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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 26. August 1991, Zl. FrA-9642/6/90, betreffend Schubhaft und Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 17. Jänner 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz mit sofortiger Wirkung die vorläufige Verwahrung "zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - zur Sicherung der Abschiebung -" angeordnet. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer am 15. Jänner 1990 legal an der Grenzkontrollstelle Wien-Schwechat in das Bundesgebiet eingereist sei. Am 16. Jänner 1990 habe er den Grenzübertritt in die Bundesrepublik Deutschland vorsätzlich nicht über einen Grenzübergang, sondern bei Walserberg-Bundesstraße über die "Grüne Grenze" vorgenommen. Kurz nach der illegalen Ausreise sei er von deutschen Grenzbeamten aufgegriffen und gemäß dem österreichisch-deutschen Schubabkommen am 16. Jänner 1990 an die Behörde rücküberstellt worden. Wegen der illegalen Ausreise sei er mit Straferkenntnis vom 17. Jänner 1990 wegen Übertretung des Grenzkontrollgesetzes bestraft worden. Die Verhängung der Schubhaft sei zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung notwendig gewesen, da dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit notwendig erscheine, zumal die Voraussetzungen für einen Aufenthalt in Österreich nicht vorlägen.
Mit dem weiteren Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 18. Jänner 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 und unter Bedachtnahme auf Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes in Verbindung mit § 4 leg. cit. ein bis zum 18. Jänner 1993 befristetes Aufenthaltsverbot für das österreichische Bundesgebiet erlassen. Zur Begründung wurde der schon im Schubhaftbescheid vom 17. Jänner 1990 angeführte Sachverhalt herangezogen.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufungen, die am 23. Jänner 1990 bei der Behörde erster Instanz einlangten. Nachdem der Beschwerdeführer am 24. Jänner 1990 auf freien Fuß gesetzt worden war, wurden beide Berufungen mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und die bekämpften Bescheide bestätigt. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer am 16. Jänner 1990 beim Flughafen Wien-Schwechat legal nach Österreich eingereist. In der Folge habe er sich nach Salzburg begeben, wo er in den Nachtstunden zum 17. Jänner 1990 den illegalen Grenzübertritt in die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen habe. Zuvor habe er noch seinen in Deutschland lebenden Cousin verständigt, der ihn beim illegalen Grenzübertritt unterstützt habe. Diesen Sachverhalt habe er anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme bei der Grenzstation Bayrisch-Gmain am 17. Jänner 1990 niederschriftlich bestätigt. Hieraus sei ersichtlich, daß seine Reise nach Österreich nur dem Zweck gedient habe, um unverzüglich illegal in die Bundesrepublik Deutschland weiterreisen zu können, da er sich nicht einmal einen Tag in Österreich aufgehalten habe. Bei der Vielzahl der in Österreich lebenden und arbeitenden Fremden und unter Berücksichtigung der geographischen Lage dieses Landes sei bei der Beurteilung illegaler Grenzübertritte ein strenger Maßstab anzulegen, noch dazu, wenn, wie im Falle des Beschwerdeführers, die Einreise in das Bundesgebiet nur dazu gedient habe, um auf diese Art möglichst einfach und rasch unter Umgehung der staatlichen Kontrollmöglichkeiten in ein anderes Land einzureisen. Die Zielstrebigkeit, mit der der Beschwerdeführer sein Vorhaben verwirklicht habe, habe sehr wohl den Schluß zugelassen, daß er im Falle seiner Freilassung neuerlich einen illegalen Grenzübertritt in die Bundesrepublik Deutschland versuchen würde. Diese Annahme der erstinstanzlichen Behörde sei schon früher durch nicht seine Person betreffende zahlreiche Beispiele bestätigt worden. Die Verhängung der Schubhaft sei daher notwendig gewesen, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten zu verhindern. Durch die Zielstrebigkeit des Vorgehens des Beschwerdeführers sei die Annahme gerechtfertigt, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Aus der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz erforderlichen Interessenabwägung könne für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden "bzw. kann diese unterbleiben", da beim Beschwerdeführer kein einziger Bezug zum Bundesgebiet bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.
§ 5 Abs. 1 leg. cit. sieht vor, daß ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden kann (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Verhältnis des § 3 Abs. 1 zu § 3 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß es sich bei Abs. 1 um die Generalklausel und bei Abs. 2 um die beispielsweise Aufzählung von Fällen handle, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls rechtfertigen. Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (siehe neben vielen anderen die hg. Erkenntnisse vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0136, und vom 2. Dezember 1991, Zl. 90/19/0585).
Die belangte Behörde war demnach unter Zugrundelegung des festgestellten Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers berechtigt zu prüfen, ob die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Wenn sie dabei zu einem diese Frage bejahenden Ergebnis gelangte, kann ihr vom Verwaltungsgerichtshof nicht beigetreten werden:
Es trifft zwar zu, daß der Gesetzgeber der Einhaltung der Bestimmungen des Grenzkontrollgesetzes aus fremdenpolizeilicher Sicht nicht unerhebliche Bedeutung beimißt; aus § 3 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz geht jedoch hervor, daß ein einmaliger Verstoß gegen dieses Gesetz - wie er dem Beschwerdeführer zur Last liegt - für sich allein noch nicht die in § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt erscheinen läßt. Auch die von der belangten Behörde angenommene Zielstrebigkeit des Vorgehens des Beschwerdeführers vermag eine solche Annahme nicht zu begründen, zumal der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz selbst im Falle einer weiteren rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des von der belangten Behörde besorgten Versuches eines neuerlichen illegalen Grenzübertrittes in die Bundesrepublik Deutschland noch nicht erfüllt wäre.
Beim gegebenen Sachverhalt liegen somit die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht vor. Schon aus diesem Grunde verstößt auch die Bestätigung des die Verhängung der Schubhaft "zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - zur Sicherung der Abschiebung -" aussprechenden erstinstanzlichen Bescheides gegen das Gesetz, wobei es dahingestellt werden kann, ob mit diesem Teil des angefochtenen Bescheides - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint - bloß zum Ausdruck gebracht wurde, "daß die Erlassung des Bescheides erster Instanz rechtmäßig war".
Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180102.X00Im RIS seit
29.01.2002