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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / Willkür keineLeitsatz
Abweisung eines Antrages auf Ablehnung eines Anwaltsrichters; keine gleichheitswidrige GesetzesanwendungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Zur Vorgeschichte genügt es, auf das in der gleichen Rechtssache bereits ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 1988 B765/87 zu verweisen, mit welchem einer Beschwerde in einer Disziplinarsache ua. gegen die Abweisung eines Ablehnungsantrages gegen einen Anwaltsrichter der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommssion für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) keine Folge gegeben wurde. Mit Bescheid der OBDK vom 5. Juli 1988, Z Bkd 53 - 55/87, wurde einem neuerlichen Ablehnungsantrag gegen den Anwaltsrichter Dr. E W keine Folge gegeben.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"Nach Bekanntgabe der Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission lehnte DDr. M N unter Berufung auf §55 e Abs3 DSt die Anwaltsrichter Dr. (K J) und Dr. E W im wesentlichen mit der Begründung als befangen ab, weil sie sich von der Äußerung des damaligen Präsidenten des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich Dr. S in der Hauptversammlung der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich am 3. Dezember 1983 nicht distanziert hätten, der eine Anfechtung von Entscheidungen der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission beim Verfassungsgerichtshof als mutwillige Verfahrensverzögerung und als Eindringen von Sand ins Getriebe des Disziplinarrates bezeichnet habe, weil ohnedies wieder dasselbe herauskomme.
Mit Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission vom 9. Juni 1987, Bkd 53-55/87 wurde ... der Ablehnung nicht Folge gegeben.
Die von DDr. M N gegen den vorgenannten Bescheid erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit dessen Erkenntnis vom 14. März 1988, B765/87-6, abgewiesen.
Noch vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes lehnte DDr. M N mit Schriftsatz vom 19. Juni 1987 neuerlich den Anwaltsrichter Dr. E W wegen Befangenheit ab. Als Befangenheitsgrund machte er dieses Mal zunächst geltend, daß Dr. E W an einem 'Erinnerungsverlust' leide, weil dieser in seiner Äußerung zu dem ersterwähnten Ablehnungsantrag hervorgehoben habe, daß er sich an die Äußerung des Präsidenten Dr. W S nicht mehr erinnern könne. Dr. E W sei jedoch in dem Verfahren Bkd 44/85 Stimmführer gewesen, das ebenfalls die vorgenannte Äußerung des Präsidenten Dr. S zum Gegenstand gehabt habe. Es sei daher ... nicht verständlich, daß sich Dr. E W ... an diese nicht mehr erinnern könne.
Dr. E W hat seine Stellungnahme vom 7. Mai 1987 wiederholt und sich zum neuerlichen Ablehnungsantrag des DDr. M N wie folgt geäußert:
'... In meinem Referentenbericht ... vom 18. Jänner 1985 ...
- ebenfalls bereits ein Jahr nach der inkriminierten Äußerung vom
3. Dezember 1983 - bin ich aus rechtlichen Erwägungen ... nicht
näher eingegangen. Lediglich aus einer handschriftlichen Notiz in diesem Akt konnte ich meine damalige Erinnerung ersehen 'daß die Äußerung des Präsidenten des Oberösterreichischen Disziplinarrates eine sachliche Begründung für vorhandene Rückstände war und keine wie immer gearteten Animositäten zum Ausdruck brachte'.
Darüberhinaus kann ich mich selbstverständlich nunmehr nach fast vier Jahren im einzelnen verständlicherweise noch weniger erinnern.'
...
Dr. E W hat somit keineswegs ins Treffen geführt, von der behaupteten Äußerung des Präsidenten des Disziplinarrates Dr. S überhaupt nichts zu wissen, sondern nur hervorgehoben, daß er sich an Einzelheiten derselben nicht mehr erinnern könne und ausdrücklich auf sein Referat in den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Akten Bkd 112/84 und 44/85 verwiesen. ... Es ist durchaus verständlich, daß sich Dr. E W an die genauen Einzelheiten der vor etwa dreieinhalb Jahren in der Hauptversammlung der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich von Dr. S abgegebenen Erklärungen nicht mehr genau erinnern konnte. Aus diesem Umstand kann daher auf eine Voreingenommenheit des Anwaltsrichters Dr. E W gegen den Ablehnungswerber in den eingangs erwähnten Disziplinarverfahren nicht geschlossen werden."
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich im wesentlichen im Aufzeigen - vermeintlicher - Widersprüche in der Wiedergabe der Äußerungen des abgelehnten Anwaltsrichters zu den vom Beschwerdeführer erhobenen beiden Ablehnungsanträgen. Im Bescheid vom 9. Juni 1987 habe es geheißen, daß Dr. E W sich nicht erinnern könne, wobei in diesem Bescheid auch die Frage aufgeworfen worden sei, ob die nach Meinung des Beschwerdeführers ihn diskriminierende Äußerung vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer oder des Disziplinarrates abgegeben worden sei. Dabei werde im angefochtenen Bescheid ebenso wie von Dr. E W übersehen, daß es um die Äußerung des Präsidenten der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer in der Vollversammlung vom 3. Dezember 1983 ging, in welcher dieser über anhängige Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof berichtete. Der Beschwerdeführer beantrage in diesem Zusammenhang, die seinerzeitigen Akten beizuschaffen. Fraglich erscheine es, wie Dr. E W damals imstande war, sich mit der Angelegenheit zu befassen, "wenn es zu derartigen Erinnerungsfehlern kommen kann". Qualifiziert mangelhaft erscheine das jetzige Verfahren, weil der Beschwerdeführer nie eine Aussage des Präsidenten des Oberösterreichischen Disziplinarrates releviert habe und auch den Namen Dr. W S niemals erwähnt habe. Der angefochtene Bescheid könne nur als "Ignorieren des Parteivorbringens, leichtfertiges Abgehen vom Inhalt der Akten oder Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes" beurteilt werden. Zudem erscheine die Sache "im Verfahren über (die) zweite Ablehnung zunehmend verworrener", wenn die belangte Behörde die Ansicht vertrete, den Antrag des Beschwerdeführers - gestützt auf das Argument des Erinnerungsverlustes - "dialektisch negieren zu können, (dabei aber übersehe), daß die Sachlage infolge der nunmehr angenommenen Erinnerungsfehler des Anwaltsrichters unlösbar wird".
3.2. Mit der vorliegenden Beschwerde wird gegen den angefochtenen Bescheid nichts von verfassungsrechtlicher Relevanz vorgebracht, was nicht bereits Gegenstand des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 1988 B765/87 war. Wenn der abgelehnte Anwaltsrichter sich nach Jahren darauf beruft, daß er sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern könne, und die belangte Behörde in diesem Umstand keinen geeigneten Sachverhalt erblickt, dem Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers Folge zu geben, ist dies keineswegs unvertretbar. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte ein gleichheitswidriges Verhalten der Behörde aber nur bei Willkür vorliegen, also dann, wenn der Behörde eine unsachliche Benachteiligung des Beschwerdeführers vorzuwerfen wäre oder wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch stünde (vgl. zB VfSlg. 10337/1985, 10338/1985). All dies liegt offenkundig nicht vor. Dem Verfassungsgerichtshof ist auch nicht erkennbar, worin die behauptete Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren gelegen sein könnte.
3.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte DisziplinarrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1584.1988Dokumentnummer
JFT_10108873_88B01584_00