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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ArbIG 1974 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Oktober 1991, Zl. Ge-48.570/6-1991/Pan/Neu, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Arbeitsruhegesetz (mitbeteiligte Partei: H in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 4. Oktober 1990 war die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) wegen Übertretungen des § 3 Abs. 2 Arbeitsruhegesetz, BGBl. Nr. 144/1983, gemäß § 27 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 2 leg. cit. bestraft worden, weil er "als Geschäftsführer der X Ges.mbH., W, dafür verantwortlich (ist), daß im Zweigbetrieb AI Ges.mbH., Sportartikel, W, am Samstag, den 26.8.1989, wie bei einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat um 17.25 Uhr festgestellt wurde, die nachstehend angeführten 12 Arbeitnehmer entgegen den Bestimmungen des Arbeitsruhegesetzes (§ 3 Abs. 2) mit Inventurarbeiten beschäftigt wurden:
(12 namentlich angeführte Personen)"
2. Der dagegen von der mP erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Oberösterreich (die belangte Behörde) gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 24 VStG 1950 und § 27 Arbeitsruhegesetz Folge, behob das Straferkenntnis hinsichtlich der Personen (5 namentlich angeführte Personen) und stellte das diesbezügliche Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 ein.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Das Arbeitsruhegesetz stelle auf die Arbeitnehmereigenschaft ab. Als Arbeitnehmer seien alle Personen zu verstehen, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder aus sonstigen Gründen im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet seien, wobei es nicht auf die Gültigkeit des Vertrages als solchen ankomme. Es genüge ein faktisches Arbeitsverhältnis. Unter Berücksichtigung dieses Arbeitnehmerbegriffes treffe die Arbeitnehmereigenschaft für die fünf im Spruch genannten Personen - auf sie allein habe sich die Berufung beschränkt - nicht zu, da diese als Zeugen einhellig ausgesagt hätten, daß sie zu keiner Arbeitsleistung verpflichtet gewesen seien, sondern ihre Arbeit jederzeit beenden hätten können. In diesem Fall hätten dann die betreffenden Arbeitnehmer, denen diese Personen geholfen hätten, die Arbeit übernehmen müssen. Eine derartige "lockere Beschäftigung" von Personen könne kein Arbeitsverhältnis begründen. Folglich seien diese (fünf) Personen nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsruhegesetzes anzusehen, sodaß dieses Gesetz auf sie nicht anwendbar sei. Das Straferkenntnis sei daher insoweit zu beheben und die betreffenden Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974, BGBl. Nr. 143, gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Auch die mP hat eine Gegenschrift eingebracht und den Antrag gestellt, die Beschwerde - unter Kostenzuspruch - zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Unter Bedachtnahme auf diesbezügliches Vorbringen in der Gegenschrift der mP ist zunächst die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfen.
1.1. Soweit die mP die Ansicht vertritt, die Beschwerde sei verspätet eingebracht, weil die Beschwerdefrist vom Zeitpunkt der Zustellung der bekämpften Entscheidung an das Arbeitsinspektorat zu berechnen sei, genügt es, zur Entkräftung dieser Meinung auf das hg. Erkenntnis vom 2. März 1992, Zl. 91/19/0321, zu verweisen (§ 43 Abs. 2 VwGG). Gleiches gilt für die Anregung der mP, die Verfassungsmäßigkeit des § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG im Umfang der Wortfolge "sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat" durch den Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen. Auch insofern wird die mP auf das vorgenannte Erkenntnis verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausführlich dargelegt hat, daß und weshalb er die gegen die besagte Regelung vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken der damals mP - die vorliegend von der mP geltend gemachten Bedenken stimmen mit jenen im wesentlichen überein - nicht teilt.
1.2. Die mP verneint die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers und weist dazu einerseits auf § 1 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 hin, wonach dieses Bundesgesetz die Wahrnehmung des gesetzlichen Schutzes der Arbeitnehmer regelt, anderseits darauf hin, daß die Arbeitnehmereigenschaft der fünf hier in Frage stehenden Personen verneint worden sei.
Dieses Vorbringen läßt außer acht, daß zentraler Punkt der Beschwerdeausführungen gerade die Bestreitung der Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht ist, es handle sich bei den genannten fünf Personen nicht um Arbeitnehmer. Deshalb, weil die belangte Behörde (in Übereinstimmung mit der mP) die Arbeitnehmereigenschaft dieser Personen verneint, dem Beschwerdeführer die Legitimation absprechen zu wollen, die (behauptete) Rechtswidrigkeit dieser Rechtsauffassung im Wege einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen, hieße die Funktion des dem Beschwerdeführer nach dem Arbeitsinspektionsgesetz 1974 eingeräumten objektiven Beschwerderechts völlig zu verkennen und führte dazu, dieses Instrument zur Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit behördlicher Entscheidungen in einem wesentlichen Bereich leerlaufen zu lassen.
2. Da sich somit die Beschwerde nicht als unzulässig erweist, ist in deren meritorische Behandlung einzutreten.
2.1. Gemäß seinem § 1 Abs. 1 gilt das Arbeitsruhegesetz für Arbeitnehmer aller Art, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird. Da im Beschwerdefall im Verfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde das Vorliegen einer Ausnahme vom Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht behauptet wurde und solches auch sonst nicht hervorgekommen ist, hatte die belangte Behörde die - für den Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens entscheidende - Rechtsfrage zu beurteilen, ob den besagten fünf Personen Arbeitnehmereigenschaft zukommt. Sie hat diese Frage unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens und darauf gründende Sachverhaltsannahmen (§ 45 Abs. 2 AVG 1950) vor dem Hintergrund wesentlicher Kriterien des Arbeitnehmerbegriffes verneint.
2.2. Wesentliche Grundlage der von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen waren die Aussagen jener fünf am Samstag, dem 26. August 1989 um 17.25 Uhr von einem Organ des Arbeitsinspektorates bei Inventurarbeiten angetroffenen als Zeugen einvernommenen Personen. Die Zeugen haben zwar übereinstimmend angegeben, sie hätten befreundeten bzw. verwandten Arbeitnehmern der X Gesellschaft m.b.H. bei Inventurarbeiten (am bezeichneten Ort und zur bezeichneten Zeit) geholfen, damit diese ihre Arbeiten schneller beenden könnten, ohne daß sie (die fünf Zeugen) Anordnungen des Filialleiters zu befolgen gehabt hätten und ohne für ihre Hilfstätigkeit ein Entgelt zu erhalten. Sie haben aber darüber hinaus ausgeführt, die Hilfstätigkeit auch deshalb übernommen zu haben, weil sie von dem Unternehmen Sportartikel zum vorübergehenden Gebrauch erhalten hätten. Diese letzteren Angaben hätten die Behörde veranlassen müssen, die Zeugen eingehender zu befragen, insbesondere um zu eruieren, ob es sich hiebei um eine bedungene bzw. zugesagte Gegenleistung des Unternehmens für im Rahmen der Inventur geleistete Arbeiten handelte. Aufgrund der zuletzt genannten, in Richtung des Vorliegens einer Naturallohn-Vereinbarung weisenden Zeugenaussagen wäre es der Behörde aber auch oblegen, unter Vorhalt derselben den vom Organ des Arbeitsinspektorates gleichfalls bei den in Rede stehenden Inventurarbeiten angetroffenen Filialleiter als Zeugen über die näheren Umstände zu befragen, die den besagten Überlassungen verschiedener Sportartikel zur Verwendung zugrunde lagen, insbesondere auch darüber, ob es sich hiebei um vereinbarte Leistungen des Unternehmens für diesem gegenüber zu erbringende Arbeiten handelte.
2.3. Die Unterlassung ergänzender Beweisaufnahmen in der eben bezeichneten Hinsicht stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, da es nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einer anderen - nämlich die Eigenschaft der besagten fünf Personen als Arbeitnehmer der X Gesellschaft m.b.H. bejahenden - Beurteilung der entscheidenden Rechtsfrage und damit auch zu einer anderen Entscheidung in dem gegen die mP anhängig gewesenen Strafverfahren gekommen wäre.
3. Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ZeugenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991190344.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013