TE Vfgh Erkenntnis 1989/11/27 B777/89

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Veröffentlicht am 27.11.1989
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Index

13 Staatsvertragsdurchführung, Kriegsfolgen
13/02 Vermögensrechtliche Kriegsfolgen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Verletzung keine
Vermögensvertrag DDR
VerteilungsG DDR

Leitsatz

Keine Bedenken gegen §4 VerteilungsG DDR; keine Verletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Nach der Aktenlage des Verwaltungsverfahrens erwarb die Mutter der Beschwerdeführerin im Jahre 1939 eine in Potsdam - Wilhelmshorst, nunmehr DDR, gelegene Liegenschaft. Die Mutter war deutsche Staatsangehörige. Die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb sie (durch Verehelichung) erst am 15. Dezember 1945; sie behielt diese bis zu ihrem Tod (5. August 1986) bei. Ihre Alleinerbin und damit Rechtsnachfolgerin ist die Beschwerdeführerin.

b) Die Bundesverteilungskommission beim Bundesministerium für Finanzen stellte mit Bescheid vom 22. Mai 1989 gemäß §24 des Verteilungsgesetzes DDR, BGBl. 189/1988, fest, daß der von der Beschwerdeführerin angemeldete Anspruch auf Entschädigung für die Enteignung der eingangs erwähnten Liegenschaft nicht zu Recht bestehe.

Der Bescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"Entschädigung ist für Vermögensverluste österreichischer Staatsbürger zu leisten. Eine österreichische physische Person ist jede physische Person, die am 8.5.1945 und am 21.8.1987 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat. Ist eine solche Person vor dem 21.8.1987 verstorben und besaß sie sowohl am 8.5.1945 als auch im Zeitpunkt ihres Todes die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist die Entschädigung Rechtsnachfolgern zu leisten, die am 21.8.1987 österreichische Staatsbürger waren.

Im konkreten Fall steht fest, dies wird auch von der Antragstellerin gar nicht bestritten, daß ihre Mutter jedenfalls am 8.5.1945 noch nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besaß, mag sie auch Eigentümerin zu diesem Stichtag gewesen sein.

Da nicht die Eigentümereigenschaft, sondern ausschließlich die Staatsbürgerschaft an den genannten Stichtagen von entscheidender Bedeutung ist, war daher die österreichische Staatsbürgerschaft nur zum Todeszeitpunkt, nicht jedoch am 8.5.1945 gegeben."

2. Gegen diesen Bescheid der Bundesverteilungskommission wendet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Bundesverteilungskommission legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. 1.a) Dem Art1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen, BGBl. 188/1988, (Vermögensvertrag DDR) zufolge zahlt die DDR an die Republik Österreich einen bestimmten Betrag zur Abgeltung von vermögensrechtlichen Ansprüchen, die der Republik Österreich, österreichischen Staatsbürgern oder österreichischen juristischen Personen dadurch erwachsen sind, daß ihr Vermögen durch Übernahme in staatliche Verwaltung oder durch sonstige staatliche Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik in deren ausschließliche Verfügungsgewalt gelangt ist.

Art4 Abs1 des Vermögensvertrages DDR lautet:

"Als österreichische Personen im Sinne des Artikels 1 gelten Personen, die als physische Personen am 8. Mai 1945 sowie zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages (d.i. der 21. August 1987) die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen beziehungsweise besitzen oder als juristische Personen an diesen Stichtagen ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich hatten beziehungsweise haben."

b) §1 des VerteilungsG DDR (das den Vermögensvertrag DDR innerstaatlich durchführt) sieht vor, daß die von der DDR zu leistende (globale) Abgeltungssumme gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Leistung von Entschädigungen zu verwenden ist.

Nach §2 Z1 des Gesetzes sind Entschädigungen zu leisten

"für Vermögensverluste österreichischer physischer oder juristischer Personen, die diesen Personen dadurch erwachsen sind, daß ihr Vermögen durch Übernahme in staatliche Verwaltung oder durch sonstige staatliche Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik in deren ausschließliche Verfügungsgewalt gelangt ist".

Der hier insbesondere maßgebende §4 des VerteilungsG DDR lautet:

"(1) Eine österreichische physische Person im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jede physische Person, die sowohl am 8. Mai 1945 als auch am 21. August 1987 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hat.

(2) Ist eine physische Person vor dem 21. August 1987 verstorben und besaß sie sowohl am 8. Mai 1945 als auch im Zeitpunkt ihres Todes die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist die Entschädigung Rechtsnachfolgern von Todes wegen nach ihren Anteilen in der Rechtsnachfolge zu leisten, wenn sie am 21. August 1987 entweder als physische Personen die österreichische Staatsbürgerschaft besessen oder als juristische Personen ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich gehabt haben."

2. Die Beschwerdeführerin begründet die behaupteten Rechtsverletzungen (so. I.2.) ausschließlich damit, daß §4 VerteilungsG verfassungswidrig sei:

Diese Regelung habe ihre entschädigungslose Enteignung ermöglicht; die Republik Österreich sei der Schutzpflicht, die sie gegenüber ihren Staatsbürgern treffe, nicht nachgekommen; damit werde das Eigentumsrecht verletzt.

§4 des VerteilungsG DDR verletze den Gleichheitsgrundsatz dadurch, daß infolge der Festsetzung des Stichtages 8. Mai 1945 "zwei Klassen von Staatsbürgern geschaffen werden, nämlich solche deren Vermögensinteressen gegenüber der DDR wahrgenommen wurden und solche, deren Vermögensinteressen vernachlässigt wurden". Weiters liege ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot deshalb vor, weil das VerteilungsG DDR einen anderen Stichtag für das Vorliegen der österreichischen Staatsbürgerschaft festlege als andere Verteilungsgesetze. Dies "sorge nur für Verwirrung unter den Staatsbürgern".

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu vergleichbaren Gesetzen (so zum VerteilungsG Polen - VfSlg. 7659/1975, 8814/1980, zum EntschädigungsG Italien - VfSlg. 8422/1978 und zum EntschädigungsG CSSR - VfSlg. 8786/1980, 8873/1980, 9297/1981) - es besteht kein Anlaß von dieser Rechtsprechung abzurücken - geht davon aus, daß es sachlich gerechtfertigt ist, in den Verteilungsgesetzen bestimmte Voraussetzungen (insbesondere den Besitz der Staatsbürgerschaft zu bestimmten Zeitpunkten) für die Anspruchsberechtigung vorzusehen, sofern diese Voraussetzungen nur nicht strenger sind als die im entsprechenden Vermögensvertrag enthaltenen.

§4 des VerteilungsG DDR zieht nun den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger als der Vermögensvertrag DDR; zwischen Gesetz und Vertrag besteht also in der hier maßgebenden Hinsicht die - verfassungsrechtlich gebotene - Kongruenz.

Im - das EntschädigungsG CSSR betreffenden - Erkenntnis VfSlg. 8873/1980 hat der Verfassungsgerichtshof dargetan, daß das Anknüpfen der Anspruchsberechtigung an die zu bestimmten Stichtagen bestandenen staatsbürgerschaftsrechtlichen Regelungen nicht unsachlich sei.

b) Zur Widerlegung der von der Beschwerdeführerin weiters vorgetragenen Bedenken, die Republik Österreich habe ihre Schutzpflicht verletzt, genügt es, auf die zum VerteilungsG Polen und zum EntschädigungsG CSSR ergangenen Erkenntnisse VfSlg. 8872/1980, S 596 f. und VfSlg. 9290/1981, S 382 f. zu verweisen.

c) Der Verfassungsgerichtshof teilt also die von der Beschwerdeführerin ob der Verfassungsmäßigkeit des §4 des VerteilungsG DDR erhobenen Bedenken insgesamt nicht.

Er hat auch sonst gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Beschwerdeführerin ist mithin nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

2. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, daß die belangte Behörde bei Anwendung des Gesetzes verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt habe. Das Verfahren hat auch sonst keine Anhaltspunkte für derartige, in die Verfassungssphäre reichende Fehler ergeben.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Entschädigung DDR

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B777.1989

Dokumentnummer

JFT_10108873_89B00777_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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