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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 10. Dezember 1991, Zl. Präs 144-35/91/Wa/N, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin richtete am 16. Mai 1991 an die Handelskammer Kärnten den Antrag auf bescheidmäßige Vorschreibung der Einverleibungsgebühr (EVG, nunmehr gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991:
Eintragungsgebühr) betreffend einen neuen Standort in Klagenfurt.
Hierauf erließ der Obmann der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Kärnten am 31. Mai 1991 einen Bescheid, in dessen Einleitung er darauf hinwies, die Beschwerdeführerin habe in Klagenfurt eine neue Betriebsstätte errichtet, wofür ihr von der Sektion Handel gemäß § 57b Abs. 1 HKG eine EVG in der Höhe von S 15.000,-- vorgeschrieben worden sei. Der Spruch dieses Bescheides hatte folgenden Wortlaut:
"Dem rechtzeitig vorgebrachten Begehren der ... Beschwerdeführerin ... wird entsprochen. Die Höhe der Einverleibungsgebühr für das Handelsgewerbe gem. § 103 Abs. 1 lit. b Ziff. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Einzelhandel, beträgt S 15.000,--. Der Normalsatz der Einverleibungsgebühr für dieses Gewerbe beträgt S 5.000,--. Bei der Vorschreibung war die Staffelung des Gebührensatzes nach § 57b Abs. 2 HKG zu berücksichtigen. Diese sieht vor, daß juristische Personen (Ges.m.b.H., Aktiengesellschaft) die Einverleibungsgebühr in dreifacher Höhe des Normalsatzes zu entrichten haben. Der Erlangung einer weiteren Berechtigung ist die Anzeige einer weiteren Betriebsstätte gleichzuhalten."
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. darauf hingewiesen, daß die Sektionsleitung des Kärntner Handels am 11. Oktober 1974 im Einvernehmen mit den zuständigen Landesgremien einstimmig beschlossen habe, die entsprechende EVG mit S 5.000,-- festzusetzen. Dieser Beschluß sei von der Landeskammer bestätigt und mit Erlaß des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 20. Feber 1976 genehmigt worden.
Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Dezember 1991 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Vorwürfe betreffend die Rechtspersönlichkeit jener Fachgremien, die die vorliegende EVG beschlossen hätten, beträfen die Frage der Gesetzmäßigkeit der als Verordnungen zu qualifizierenden EVG-Beschlüsse; darüber zu befinden, stehe der belangten Behörde nicht zu. Auch sei inzwischen der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1991, V 220-223/90-12, der Auffassung nicht gefolgt, daß bestimmte Landesgremien nicht existierten. Erhebungen der Bundeskammer hätten ferner ergeben, daß der im erstinstanzlichen Bescheid genannte EVG-Beschluß im Mitteilungsblatt der Kammer Kärnten "Kärntner Wirtschaft" vom 26. März 1976, Nr. 13, verlautbart und damit ordnungsgemäß kundgemacht worden sei. Die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Staffelungsregelung nach § 57b Abs. 2 HKG sei gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6, verfassungsrechtlich unbedenklich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der EVG von S 15.000,-- zu verweigern.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so beträgt etwa die EVG für Gesellschaften m.b.H. das Dreifache des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).
Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.
Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.
Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.
Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.
Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.
Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer gemäß § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.
Ähnliche Überlegungen sind hinsichtlich der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anzustellen, weil eine von der belangten Behörde nicht aufgegriffene Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten würde (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 571 angeführte Judikatur). Im Beschwerdefall stammt der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 57g Abs. 1 HKG von der Sektion Handel der Kärntner Landeskammer. Er ist ähnlich wie der angefochtene Bescheid nach seinem Inhalt und gemäß der Fertigungsklausel dem Sektionsobmann zuzurechnen, dessen Zuständigkeit zur Bescheiderlassung ebenfalls durch einen aktenkundigen, in den §§ 53a und 7 lit. f HKG gedeckten Delegierungsbeschluß der Sektionsleitung vom 4. Juli 1980 gegeben war.
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die "zuständigen Landesgremien" nicht dem Gesetz gemäß errichtet worden seien, weshalb ihnen die Rechtspersönlichkeit und damit die Fähigkeit gefehlt habe, rechtswirksam im Rang von Verordnungen stehende generelle EVG-Beschlüsse zu fassen. Zu dieser in der Beschwerde nicht mehr relevierten Frage ist auf das im angefochtenen Bescheid genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1991 sowie auf die Bestimmungen der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991, zu verweisen.
Im übrigen ist der Verwaltungsgerichtshof der Beantwortung dieser Frage wie bereits in seinem Erkenntnis vom 23. April 1992, Zl. 91/09/0161, auch im vorliegenden Beschwerdefall deshalb enthoben, weil - wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zutreffend aufzeigt - die eingeschrittenen Behörden es unterlassen haben, klarzustellen, welches Gremium überhaupt den der konkreten EVG-Vorschreibung zugrunde liegenden generellen EVG-Beschluß gefaßt hat. Der allgemeine Hinweis auf die "zuständigen Landesgremien" läßt nicht erkennen, wer als Verordnungsgeber aufgetreten ist. Dabei macht die Beschwerdeführerin mit Recht geltend, daß die "Sektionsleitung des Kärntner Handels" jedenfalls nicht gemäß § 57b Abs. 1 HKG für einen EVG-Beschluß zuständig gewesen ist. Ob und inwieweit die sogenannten "zuständigen Gremien", mit deren Einvernehmen der EVG-Beschluß gefaßt worden sein soll, in die erwähnte Beschlußfassung rechtlich eingebunden waren und daher auch als Verordnungsgeber anzusehen sind, kann weder den vorgelegten Akten noch dem angefochtenen Bescheid entnommen werden. Auch ist eine Kundmachung der behaupteten Verordnung zwar im angefochtenen Bescheid erwähnt, jedoch nicht aktenkundig.
Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die
in Verhandlung stehende Angelegenheit ... unter Anführung der
angewendeten Gesetzesbestimmungen ... zu erledigen. Gegen diese
Verfahrensvorschrift hat die belangte Behörde verstoßen, indem
sie einen erstinstanzlichen Bescheid bestätigte, dem die
angewendeten Bestimmungen nicht unmißverständlich zu entnehmen
sind. Nun steht zwar die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG
hinsichtlich der dort geforderten Anführung der angewendeten
Gesetzesbestimmungen nicht schlechthin unter der Sanktion der
Rechtswidrigkeit, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung,
daß auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die
angewendeten Vorschriften (Gesetze oder auf solche gestützte
Rechtsverordnungen) nicht beseitigt (vgl. dazu die Erkenntnisse
des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986,
Zl. 86/02/0008, und vom 10. Jänner 1967,
Zl. 739/66 = Slg. 7051/A, u.a.). Läßt aber ein Bescheid eine
taugliche Rechtsgrundlage nicht erkennen und ist diese auch
weder aus dem vorangegangenen unterinstanzlichen Bescheid noch
aus der Aktenlage zu erschließen, dann ist dieser Verstoß gegen
eine Verfahrensvorschrift relevant, weil er den
Beschwerdeführer an der zweckmäßigen Verfolgung seiner Rechte
und den Verwaltungsgerichtshof an der Wahrnehmung seiner
verfassungsgemäßen Kontrollbefugnis hindert (vgl. dazu das
Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1964,
Zl. 1287/63 = Slg. 6407/A). Da die konkrete EVG-Vorschreibung
im Beschwerdefall gesetzwidrig wäre, wenn sie nicht auf einer
ordnungsgemäß zustande gekommenen und kundgemachten Verordnung
des zuständigen Gremiums beruhte, ist somit das Verfahren durch
Klarstellung der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides
ergänzungsbedürftig.
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weil die belangte Behörde bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991090245.X00Im RIS seit
21.05.1992