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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Betreff
Der VwGH hat über den Antrag des FA, der JA und von K und IA, alle in F, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in D, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung zur Ergänzung ihrer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. Dezember 1991, Zl. 890.654/6-VI/12a-91, betreffend Ersatzbescheid in einer Angelegenheit des Bundesstraßenrechtes im Verfahren zu Zl. 92/06/0021, des Verwaltungsgerichtshofes (mitbeteiligte Partei: Bund-Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Vorarlberg), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird STATTGEGEBEN.
Begründung
Die Beschwerdeführer haben am 20. Jänner 1992 zu Zl. 92/06/0021 eine Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. Dezember 1991, Zl. 890.654/2-VI/12a-91, eingebracht. Vor Einleitung des Vorverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde den Beschwerdeführern die Beschwerde zur Ergänzung binnen zwei Wochen durch Beilegung einer vollständigen Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides zurückgestellt. Innerhalb dieser Frist wurde der Ergänzungsauftrag deshalb nicht ordnungsgemäß erfüllt, weil die nachgebrachte Bescheidausfertigung insofern (wiederum) unvollständig war, als die Seite zwei fehlte. Diese Verfahrenssituation führte zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1992, Zl. 92/06/0021. Dieser Einstellungsbeschluß wurde den Beschwerdeführern z. Hd. ihres ausgewiesenen Vertreters am 30. März 1992 zugestellt.
Die Beschwerdeführer beantragen nunmehr mit ihrer am 7. April 1992 zur Post gegebenen Eingabe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Mängelbehebung und legen gleichzeitig zwei vollständige Bescheidausfertigungen des angefochtenen Bescheides vor. Zur Begründung dieses Antrages wird ausgeführt, die ihnen zugekommene Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sei beidseitig bedruckt gewesen, hingegen sei ihre Beschwerde zur leichteren Lesbarkeit und einfacheren automatischen Vervielfältigung nur einseitig reingeschrieben worden. Bei dem im Kopiergerät regelmäßig einseitigen Kopiervorgang sei die Rückseite - zwei - des Bescheidoriginals versehentlich nicht mitkopiert und daher unvollständig abgefertigt worden. Aufgrund des hg. Mängelbeseitigungsauftrages vom 7. Februar 1992 habe die sehr verläßliche Kanzleikraft befunden, daß der angefochtene Bescheid wie vermerkt und gestempelt der Beschwerde beigelegen sei; hierauf habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer in der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofes selbst angerufen und diesem Telefonat entnommen, es seien nur noch weitere Ausfertigungen von Beschwerde und Beilage vorzulegen. Der konkrete Mangel der fehlenden Seitenkopie - zwei - sei weder in der Aufforderung noch bei der telefonischen Rückfrage benannt worden. Angesichts der höchst verläßlichen Kanzleikraft sowie der bekannt genauen Arbeit der Kanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer sei der Mangel des Fehlens dieser einen Seitenkopie nur als ein minderer Grad des Versehens anzusehen, dem daher die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht entgegenstehe.
Die hg. Verfügung vom 7. Februar 1992, Zl. 92/06/0021-2 hat (im hier relevanten Bereich) nachstehenden Wortlaut: "Es ist, sofern der Bescheid zugestellt worden ist, eine vollständige Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen (§ 28 Abs. 5 VwGG)."
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jener Bediensteten gegenüber nachgekommen ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 S. 657 zitierte Judikatur).
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß es zur Versäumung der Frist zur Ergänzung der ursprünglichen Beschwerde zu Zl. 92/06/0021 auf die Weise gekommen ist, die im Wiedereinsetzungsantrag beschrieben wurde. Dazu kommt, daß in der Urschrift des zitierten Mängelbeseitigungsauftrages das Wort "vollständig" unterstrichen und damit das Erfordernis der VOLLSTÄNDIGEN BESCHEIDVORLAGE ausdrücklich hervorgehoben wurde, diese Hervorhebung aber in der Ausfertigung der hg. Verfügung unterblieben ist. Darüber hinaus ist dem Rechtsvertreter der Wiedereinsetzungswerber zuzubilligen, daß er offenbar durch eine unrichtige Auskunft der Geschäftsstelle in die Irre geführt wurde.
Die Fristversäumung ist bei dieser Sachlage auf ein für die Beschwerdeführer unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zurückzuführen, ohne daß dem Beschwerdeführervertreter dabei ein GROBES Verschulden zur Last gelgegt werden könnte. Es war daher dem gemäß § 46 Abs. 2 VwGG rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben.
Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren gemäß § 46 Abs. 5 VwGG in jene Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Die Ergänzung der Beschwerde durch Vorlage zweier weiterer, nunmehr vollständiger Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides, wird daher als rechtzeitig zu behandeln und das Vorverfahren über die Beschwerde durch gesonderte Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes neuerlich einzuleiten sein.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992060071.X00Im RIS seit
27.03.2001