TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/21 91/09/0100

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;
50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

GewO 1973 §1;
GewO 1973 §367 Z1;
GewO 1973 §9 Abs1;
HKG 1946 §1 Abs1;
HKG 1946 §3 Abs1;
HKG 1946 §3 Abs2;
HKG 1946 §45 Abs1;
HKG 1946 §45 Abs2 litd;
HKG 1946 §45 Abs3;
HKWO 1969 §9;
VwGG §27;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des NN, Listenführer und Zustellungsbevollmächtigter der Wählergruppe "P-Fachliste in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Ungültigerklärung der am 5. Juni 1990 erfolgten Wahl des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten F in T zum Fachgruppenvorsteher (Innungsmeister) der Wiener Steinmetzmeister, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 5 iVm § 62 VwGG wird der Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers vom 2. Juli 1990 gegen den Bescheid der Hauptwahlkommission der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 19. Juni 1990, Zl. Abt. I 9.443/90/Dr.Nay/Schl, in Handhabung des § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und die am 5. Juni 1990 stattgefundene Wahl für ungültig erklärt; gleichzeitig wird gemäß § 92 Abs. 4 iVm § 91 Abs. 3 und 5 HKG und gemäß § 22 Abs. 6 HKWO angeordnet, daß die Neuwahl zum Fachgruppenvorsteher unverzüglich ausgeschrieben und in der Folge neu durchgeführt wird.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der beantragten Höhe von S 5.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Hauptwahlkommission der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien mit Bescheid vom 19. Juni 1990 einen vom Beschwerdeführer als Listenführer der wahlwerbenden Gruppe "P-Fachliste der Wiener Steinmetzmeister" bei der Wahl des Fachgruppenvorstehers (Innungsmeisters) und der beiden Stellvertreter in der Landesinnung Wien der Steinmetzmeister gegen die am 5. Juni 1990 erfolgte Wahl des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Mitbeteiligten zum Fachgruppenvorsteher (Innungsmeister) der Wiener Steinmetzmeister fristgerecht erhobenen Einspruch gemäß § 25 iVm § 22 Abs. 4 der Handelskammer-Wahlordnung, BGBl. Nr. 364/1969 (HKWO), als unbegründet abgewiesen.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde führte der Beschwerdeführer im Einklang mit seinem bisherigen Vorbringen im Einspruch im wesentlichen aus, der zum Fachgruppenvorsteher (Innungsmeister) der Wiener Steinmetzmeister gewählte Mitbeteiligte verfüge nicht über die in § 45 Abs. 3 des Handelskammergesetzes, BGBl. Nr. 182/1946, idF der 5. Handelskammergesetz-Novelle, BGBl. Nr. 400/1974 (HKG), bzw. in § 9 HKWO normierten Voraussetzungen zum passiven Wahlrecht der Gewerbeausübung seit mindestens einem Jahr, gerechnet vom Tage der Wahlausschreibung, an einem Wiener Standort. Wie aus den vorgelegten Urkunden, insbesondere dem Recherchenbericht der Detektei "XY" vom 22. Feber 1990, unbestreitbar hervorgehe, übe der Mitbeteiligte am Standort in Wien 12, A-Straße 8/38, das Gewerbe eines Steinmetzmeisters nicht aus. Die Hauptwahlkommission der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vermeine zu Unrecht, sich mit dem urkundlich belegten Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandersetzen und lediglich ausführen zu müssen, daß der Umfang der Gewerbeausübung von der Wahlbehörde nicht zu prüfen sei. Nach Meinung der Hauptwahlkommission genüge auch etwa eine büromäßige Tätigkeit, wie dies bei vielen Wiener Mitgliedsunternehmern der Fall wäre. Dies setze allerdings eine büromäßige Tätigkeit voraus. Aus den vorgelegten Urkunden ergebe sich aber, daß seitens des Mitbeteiligten nicht einmal eine solche büromäßige Tätigkeit in Wien entfaltet werde, weil er am genannten Standort überhaupt nicht über ein Büro verfüge.

Mit an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gerichteten Schriftsatz vom 17. August 1990 führte der Beschwerdeführer unter Vorlage einer Fotokopie des Erhebungsberichtes des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung für den nn. Bezirk, vom 2. April 1990 betreffend die Nichtausübung des Steinmetzgewerbes an dem das passive Wahlrecht begründenden Standort in Wien 12, A-Straße 8/38 und eines "Geschäfts-Rundschreibens" der F-GmbH in T, ergänzend aus, damit werde bestätigt, daß eine Gewerbeausübung seitens des Mitbeteiligten am angegebenen Standort in Wien nie vorgelegen sei.

Da der angerufene Bundesminister in dieser Angelegenheit untätig blieb, erhob der Beschwerdeführer die vorliegende, auf Art. 132 B-VG im Zusammenhalt mit § 27 VwGG gestützte, hier am 14. Juni 1991 eingelangte Säumnisbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete über diese Beschwerde gemäß dem § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und stellte es der belangten Behörde gemäß dem § 36 Abs. 2 VwGG frei, innerhalb einer mit drei Monaten bestimmten Frist den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides vorzulegen.

Die belangte Behörde machte auch von dieser ihr gebotenen Gelegenheit, ohne Gründe für die Untätigkeit darzulegen, nicht Gebrauch, sodaß die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers vom 2. Juli 1990 auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen ist, der nach Anhörung des Mitbeteiligten zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Erhebungsbericht des Magistrates der Stadt Wien vom 2. April 1990 in der Sache selbst erwogen hat:

Gemäß § 45 Abs. 1 HKG sind alle Mitglieder (§ 3 Abs. 2) der Landeskammern wahlberechtigt. Das Wahlrecht juristischer Personen und offener Handelsgesellschaften (Kommanditgesellschaften) wird durch mit Firmenvollmacht ausgestattete Vertreter ausgeübt. Nach der Anordnung des Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung sind nach Abs. 1 alle wahlberechtigten österreichischen Staatsbürger wählbar, die am Tage der Wahlausschreibung das 20. Lebensjahr vollendet haben, wenn die das Wahlrecht begründende Berechtigung durch den Wahlwerber, bzw. durch die juristische Person, deren Vertreter gewählt werden soll, seit mindestens einem Jahr ausgeübt wird. Die Verpachtung gilt nicht als Ausübung, wenn sie ununterbrochen länger als 48 Monate dauert.

Zunächst sieht sich der Gerichtshof dazu veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß über Wahlanfechtungen mit größtmöglicher Beschleunigung zu entscheiden ist. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Wahl sind ihrer Natur nach eilbedürftig, weil die Gefahr besteht, daß Personen ein ihnen nicht zustehendes Mandat während eines großen Teils der Wahlperiode tatsächlich ausüben, während derjenige, der bei Einhaltung eines ordnungsgemäßen Wahlverfahrens gewählt worden wäre, von der Ausübung des Mandats ferngehalten wird. Dies gilt gerade im Hinblick auf die durch den Gesetzgeber herausgehobene Rolle der Kammern der gewerblichen Wirtschaft als Selbstverwaltungskörper (§ 1 Abs. 1 HKG). Dieser Forderung kam der zunächst zur Streitentscheidung angerufene Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, ohne nähere Gründe für seine Untätigkeit darzulegen, nicht nach.

Gemäß § 3 Abs. 1 erster Satz HKG erstreckt sich der räumliche Wirkungsbereich der Landeskammern auf je ein Bundesland (Stadt Wien). Nach der Anordnung des Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Berechtigung zum selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs Voraussetzung für eine Kammermitgliedschaft.

Gemäß dem durch zweimalige Rechtsverweisung (vgl. § 45 Abs. 1 und 3 HKG) vom Tatbestandsbild der zuletzt zitierten Bestimmung mitumfaßten § 45 Abs. 3 HKG sind nur jene Mitglieder passiv wahlberechtigt, die diese Berechtigung seit mindestens einem Jahr - gerechnet vom Tage der Wahlausschreibung (§ 9 HKWO) - ausüben.

Bei Auslegung des Begriffes "ausüben" ist davon auszugehen, daß das bezeichnete verbum legale nach sprachgebräuchlicher Bedeutung ganz allgemein ein (berufliches) "Tätigsein" bezeichnet. In dieser Bedeutung findet der vorgestellte Begriff - darauf sei unter dem Gesichtspunkt der Auslegung des Wortes unter Bedachtnahme auf seinen systematischen Standort hingewiesen - auch in § 45 Abs. 2 lit. d HKG Verwendung.

Unter der "Ausübung" eines Gewerbes versteht auch die Gewerbeordnung 1973, wie sich aus deren § 1 (vgl. auch dessen Abs. 4 zweiter Satz) im Zusammenhalt mit dem übrigen Gesetzesinhalt ergibt, eine den Gegenstand des Gewerbes bildende Tätigkeit, wobei in eben dieser Bedeutung das Merkmal "ausübt" auch im § 367 Z. 1 und § 9 Abs. 1 GewO 1973 verwendet wird.

Gemäß § 93 GewO 1973 hat der Gewerbetreibende, wenn eine den Gegenstand des Gewerbes bildende Tätigkeit nicht entfaltet wird, das "Ruhen der Gewerbeausübung" der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft anzuzeigen. Die Unterlassung dieser Anzeige wird durch § 368 Z. 1 GewO 1973 unter Strafsanktion gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt auf Grund des vom Beschwerdeführer im Administrativverfahren der belangten Behörde vorgelegten Erhebungsberichtes des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung für den nn. Bezirk, vom 2. April 1990 betreffend die Nichtausübung des Steinmetzgewerbes seitens des Mitbeteiligten am Standort in Wien 12, A-Straße 8/38, als erwiesen an, daß an diesem Standort sachverhaltsbezogen seitens des Mitbeteiligten eine regelmäßige, zu seinem Geschäftskreis gehörende Tätigkeit NICHT entfaltet wird. Diesem bereits im Administrativverfahren feststehenden Sachverhaltselement vermochte der Mitbeteiligte im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Seine Ausführungen im Rahmen des ihm mit hg. Verfügung vom 9. März 1992 eingeräumten Parteiengehörs, denen zufolge "die Wohnung fallweise für Besprechungen bzw. für Zeichenarbeiten verwendet wird", weshalb es ihm wichtig sei, daß er "eine entsprechende Zustelladresse habe", sind vielmehr geeignet, die Richtigkeit der Ausführungen des Beschwerdeführers zum Sachverhalt zu unterstreichen.

Dem Vorbringen des Mitbeteiligten, er sei mit Wirkung vom 1. April 1990 zum geschäftsführenden Gesellschafter (mit 100 % der Geschäftsanteile) der Z-GmbH mit dem Sitz in Wien nn, S-Straße 203, bestellt worden, kommt deshalb keine rechtliche Relevanz zu, weil § 45 Abs. 3 HKG iVm § 9 Abs. 1 HKWO die Ausübung der das Wahlrecht begründenden Berechtigung durch den Wahlwerber bzw. durch die Personengesellschaft des Handelsrechtes oder die juristische Person, deren Vertreter gewählt werden soll, seit mindestens einem Jahr, gerechnet vom Tage der Wahlausschreibung, voraussetzt. Diese Einjahresfrist ist in Ansehung der in der Sonderausgabe der "Wiener Wirtschaft" vom 9. Mai 1990 erfolgten Veröffentlichung des Wahlvorschlages für die Landesinnung Wien der Steinmetzmeister (G 2) offenkundig nicht erfüllt.

Aus den angeführten Gründen war der Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Hinsichtlich der vom Spruch dieses Erkenntnisses nicht erfaßten - weil nicht bekämpften - Wahl des Mitbeteiligten in die Fachgruppe (Fachvertretung) wird die Aufsichtsbehörde in Handhabung der zwingenden Bestimmung des § 47 Abs. 4 HKG die entsprechenden Schritte zu setzen haben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf §§ 47 ff VwGG.

Schlagworte

Binnen 6 Monaten Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090100.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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