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L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde der Stadtgemeinde K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. November 1988, Zl. 7 - 48 Wo 13/1 - 1988, betreffend Aufschließungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgenossenschaft E, regGen mbH in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 25. Februar 1982, Zl. 131-9/4-1982/Ma/Kr, wurde der Mitbeteiligten gemäß § 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. 149 (Stmk. BO), hinsichtlich der im Siedlungsgelände "A" gelegenen Grundstücke Nr. 769/11 und 769/12, KG D, die Widmungsbewilligung für die Errichtung näher genannter Wohnbauten erteilt.
Mit weiterem Bescheid vom 10. März 1982 erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde der Mitbeteiligten die Baubewilligung für 34 Wohnungen und eine Tiefgarage auf den Grundstücken Nr. 769/11 und 769/12, KG D.
Mit dem "Für den Bürgermeister der Stadtbaudirektor" gezeichneten Schreiben vom 25. Oktober 1985 wurde der Mitbeteiligten auf Grund ihrer Anfrage vom 23. Oktober 1985 folgendes mitgeteilt:
"In der Niederschrift zur Bau- und Widmungsverhandlung vom 28.1.1982 für die zwei Wohnhausgruppen am A wurde die Einhebung eines Aufschließungsbeitrages entsprechend der Stmk. BO. 1968 angekündigt, im Bescheid vom 25.2.1982 jedoch nicht mehr vorgeschrieben, da in der Zwischenzeit in den Vorberatungen zur Gemeinderatssitzung die Einhebung des Aufschließungsbeitrages zurückgestellt und erst mit GR.-Beschluß vom 6.7.1982, d.h. nach Rechtskraft Ihres Bescheides, beschlossen wurde.
Für die mit Bescheid vom 25.2.1982, GZ.: 131-9/4-1982, erteilte Widmungsbewilligung ist daher kein Aufschließungsbeitrag zu entrichten."
Mit Bescheid der beschwerdeführenden Gemeinde vom 24. März 1988 wurde der Mitbeteiligten (neuerlich) die Baubewilligung zur Errichtung von 34 Wohneinheiten und einer Tiefgarage auf dem Grundstück Nr. 769/12 der Katastralgemeinde D erteilt.
Mit Bescheid vom 28. Juni 1988 schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde der Mitbeteiligten gem. § 6a Stmk. BO in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 6. Juli 1982 auf Grund der Baubewilligung vom 24. März 1988 einen Aufschließungsbeitrag von S 364.190,-- vor. Dieser Aufschließungsbeitrag sei mit Rechtskraft des genannten Bescheides am 7. Mai 1988 fällig geworden, da die Aufschließungsarbeiten bereits fertiggestellt worden seien.
Dagegen erhob die Mitbeteiligte Berufung.
Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 5. Oktober 1988 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde hiezu ausgeführt, der im Widmungsbescheid vom 25. Februar 1982 angekündigte Aufschließungsbeitrag habe, da der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde die Einhebung eines Aufschließungsbeitrages erst mit 6. Juli 1982 beschlossen habe, auf Grund der Widmungsbewilligung nicht mehr vorgeschrieben werden können. Die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages sei auf Grund der Baubewilligung vom 24. März 1988 gestützt auf § 6a Abs. 2 Stmk. BO vorgenommen worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die Steiermärkische Landesregierung der dagegen erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten Folge, behob den Bescheid des Gemeinderates vom 5. Oktober 1988 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Stadtgemeinde. Dies im wesentlichen mit der Begründung, mit der Übergangsregelung des § 6a Abs. 2 Stmk. BO habe der Gesetzgeber den Zweck verfolgt, für vor der Bauordnungsnovelle 1974 erteilte Widmungsbewilligungen (bzw. wenn die Zuordnung des widmungsgegenständlichen Grundstückes zum Bauland kraft eines generellen Verwaltungsaktes für nach der Bauordnungsnovelle 1974 erteilte Widmungsbewilligungen nicht möglich gewesen sei) die Abgabepflicht mit der Erteilung der Baubewilligung auszulösen. Wenn einer Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages aus Anlaß der erstmaligen Widmung lediglich der Umstand im Wege gestanden sei, daß die Gemeinde entgegen dem Gebot des § 6a Abs. 6 leg. cit. die einheitliche Festlegung des Einheitssatzes durch Verordnung des Gemeinderates unterlassen habe, könne darin kein Anwendungsfall des § 6a Abs. 2 leg. cit. erblickt werden. Eine gegenteilige Auslegung würde dieser Regelung eine Sanierungsfunktion zur Behebung von Versäumnissen des Verordnungsgebers zuschreiben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Stadtgemeinde in ihrem Recht verletzt, daß der Bescheid ihres Gemeinderates vom 5. Oktober 1988 nicht aufgehoben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erstatteten je eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6a Stmk BauO in der am 1. November 1974 in Kraft getretenen Fassung der Bauordnungsnovelle 1974, LGBl. Nr. 130, lautet:
"(1) Für die im Bauland (§ 23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127) gelegenen Grundstücke hat die Gemeinde aus Anlaß der erstmaligen Widmungsbewilligung, soweit nicht eine Verpflichtung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen besteht, einen Aufschließungsbeitrag für Fahrbahnherstellung, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung zu erheben. Der Aufschließungsbeitrag ist gleichzeitig mit der Erteilung der Widmungsbewilligung vorzuschreiben. Der Aufschließungsbeitrag wird zu einem Drittel mit Rechtskraft des Widmungsbescheides, zu einem Drittel zu Beginn der Aufschließungsarbeiten und zu einem Drittel einen Monat nach Fertigstellung der Aufschließung fällig. Ist die Aufschließung zum Zeitpunkt der Erteilung der Widmungsbewilligung fertiggestellt, wird der Aufschließungsbeitrag zur Gänze mit Rechtskraft des Widmungsbescheides fällig.
(2) Für die im Bauland gelegenen Grundstücke, für die eine Widmungsbewilligung, jedoch keine Baubewilligung vorliegt, ist der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Baubewilligung vorzuschreiben. Hinsichtlich der Fälligkeit gilt Abs. 1 sinngemäß. Der Aufschließungsbeitrag darf für dasselbe Grundstück nur einmal vorgeschrieben werden.
..."
In nicht rechtswidriger Weise ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß es sich bei der Vorschrift des § 6a Abs. 2 leg. cit. lediglich um eine Übergangsregelung handelt, mit der jene Fälle erfaßt werden sollten, in denen vor dem Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1974 eine Widmungsbewilligung, jedoch noch keine Baubewilligung erteilt worden war (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1987, VfSlg. 11466/1987, sowie die hg. Erkenntnisse vom 27. November 1978, Zl. 1006/78, und vom 6. Dezember 1978, Zl. 1584/78, in denen der Verwaltungsgerichtshof in Bestätigung der diesbezüglichen Auffassung der damals belangten Behörde gleichfalls darauf abgestellt hat, daß am 1. November 1974 - dem Tag des Inkrafttretens der Bauordnungsnovelle 1974 - jeweils bereits die Widmungsbewilligung, jedoch noch keine Baubewilligung vorlag).
Zutreffend hat daher auch die belangte Behörde weiters erkannt, daß - weil die Widmungsbewilligung im vorliegenden Fall erst nach Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1974 erteilt wurde - § 6a Abs. 2 leg. cit. nicht Anwendung finden konnte. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde wurde daher durch die mit dieser tragenden Begründung erfolgte Aufhebung des Bescheides ihres Gemeinderates in ihren Rechten nicht verletzt.
Hiebei kann offen bleiben, ob - entsprechend der im Schreiben vom 25. Oktober 1985 (dem im übrigen Bescheidcharakter nicht zukommt) vertretenen Auffassung - der Umstand, daß der Einheitssatz zum Aufschließungsbeitrag erst am 6. Juli 1982 beschlossen wurde, die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages auf Grund der Widmungsbewilligung vom 25. Februar 1982 hinderte oder nicht. Denn die im § 6a Abs. 1 leg. cit. enthaltene Bestimmung, der Aufschließungsbeitrag sei gleichzeitig mit der Erteilung der Widmungsbewilligung vorzuschreiben, hat lediglich die Bedeutung, daß unter bestimmten Voraussetzungen AUS ANLASS der Widmungsbewilligung der Aufschließungsbeitrag zu erbringen ist (vgl. zur gleichartigen Rechtslage nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1992, Zl. 88/17/0144, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Wenn daher der Abgabenanspruch im Beschwerdefall allenfalls erst mit der Erlassung der Verordnung des Gemeinderates über die Festsetzung des Einheitssatzes im Jahre 1982 entstanden wäre, hätte die erwähnte Bestimmung über die "Gleichzeitigkeit" einer nunmehr erfolgten Vorschreibung nicht gehindert. Allerdings wäre dann der Abgabenanspruch nach den Bestimmungen der §§ 156 Abs. 2 und 157 der Stmk LAO im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides bereits verjährt gewesen.
Die beschwerdeführende Stadtgemeinde bringt noch vor, der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil laut Spruch des Bescheides der Vorstellung "gemäß § 66 (4) des AVG 1950" Folge gegeben worden sei. Nach dieser Gesetzesstelle könne ein Bescheid von der Berufungsbehörde "nach jeder Hinsicht" abgeändert werden, während ein Vorstellungsbescheid den bekämpften Bescheid der obersten Gemeindebehörde gem. § 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115 idF. LGBl. Nr. 14/76 (GemO), nur aufheben oder bestätigen könne. Auch hätten rechtzeitig eingebrachte Berufungen gem. § 64 AVG 1950 automatisch aufschiebende Wirkung, während Vorstellungen gem. § 94 Abs. 3 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 diese Wirkung nicht zukomme.
Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift an sich zutreffend entgegen, daß gem. § 104 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde, ausgenommen jenes nach § 100 (Verordnungsprüfung), ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes Anwendung finden. Allerdings erweist sich gerade § 66 Abs. 4 AVG zufolge der Sonderbestimmung des § 94 Abs. 5 GemO im Vorstellungsverfahren als unanwendbar. Durch dieses Fehlzitat wurde jedoch die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt, zumal im Spruch des angefochtenen Bescheides deutlich zum Ausdruck kommt, daß der Bescheid des Gemeinderates BEHOBEN wurde.
Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Mitbeteiligte hat Aufwandersatz nicht angesprochen.
Schlagworte
Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Verhältnis zu anderen Materien und Normen Aufsichtsbehördliches Verfahren (siehe auch Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen) Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im VorstellungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1988170250.X00Im RIS seit
21.05.1992