TE Vfgh Beschluss 1989/11/28 B1213/88

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Veröffentlicht am 28.11.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb

Leitsatz

Keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer während einer Amtshandlung (vorläufige Beschlagnahme von Glücksspielgeräten); Fehlen eines tauglichen Beschwerdegegenstandes

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist leitender Angestellter eines von der "T-AG" in Salzburg betriebenen Spielsalons. Am 4.5.1988 fand in dem Geschäftslokal unter Leitung eines Beamten des Magistrats Salzburg eine Amtshandlung statt, bei der 52 Glücksspielgeräte gemäß §39 Abs2 VStG 1950 vorläufig beschlagnahmt wurden. Die Geräte wurden versiegelt und im Lokal belassen.

In seiner auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, daß im Zuge dieser Amtshandlung vom Leiter derselben ihm gegenüber "insofern eine Verhaftung, welche sogar einen Exzeß nach sich zog, ausgesprochen" worden sei, "weil der Beschwerdeführer von den einschreitenden Polizeibeamten mit den Dienstnummern 395 und 359 derart körperlich verletzt worden ist, daß eine ärztliche Obsorge erforderlich war". Dem Beschwerdeführer sei mit Brachialgewalt untersagt worden, oben genannte Lokalitäten zu verlassen, obwohl er nur vor die Eingangstür treten wollte, um frische Luft zu schnappen. Dabei sei er auch am Unterarm verletzt worden.

Der Beschwerdeführer fühlt sich durch diese Maßnahme in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz der persönlichen Freiheit, Schutz des Eigentums sowie auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

2. Die belangte Behörde beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und führt im einzelnen aus:

Die dem Bürgermeister der Stadt Salzburg zuzurechnende Amtshandlung habe am 4.5.1988 in der Zeit von 12.30 Uhr bis 14.00 Uhr stattgefunden und hätte ausschließlich den Zweck gehabt, die von der "T-AG" in dem gegenständlichen Lokal illegal betriebenen Geldspielautomaten zu beschlagnahmen. Die Amtshandlung sei von Oberamtsrat L vom Magistrat Salzburg geleitet worden und habe unter Assistenzleistung von Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Salzburg stattgefunden. Die beiden vom Beschwerdeführer bezeichneten Sicherheitswachebeamten mit den Nummern 395 = Gr.Insp. L K und 397 = Rev.Insp. J M, hätten ausschließlich den Auftrag gehabt, sich in die geöffnete Eingangstüre des Lokals zu stellen, um deren Schließung bzw. Sperre durch das Personal des Spielsalons zu verhindern. Vom Leiter der Amtshandlung sei weder eine Verhaftung gegen den Beschwerdeführer ausgesprochen worden, noch seien die beiden Sicherheitswachebeamten oder andere Beamte von ihm aufgefordert worden, den Beschwerdeführer am Verlassen des Lokals zu hindern. Doch auch die beiden am Geschäftseingang postierten Sicherheitswachebeamten hätten von sich aus den Beschwerdeführer in keiner Weise am Verlassen des Lokals gehindert. Dies sei auch nicht notwendig gewesen, da für den Zweck der Amtshandlung weder die Anwesenheit des Beschwerdeführers noch sonst eines bestimmten Angestellten notwendig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hätte vielmehr - offenbar nach telefonischer Anweisung eines Vertreters der "T-AG" - seinerseits mehrmals versucht, die Eingangstüre zu verschließen, habe dieses Vorhaben jedoch wegen der beiden dort postierten Sicherheitswachebeamten aufgeben müssen. Er sei dabei aber keineswegs am Verlassen des Lokals gehindert worden, vielmehr habe der Beschwerdeführer versucht, die beiden Sicherheitswachebeamten von der Türe wegzudrängen. Daß die Eingangstüre während der gesamten Dauer der Amtshandlung voll geöffnet gewesen sei, und die beiden Sicherheitswachebeamten in der geöffneten Türe in passiver Haltung postiert gewesen seien, sei auch aus der über die Amtshandlung erstellten Fotodokumentation zu erkennen.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Magistrates Salzburg

Z I/A-193/1988, insbesondere die darin enthaltenen Zeugeneinvernahmen der Sicherheitswachebeamten Gr.Insp. L K und Rev.Insp. J M vor der Bundespolizeidirektion Salzburg, sowie in die Niederschrift über die Zeugeneinvernahme des N D vom 29.8.1988 vor der Bundespolizeidirektion Salzburg auf Grund der Anzeige des G K gegen Organe der Bundespolizeidirektion Salzburg wegen Körperverletzung, Z Pt. II Rev. 2/4 II 3402/88 und nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Am 4.5.1988 fand in den Geschäftsräumen der "T-AG" in Salzburg (Etablissementbezeichnung: "S") in der Zeit von 12.30 Uhr bis 14.00 Uhr eine dem Bürgermeister der Stadt Salzburg zuzurechnende Amtshandlung statt. Diese stand unter Leitung von Oberamtsrat L vom Magistrat Salzburg unter Assistenzleistung von Beamten der Bundespolizeidirektion Salzburg unter Oberleutnant H. Im Zuge dieser Amtshandlung wurden die in dem Lokal betriebenen Geldspielautomaten beschlagnahmt bzw. versiegelt. Der Glücksspielbetrieb in dem Lokal war der belangten Behörde durch diverse Zeitungsinserate der Betreibergesellschaft sowie vorangegangene Erhebungen bekannt. Der Beschwerdeführer G K gab sich gegenüber den einschreitenden Beamten als leitender Angestellter des Spielsalons aus und versuchte in der Folge mehrmals die Eingangstüre des Geschäftslokals zu verschließen. Dieses Vorhaben scheiterte daran, daß in der geöffneten Türe die beiden Sicherheitswachebeamten Gr.Insp. L K und Rev.Insp. J M postiert waren, deren ausschließliche Aufgabe darin bestand, das Schließen der Türe während der Amtshandlung durch bloßes - passives - Stehen in der Türöffnung zu verhindern. Während der gesamten Dauer der Amtshandlung wurde keine der im Lokal Anwesenden und somit auch nicht der Beschwerdeführer von den einschreitenden Amtsorganen gehindert, das Lokal zu verlassen. So entfernte sich der Beschwerdeführer G K gemeinsam mit dem im Lokal als Kellner beschäftigten N D für kurze Zeit, kam jedoch vor Ende der Amtshandlung wieder zurück.

2. Der Verfassungsgerichtshof folgt bei diesen Feststellungen den übereinstimmenden und glaubwürdigen Darstellungen der beiden Sicherheitswachebeamten Gr.Insp. L K und Rev.Insp. J M sowie der Aussage des zum Zeitpunkt der Amtshandlung im Lokal als Kellner beschäftigten N D, wonach zwischen dem Beschwerdeführer und den Sicherheitswachebeamten kein körperlicher Kontakt stattgefunden habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß er am Verlassen des Lokales gehindert worden wäre, erscheint nicht nur im Hinblick auf die entgegenstehenden Zeugenaussagen, sondern auch auf den Zweck der Amtshandlung unglaubwürdig, zumal hiefür seine Anwesenheit im Lokal nicht erforderlich gewesen wäre. Für die Richtigkeit der Darstellung des Tatherganges durch die belangte Behörde sprechen weiters die von der Behörde bei früheren einschlägigen Amtshandlungen gemachten Erfahrungen, wo von den Lokalbetreibern gleichfalls versucht wurde, die Eingangstüre während der Amtshandlung zu verschließen, sowie die Einsichtnahme in die im Verwaltungsakt einliegende Fotodokumentation, aus der ersichtlich ist, daß die Sicherheitswachebeamten jeweils passiv in der weit geöffneten Eingangstüre des Geschäftslokales standen.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers lt. ärztlichem Attest vom 4.5.1988, er sei gegen 15.30 Uhr von den einschreitenden Sicherheitswachebeamten durch Andrücken an den Türstock am rechten Unterarm verletzt worden, erscheint im Hinblick darauf, daß die Amtshandlung zwischen 12.30 Uhr und 14.00 Uhr (nach Angaben des Beschwerdeführers sogar schon zwischen 11.00 und 13.00 Uhr) stattfand, als bloße Schutzbehauptung. In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage des Zeugen N D von Relevanz, wonach der Beschwerdeführer nach Beendigung der Amtshandlung mit einem Vertreter der "T-AG" telefoniert habe, wobei ihm dieser geraten habe, einen Arzt aufzusuchen und Anzeige gegen die Exekutivbeamten wegen Körperverletzung zu erstatten, um auf diese Weise der Behörde "eins auszuwischen".

3. Wie die Sachverhaltsfeststellung erwiesen hat, wurde im Zuge der Amtshandlung am 4.5.1988 gegen den Beschwerdeführer keine unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt. Es fehlt sohin an einem tauglichen Beschwerdegegenstand gemäß Art144 Abs1 B-VG. Die Beschwerde war sohin als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 8879/1980, 9918/1984).

4. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofes oder bei Ablehnung der Behandlung der Beschwerde in Betracht kommt.

5. Diese Entscheidung konnte ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (§19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953).

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1213.1988

Dokumentnummer

JFT_10108872_88B01213_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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