkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Oberösterreich als Disziplinarbehörde zweiter Rechtsstufe gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. Dezember 1991 der gegen den Schuldspruch erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte denselben. Auf Grund der vom Disziplinaranwalt gegen den Freispruch erhobenen Berufung behob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Freispruch und sprach unter einem aus, der Beschwerdeführer sei schuldig, "entgegen § 30 Abs. 1 LDG 1984 die Weisungen seines Dienstvorgesetzten hinsichtlich der Vornahme einer differenzierten Leistungsbeurteilung nicht befolgt zu haben". In Stattgebung der vom Beschwerdeführer erhobenen Strafberufung wurde ausgesprochen, daß gemäß § 83 LDG 1984 von der Verhängung einer Strafe abgesehen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Disziplinarverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 69 ff LDG 1984 einer Dienstpflichtverletzung als schuldig erkannt zu werden, durch unrichtige Anwendung der §§ 69, 72 leg. cit. iVm §§ 17, 18 SchUG sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung und die Bescheidbegründung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer zu den beiden Schuldsprüchen unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Einklang mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarbehörde erster Rechtsstufe vor, der angefochtene Bescheid hätte nicht erlassen werden dürfen, weil bereits Verjährung eingetreten sei. Die Disziplinarkommission erster Instanz habe durch die Disziplinaranzeige des Bezirksschulinspektors X vom 24. Juli 1989 Kenntnis vom Verdacht der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen erhalten. Die in § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 normierte sechsmonatige Verjährungsfrist sei im Zeitpunkt der am 31. Jänner 1990 erfolgten Zustellung des Einleitungsbeschlusses vom 29. Jänner 1990 bereits abgelaufen gewesen. Der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid sei daher inhaltlich rechtswidrig.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 5 Abs. 1 lit. j des O.ö. Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1986, LGBl. Nr. 18, obliegt dem Bezirksschulrat hinsichtlich der Landeslehrer für Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie für Polytechnische Lehrgänge die Vornahme von Erhebungen und die Erstattung der Disziplinaranzeige gemäß § 78 Abs. 2 LDG 1984.
Nach der Anordnung des § 92 Abs. 1 LDG 1984 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.
Im Grunde des § 72 Abs. 1 Z. 1 leg. cit., der die Überschrift "Verjährung" trägt, darf ein Landeslehrer wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde zur Kenntnis gelangt ist, eine Disziplinarverfügung (§ 100) erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet (§ 92) wurde.
Auch ein Schuldspruch mit Absehen von der Strafe nach § 83 LDG 1984 ist sohin nach Eintritt der Verjährung unzulässig.
Die gesetzliche Bezeichnung "Dienstpflichtverletzung" in der zuletzt wiedergegebenen Bestimmung ist irreführend, weil eine solche erst nach abschließender und verbindlicher Sachaufklärung vorliegen kann. § 72 Abs. 1 LDG 1984 stellt vielmehr auf die "Kenntnis" eines Verhaltens des Beamten ab, das den Verdacht einer schuldhaften Verletzung von Dienstpflichten nahelegt.
"Kenntnis" ist positives Wissen um die wesentlichen Sachverhaltselemente. Woher die Kenntnis stammt, ist dagegen rechtens nicht entscheidend. Sie kann etwa auf eigenen Recherchen der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Disziplinarkommission oder - wie im Beschwerdefalle - auf einer nach § 78 Abs. 2 LDG 1984 erstatteten Disziplinaranzeige beruhen.
Im Beschwerdefalle war die Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat G durch die bei den Akten des Verwaltungssverfahrens erliegende Disziplinaranzeige des für den Bezirksschulrat tätig gewordenen Bezirksschulinspektors X vom 24. Juli 1989 vom Verdacht der dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten schuldhaften Verletzung von Dienstpflichten in Kenntnis gesetzt worden. Sie hätte daher innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen dieser Disziplinaranzeige und Zustellung derselben durch den Vorsitzenden an den Disziplinaranwalt am 25. Juli 1980 die Einleitung des Disziplinarverfahrens gemäß § 92 Abs. 2 LDG 1984 beschließen und ihren Bescheid durch Zustellung erlassen müssen.
Das diesbezügliche Untersuchungsverfahren ist im Interesse und zum Schutz des Beamten beschleunigt durchzuführen (vgl. im Zusammenhang die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 27. April 1989, Zl. 88/09/0004, und die dort zitierte Vorjudikatur). Diesem Ziel dient die in § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 normierte Sechsmonatsfrist.
Wird der Einleitungsbeschluß - wie im Beschwerdefall - erst nach Ablauf dieser Frist erlassen (nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens erfolgte die Zustellung an den Beschwerdeführer am 31. Jänner 1990), so ist die Tat verjährt.
Es war daher rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zu Schuldsprüchen kam, obwohl sie wegen Verjährung im Disziplinarverfahren einen Freispruch zu fällen gehabt hätte (§ 95 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z. 3 LDG 1984).
Indem die belangte Behörde die Rechtslage verkannte und den Beschwerdeführer trotz Eintrittes der von Amts wegen wahrzunehmenden Verfolgungsverjährung der Verletzung von Dienstpflichten schuldig erkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher schon aus diesem Grunde gemäß dem § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG von einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090039.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
29.04.2010