TE Vwgh Beschluss 1992/5/21 92/17/0079

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
BAO §308 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über den Antrag des F in J, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in N, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der der Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 28. Juni 1990, Zl. II-M-6-1990, betreffend Anschlußbeitrag (hg. Zl. 91/17/0181), anhaftenden Mängel, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Verfügung vom 26. November 1991 wurde der Beschwerdeführer im Verfahren zu Zl. 91/17/0181 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, verschiedene seiner Beschwerde anhaftende Mängel innerhalb von zwei Wochen, vom Tage der Zustellung dieser Zuschrift an gerechnet, zu beheben. Diese Verfügung wurde dem Beschwerdevertreter am 5. Dezember 1991 nachweislich zugestellt.

Mit Beschluß vom 17. Jänner 1992 stellte der Verwaltungsgerichtshof mangels einer bis dahin erfolgten Mängelbehebung das zu Zl. 91/17/0181 protokollierte Beschwerdeverfahren gemäß den §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG ein.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Mängelbehebungsfrist im wesentlichen mit folgender Begründung:

Sein seit dem Jahre 1959 als Rechtsanwalt tätiger Beschwerdevertreter beschäftige zwei Sekretärinnen. Um Irrtümer in der Vormerkung von Terminen und Fristen möglichst hintanzuhalten, werde in dessen Kanzlei bei Erledigung der eingehenden Post wie folgt vorgegangen: Eine Sekretärin entnehme die Post den Kuverts und staple die Poststücke übereinander. Der Beschwerdevertreter nehme sodann jedes Poststück selbst zur Hand und die erforderlichen Kalendervormerke vor und lege anschließend jedes Poststück in den zugehörigen, mittlerweile von der Sekretärin vorgelegten Akt ein. Diese seit nahezu 39 Jahren geübte Praxis habe noch nie zu einer Versäumung oder unrichtigen Vormerkung eines Termines oder einer Frist geführt. Im vorliegenden Fall sei nach Einlangen des hg. Beschlusses vom 17. Jänner 1992 in der Kanzlei des Beschwerdevertreters am 19. Februar 1992 zunächst der den Antragsteller betreffende Akt durchsucht worden, der hg. Mängelbehebungsauftrag vom 26. November 1991 sei dort jedoch nicht aufgefunden worden. Daraufhin sei begonnen worden, alle rund fünfhundert anhängigen Kanzleiakten nach diesem Auftrag zu durchsuchen. Schließlich sei derselbe in einem anderen Akt des Beschwerdevertreters unterhalb eines am gleichen Tag eingelangten Schriftstückes an diesem leicht anklebend aufgefunden worden. Dies sei darauf zurückzuführen, daß bei der Stapelung der Poststücke "offenbar durch geringe Reste des Kuvertklebstoffes eines der beiden Kuverts" diese Schriftstücke nahezu deckungsgleich zusammengeklebt hätten. Durch dieses unvorhergesehene Ereignis sei die Vormerkung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde und damit auch die Ergänzung selbst unterblieben.

Im Wiedereinsetzungsantrag wurde zugleich auch die aufgetragene Mängelbehebung vorgenommen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. Nr. 564, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verschuldens handelt.

Richtig ist zunächst, daß ein Tatsachenirrtum über das Ende einer für das verwaltungsgerichtliche Verfahren bedeutsamen Frist ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG darstellen kann. Auf einem minderen Grad des Verschuldens beruht dieses allerdings dann nicht, wenn der Antragsteller oder sein Vertreter - dessen Verschulden nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Verschulden der Partei selbst an der Fristversäumung gleichzuhalten ist - auffallend sorglos gehandelt hat. Dies wäre der Fall, wenn eine der genannten Personen die im Verkehr mit den Gerichten für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten ihr zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen hätte (vgl. hiezu beispielsweise den hg. Beschluß vom 28. April 1987, Zl. 86/14/0177).

Im vorliegenden Fall hat der Vertreter des Antragstellers die erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in der Tat außer acht gelassen. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte ihm nämlich das Aneinanderkleben von zwei nicht zusammengehörigen Schriftstücken unbedingt auffallen müssen; von einem nur minderen Grad des Versehens kann - auch im Vergleich mit der Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes bei von ihm wahrgenommenen behördlichen Fristen - in einem Fall wie dem vorliegenden nicht gesprochen werden. Dem Antrag konnte sohin nicht stattgegeben werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992170079.X00

Im RIS seit

21.05.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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