Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des Vereins X in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 10. April 1991, Zl. MD-VfR - H 8/91, betreffend Nachsicht von Gebrauchsabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 35, vom 2. August 1990 wurde dem beschwerdeführenden Verein die Erlaubnis erteilt, von Samstag, dem 1. September 1990, 10.00 Uhr, bis Sonntag, dem 2. September 1990, 22.00 Uhr, den öffentlichen Grund und den darüber befindlichen Luftraum in Wien I, Rathausplatz, durch eine Open-Air-Konzertveranstaltung mit Aufstellung eines Regie- und eines Versorgungswagens sowie von 20 Nahrungsmittel- und Souvenirständen benützen zu dürfen. Gleichzeitig wurde für die Erlaubnis zum Gebrauch des öffentlichen Grundes bzw. des darüber befindlichen Luftraumes eine einmalige Gebrauchsabgabe von S 4.000,-- festgesetzt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1990 ersuchte der beschwerdeführende Verein um "Rückzahlung" der Gebrauchsabgabe in Höhe von S 4.000,--; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß der gesamte Erlös der genannten Veranstaltung einem Kinderschulprojekt in Afrika zugeflossen sei. Die Abgabe könne nicht an die Nutznießer der Platzbenützung, nämlich an die "Standler weitergegeben werden". Der Betrag würde sohin den Erlös um S 4.000,-- verkürzen. Anzumerken sei noch, daß im Projektgebiet der Bau eines kompletten Schulgebäudes nicht einmal S 100.000,-- koste. Man könne daraus ersehen, wie wertvoll daher jeder Schilling sei.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 1990 gab der Magistrat der Stadt Wien, MA 35, diesem als Ansuchen um Nachsicht der Gebrauchsabgabe gemäß § 182 WAO aufgefaßten Antrag keine Folge. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Gebrauchsabgabe hätte den Nutznießern der Platzbenützung (den "Standlern") vorgeschrieben werden können, umso mehr als bei der Ortsaugenscheinsverhandlung auf die Gebrauchsabgabe aufmerksam gemacht worden sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, es sei richtig, daß anläßlich der Ortsaugenscheinsverhandlung auf die Gebrauchsabgabe und sogar auf deren Höhe hingewiesen worden sei. Nicht hingewiesen worden sei jedoch auf die Möglichkeit, diese Gebrauchsabgabe den "Standlern vorzuschreiben" bzw. weiterzuverrechnen. Außerdem werde die Berücksichtigung des karitativen Zwecks der gegenständlichen Veranstaltung beantragt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Sie führte hiezu aus, es könne dann nicht von Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe ausgegangen werden, wenn der Beschwerdeführer die entrichtete Abgabe, die für ihn einen Kostenfaktor bei einer öffentlichen Veranstaltung darstelle, weiterverrechnen könne. Daß Kosten an jene weitergegeben werden könnten, die den Vorteil aus einer Sache zögen, sei evident gewesen und entspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens. Die Behörde erster Instanz sei daher nicht gehalten gewesen, Rechtsauskünfte zu erteilen. Es sei Sache des Veranstalters, insbesondere wenn der Erlös karitativen Zwecken zufließen solle, die Kosten einer öffentlichen Veranstaltung zu kalkulieren und durch gezielte Planung zu minimieren. Inwieweit Kosten aus den Veranstaltungen heute noch gegenüber Dritten einbringlich gemacht werden könnten, hänge in erster Linie von den Vereinbarungen ab, die der Veranstalter mit den Nutznießern des öffentlichen Gemeindegrundes geschlossen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Abgabennachsicht verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid (offenbar gemeint: wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 182 Abs. 1 WAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach Abs. 2 erster Satz dieser Gesetzesstelle findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auch zum inhaltsgleichen § 236 Abs. 1 BAO, setzt der Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder des Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementes voraus, aus dem sich ein wirtschaftliches Mißverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den in jenem subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt. Dies wird insbesondere immer dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, daß die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind. Jedenfalls muß es zu einer ANORMALEN Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem ATYPISCHEN Vermögenseingriff kommen. Eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann gegeben sein, wenn bei Anwendung des Gesetzes im Einzelfall ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Die zitierte Bestimmung soll der Abgabenbehörde die Möglichkeit eröffnen, eine infolge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern. Nachteilige Folgen, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage treffen, Konjunkturschwankungen oder Geschäftsvorfälle, die dem Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen sind, rechtfertigen eine Nachsicht nicht (vgl. hiezu das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 88/17/0218, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).
Im Nachsichtsverfahren ist es hiebei Sache des Nachsichtswerbers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluß jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. auch hiezu das oben angeführte Erkenntnis).
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde sei nicht darauf eingegangen, daß die Veranstaltung karitativen Zwecken gedient habe und der Erlös zur Gänze notleidenden Menschen in Afrika habe zugute kommen sollen. Der Beschwerdeführer habe bereits in seinem Antrag vom 4. Oktober 1990 darauf hingewiesen, wie wichtig der genannte Betrag für das Schulprojekt in Afrika sei. Damit stehe die Einbringung der (nach österreichischen Verhältnissen) geringfügigen Abgabe in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den Nachteilen, die sich daraus für die Tätigkeit des Beschwerdeführers ergäben.
Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht entgegen, daß das Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. für Wien Nr. 20, keinen Ausnahmetatbestand von der Entrichtung der Gebrauchsabgabe für gemeinnützige Institutionen (oder auch Zwecke) kennt. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, daß bei der Entrichtung von Gebrauchsabgabe für eine karitativen Zwecken dienende Veranstaltung ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt oder daß der Gesetzgeber diese Auswirkung der Abgabenvorschriften, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.
Der Beschwerdeführer meint weiters, hätte er die Gebrauchsabgabe den "Standlern" weiterverrechnet, so hätten sich insofern deren Einkünfte verringert, was wieder dazu geführt hätte, daß sie davon einen geringeren Teil an den Beschwerdeführer abgeliefert hätten. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Unmöglichkeit der Überwälzung einer Abgabe auf Kunden des Abgabepflichtigen im Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses bewegt und daher eine Nachsicht nicht rechtfertigt (vgl. das Erkenntnis vom 23. September 1988, Zl. 85/17/0121).
Da sohin der Beschwerdeführer das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit nicht dargetan hat, bestand für die belangte Behörde auch kein Anlaß, in den Bereich der Ermessensübung einzutreten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991170118.X00Im RIS seit
08.06.2001Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008