TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/26 92/05/0004

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Veröffentlicht am 26.05.1992
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg impl;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z5;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde 1) der RL und 2) des WA in T, beide vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. August 1991, Zl. R/1-V-89122, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) KW, 2) AW, beide in T, 3) Marktgemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 1.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. Juni 1989 wurde dem Erstmitbeteiligten und der Zweitmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung "zum Neubau einer Hühnermasthalle mit Heizung, Öltank und ortsveränderlichem Warmlufterzeuger" auf dem Grundstück Nr. 910/2, EZ. 26 des Grundbuches über die Kat.Gem. L, "für 10.000 Stück Masthühner mit einem durchschnittlichen Mastendgewicht von je 1,50 kg" erteilt. In der Begründung dieses Bescheides wurde im Hinblick auf die u.a. von den Beschwerdeführern rechtzeitig eingewendete Gefahr einer unzumutbaren Geruchsbelästigung ausgeführt, daß eine Auflage, die gesamte Abluft über Wärmeaustauscher über Dach mit Bypass zu führen, nur dann vorgeschrieben werden könnte, wenn dies aus schlüssigen Gutachten hervorginge und sich als notwendig erweisen würde. Eine Auflage der geforderten Art gehe jedoch aus schlüssigen Gutachten nicht hervor.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. Juli 1989 wurde die u.a. von den Beschwerdeführern gegen diesen Baubewilligungsbescheid eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen, wobei die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung vertrat, daß Geruchsbelästigungen in den verschiedenen Baulandnutzungen nur ein gewisses, zulässiges Ausmaß erreichen dürfen, bei der hier maßgebenden Widmung Grünland - Landwirtschaft jedoch keine Beschränkungen betreffend die Belästigung durch Gerüche gegeben sein; ausgenommen sei eine Gesundheitsgefährdung bzw. -schädigung.

Die gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. August 1991 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens wies die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, daß sich sowohl das Grundstück, auf welchem die Hühnermasthalle errichtet werden soll, als auch das Grundstück der Beschwerdeführer im Grünland mit der Nutzungsart Landwirtschaft befänden, wobei der Abstand des Grundstückes der Beschwerdeführer zu der in Rede stehenden Hühnerhalle 100 m betrage. Die Widmung "Grünland - Landwirtschaft" gewähre den Anrainern keinen Anspruch auf einen Immissionsschutz (§ 19 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 enthalte keinen Hinweis darauf). Der allgemeine Immissionsschutz der Anrainer ergebe sich im vorliegenden Fall nur aus § 62 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976. Diese Gesetzesstelle verpflichte die Baubehörde zur Vorschreibung besonderer baulicher Maßnahmen, wenn durch ein Vorhaben Belästigungen der Nachbarn zu erwarten seien, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei bei der Beurteilung, ob örtlich unzumutbare Belästigungen vorliegen oder nicht, vorerst ein technisches Gutachten zur Feststellung des Ausmaßes der Emissionen und damit des Ausmaßes der Immissionen auf den Grundstücken der Anrainer einzuholen. Auf der Basis dieses Gutachtens habe sodann ein medizinischer Sachverständiger über die Auswirkungen dieser Immissionen auf den menschlichen Organismus zu urteilen. Die Baubehörde habe also im vorliegenden Fall zu beurteilen gehabt, ob durch die Hühnermasthalle für die Anrainer in einem Gebiet mit der Widmung Grünland - Landwirtschaft örtlich unzumutbare Belästigungen entstehen würden oder nicht; bejahendenfalls hätte sie immissionsmindernde Maßnahmen vorzuschreiben gehabt. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde habe die ihm vorliegenden Sachverständigengutachten gewürdigt und sei zu dem Schluß gekommen, daß im wesentlichen das agrartechnische Gutachten des Amtssachverständigen der Abteilung B/4 des Amtes der NÖ. Landesregierung, die immissionstechnischen Gutachten des Dr. H. und des Dipl.-Ing. F. (Amtssachverständige der Abteilung B/10 des Amtes der NÖ. Landesregierung) sowie das medizinische Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft R Dr. S. zur Beurteilung heranzuziehen seien und sei, gestützt auf diese Gutachten, zu dem Ergebnis gekommen, daß durch die Hühnerhalle für die Anrainer keine in der Widmungsart Grünland mit der Nutzungsart Landwirtschaft örtlich unzumutbaren Emissionen entstehen würden. Der Gemeinderat habe sich dieser Ansicht im bekämpften Berufungsbescheid angeschlossen. Die Beschwerdeführer wären dieser Ansicht im wesentlichen mit der Begründung entgegengetreten, daß sie - entgegen der Ansicht der Baubehörde - die für sie günstigen Gutachten - insbesondere das Gutachten des Dr. S. des Institutes für Umwelthygiene der Universität Wien - als schlüssig und folgerichtig ansehen. Das gleiche gelte für das Gutachten des Gemeindearztes Dr. K. Zu letzterem müsse allerdings gesagt werden, daß auf Grund des augenscheinlichen Naheverhältnisses dieses Gemeindearztes zu den Vorstellungswerbern B. dieser sich wegen Befangenheit im Sinne des § 7 AVG der Tätigkeit als Amtssachverständiger zu enthalten gehabt habe, sei er doch anscheinend seit Juli 1978 der behandelnde Arzt der Ingeborg B. Insgesamt müsse festgestellt werden, daß es nicht die Aufgabe der Baubehörde gewesen sei, ein weiteres Zunehmen der Emissionen zu verhindern, sondern die Baubehörde nur verpflichtet bzw. berechtigt gewesen sei, die Bewilligung zu versagen, wenn durch das Vorhaben örtlich unzumutbare Belästigungen entstehen würden. Wenn man nun davon ausgehe, daß im Bauland - Agrargebiet mit einem höheren Ausmaß an zulässigen Immissionen als im Bauland - Wohngebiet zu rechnen sei, wobei im Bauland - Agrargebiet Wohngebäude auch zulässig seien, so müsse für das Grünland - Landwirtschaft daraus gefolgt werden, daß in diesem Bereich, in dem an sich nur Wohngebäude von Inhabern land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zulässig seien, das zulässige Ausmaß an Emissionen und damit an Immissionen noch höher sei als im Bauland - Agrargebiet. Die Grenze der zulässigen Immissionen werde somit letztendlich knapp unterhalb jenes Ausmaßes liegen, welches bereits zu einer möglichen Gesundheitsgefährdung führe. Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß die Bauwerber einen Rechtsanspruch darauf besitzen, daß ihr Projekt als solches bewilligt werde, sofern nicht ein Versagungsgrund im Sinne des § 100 der NÖ. Bauordnung 1976 vorliege. Bei der Frage der Bewilligungsfähigkeit eines Projektes sei also nicht die Meinung der Anrainer bezüglich der bereits bestehenden oder zu erwartenden Geruchsimmissionssituation maßgeblich, sondern die Frage, ob in bezug auf die vorliegende Flächenwidmung mit örtlich unzumutbaren Emissionen zu rechnen sei, sodaß das Vorhaben unzulässig sei. Betrachte man nun unter den angeführten Überlegungen die im Verfahren auf Gemeindeebene eingeholten Gutachten, so könne dem Bürgermeister nicht entgegengetreten werden, wenn er seinen Bescheid auf das agrartechnische Gutachten vom 11. Mai 1987 bzw. 15. Juni 1988, auf die gutächtliche Stellungnahme des Dr. H. (Abteilung B/10 des Amtes der NÖ. Landesregierung) vom 11. November 1988 und des Dipl.-Ing. F. (Abteilung B/10 des Amtes der NÖ. Landesregierung) vom 7. Dezember 1988 sowie auf das medizinische Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft R vom 20. Februar 1989 gestützt habe. Der Gemeinderat habe sich im bekämpften Bescheid dieser Ansicht angeschlossen. Die Aufsichtsbehörde könne im Rahmen der Beurteilung, ob dem Gemeinderat bzw. dem Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein Denkfehler unterlaufen sei, den auf Gemeindeebene tätig gewordenen Behörden nicht entgegenzutreten, zumal der Sachverständige Dr. S. und der Gemeindearzt Dr. K. in ihren Gutachten die gegebene Widmungssituation völlig außer acht gelassen hätten. Der agrartechnische Amtssachverständige der Abteilung B/4 des Amtes der NÖ. Landesregierung habe in überzeugender Weise dargelegt, mit welchen Emissionen und damit Immissionen bei den Anrainern zu rechnen sein werde. Darauf aufbauend habe der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft R von den möglichen Auswirkungen dieser Immissionen auf die menschliche Gesundheit gesprochen. Wenn aus diesen Gutachten der Bürgermeister bzw. der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde den Schluß gezogen hätten, daß diese Emissionen das örtlich zumutbare Ausmaß im Grünland - Landwirtschaft nicht übersteigen würden, so könne der Versuch der Beschwerdeführer, die Nichtheranziehung insbesondere der Gutachten des Dr. S. bzw. des Gemeindearztes zu bemängeln, nicht zum Erfolg führen. Die Beschwerdeführer wären verpflichtet gewesen, entweder die Unschlüssigkeit der von den Gemeindebehörden zur Beurteilung herangezogenen Gutachten bzw. deren Unrichtigkeit auf gleicher fachlicher Ebene geltend zu machen bzw. darzulegen. Ziehe man nun die erwähnten Entfernungsverhältnisse sowie die vom agrartechnischen Sachverständigen genannten Situationen der Vergleichsbetriebe in Betracht, so möge den Beschwerdeführern zwar zuzugeben sein, daß sie von Geruchsimmissionen aus diesem Hühnermastbetrieb nicht verschont bleiben werden, jedoch könne daraus nicht abgeleitet werden, daß das Ausmaß der Immissionen das örtlich zumutbare Ausmaß im Grünland - Landwirtschaft überschreiten werde. Dabei müsse auch noch in Betracht gezogen werden, daß landwirtschaftlichen Betrieben zur Tierhaltung oft nicht einmal mehr das an sich für landwirtschaftliche Betriebe vorgesehene Bauland - Agrargebiet weiter zur Verfügung stehe, da auch im Bauland - Agrargebiet Wohngebäude zuzulassen seien und der Anteil der nichtlandwirtschaftlichen Wohnbevölkerung in diesen Bereichen stets zunehme. Wie bereits ausgeführt, könne aber im Grünland - Landwirtschaft das örtlich zumutbare Ausmaß an Immissionen keinesfalls niedriger, sondern nur bedeutend höher angesetzt sein als im Bauland - Agrargebiet. Die Aufsichtsbehörde könne daher nicht finden, daß dem Bürgermeister bzw. dem Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde im Rahmen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ein Fehler bzw. Irrtum unterlaufen wäre. In dieser Hinsicht würde sich die Vorstellung als unbegründet erweisen bzw. hätten die Beschwerdeführer keine Argumente vorbringen können, weshalb die von den Baubehörden zur Beurteilung herangezogenen Gutachten wegen Unschlüssigkeit nicht zur Beurteilung heranzuziehen gewesen wären.

Mit Beschluß vom 25. November 1991, Zl. B 1062/91-3, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Ausgangspunkt der vom Gerichtshof vorzunehmenden Prüfung, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Beschwerdeführer durch die Abweisung ihrer Berufung nicht in ihren von der Baubehörde wahrzunehmenden subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sind, ist zunächst die Feststellung, daß einerseits der Bauplatz der mitbeteiligten Bauwerber, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, die Flächenwidmung Grünland - Landwirtschaft im Sinne des § 19 Abs. 2 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 aufweist, sodaß die den Gegenstand des vorliegenden Bauansuchens bildende Hühnermasthalle mit der gegebenen Flächenwidmung übereinstimmt, und andererseits den Nachbarn aus den Bestimmungen des § 118 Abs. 8 und 9 in Verbindung mit § 62 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor Geruchsbelästigung erwächst (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 1986, Zl. 86/05/0129, BauSlg. Nr. 819, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Die Baubehörden hatten demnach zu prüfen, ob die Beschwerdeführer zu Recht eine unzumutbare Geruchsbelästigung geltend gemacht haben, also von dem Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerber Belästigungen der Beschwerdeführer zu erwarten sind, welche - entsprechend dem Wortlaut des § 62 Abs. 2 leg. cit. - das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, und die zur Abwehr dieser Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. nochmals das eben erwähnte hg. Erkenntnis). Dabei obliegt es dem medizinischen Sachverständigen, in seinem Gutachten auf die Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus einzugehen (vgl. u.a. das

hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1988, Zl. 88/05/0002, BauSlg. Nr. 1118).

Der Gerichtshof hält zwar die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Auffassung für zutreffend, daß in einem Gebiet mit der Widmung Grünland - Landwirtschaft "das zulässige Ausmaß an Emissionen und damit Immissionen noch höher ist als im Bauland - Agrargebiet", weil die Zumutbarkeit von Belästigungen vom Ausmaß der Ortsüblichkeit derselben abhängt und daher vor allem die durch eine Tierhaltung verursachten Geruchsbelästigungen in einem für die Massentierhaltung in Betracht kommenden Gebiet mit der Widmung Grünland - Landwirtschaft wohl intensiv sind, doch kann der in diesem Zusammenhang geäußerten Meinung der belangten Behörde, die Grenze der zulässigen Immissionen werde somit (in einem Gebiet mit der Widmung Grünland - Landwirtschaft) "letztendlich knapp unterhalb jenes Ausmaßes liegen, welches bereits zu einer möglichen Gesundheitsgefährdung führt", in Übereinstimmung mit den Beschwerdeführern nicht gefolgt werden. Auch in einem Gebiet mit der Widmung Grünland - Landwirtschaft müssen nämlich die Nachbarn keine Belästigungen hinnehmen, welche knapp unterhalb jenes Ausmaßes liegen, welches bereits zu einer möglichen Gesundheitsgefährdung führt, weil es nach dem Wortlaut des § 62 Abs. 2 leg. cit., wie schon erwähnt, darauf ankommt, daß die Belästigungen das örtlich zumutbare Ausmaß nicht übersteigen. Das örtlich zumutbare Maß von Geruchsbelästigungen ist aber nicht erst dann überschritten, wenn diese gerade noch nicht gesundheitsschädlich sind, sondern bereits dann, wenn die - weder gesundheits- noch lebensgefährlichen - Geruchsbelästigungen das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbaren Maße stören.

Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt der Umstand eine entscheidende Bedeutung, daß der medizinische Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten vom 20. Februar 1989 zusammenfassend die Auffassung vertreten hat, es könne im Hinblick "auf die Anzahl der Tiere, der Lage, die Art der Haltung und des Mastverlaufes und Wertung des Betriebsvergleiches ... angenommen werden, daß die auftretenden Geruchsimmissionen nicht geeignet sind, bei einem gesunden und normal empfindenden Menschen eine Gesundheitsgefährdung mit Krankheitszuständen und Organschäden zu bewirken".

Diese gutächtliche Äußerung bezeichnete die Baubehörde erster Instanz in der Begründung ihres Bescheides ausdrücklich als schlüssig, weshalb es "zur Beurteilung der Begründung der Beweiswürdigkeit herangezogen werden" könne, womit sie als wesentlich angesehen hat, daß "die auftretenden Geruchsimmissionen nicht ausreichen, bei einem gesunden und normal empfindenden Menschen eine Gesundheitsgefährdung mit Krankheitszuständen und Organschäden zu bewirken". Die Berufungsbehörde hat in der Begründung ihres Bescheides überdies sogar, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung dieses Erkenntnisses ausgeführt worden ist, ausdrücklich gemeint, daß "in der Widmung Grünland - Landwirtschaft keine Beschränkung betreffend Belästigung durch Gerüche gegeben" sei. "Ausnahme" sei "eine Gesundheitsgefährdung bzw. -schädigung".

Diese mit der geschilderten Rechtslage im Widerspruch stehende Auffassung hat sich entsprechend den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides offensichtlich auch die belangte Behörde zu eigen gemacht, wobei ihr auch darin nicht gefolgt werden kann, daß die Baubehörden aus dem auf der Äußerung des agrartechnischen Amtssachverständigen beruhenden Gutachten des medizinischen Sachverständigen (vom 20. Februar 1989) den Schluß gezogen hätten, daß "diese Immissionen das örtlich zumutbare Ausmaß im Grünland - Landwirtschaft nicht übersteigen würden". Gerade die Berufungsbehörde hat nämlich nicht auf das im gegebenen Zusammenhang aus der Sicht der Beschwerdeführer wesentliche, örtlich zumutbare Maß der Geruchsbelästigungen abgestellt, sondern ist, wie schon erwähnt, davon ausgegangen, daß in einem Gebiet mit der Widmung Grünland - Landwirtschaft "keine Beschränkung betreffend Belästigung durch Gerüche" besteht, sofern damit keine Gesundheitsgefährdung oder Gesundheitsschädigung verbunden ist.

Sowohl die Berufungsbehörde als auch die belangte Behörde haben daher bei Beantwortung der im Beschwerdefall wesentlichen Frage, ob nicht zusätzliche Vorkehrungen zur Abwehr von Geruchsbelästigungen der Beschwerdeführer erforderlich gewesen wären, einen auf einer unrichtigen Rechtsauffassung beruhenden und daher falschen Prüfungsmaßstab angelegt, und es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Baubehörden unter Zugrundelegung der aufgezeigten Rechtslage zu einem für die Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen wäre. Dabei ist überdies auch noch zu berücksichtigen, daß die belangte Behörde, wie die Beschwerdeführer zu Recht gerügt haben, von der durch die Aktenlage nicht gedeckten Annahme ausgegangen ist, daß das Grundstück der Beschwerdeführer von der in Rede stehenden Hühnermasthalle 100 m entfernt ist, weil sich aus den im Akt erliegenden Plänen einerseits mit dem Maßstab 1 : 1000 und andererseits mit dem Maßstab 1 : 2880 ergibt, daß die kürzeste Entfernung zwischen der Halle und dem Grundstück der Beschwerdeführer lediglich etwa 70 m beträgt. Da schon an der Grundgrenze des Nachbarn keine das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen eintreten dürfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1987, Zl. 86/05/0132, BauSlg. Nr. 892), also nicht die Entfernung zwischen der Hühnermasthalle und dem - nicht an der Grundgrenze gelegenen - Haus der Beschwerdeführer maßgebend ist, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß diesem Umstand bei Bedachtnahme auf die geschilderte Rechtslage aus der Sicht der Beschwerdeführer eine gewisse Bedeutung zukommt.

Die belangte Behörde hätte daher die Vorstellung der Beschwerdeführer nicht abweisen dürfen, weshalb die Beschwerdeführer insoweit in ihren Rechten verletzt worden sind. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, wobei sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen im Hinblick auf das unter Bindung an die vorstehenden Rechtsausführungen fortzusetzende Verfahren erübrigt.

Aus prozeßökonomischen Gründen wird darauf hingewiesen, daß der Auffassung der Beschwerdeführer nicht gefolgt werden kann, wonach der schon erwähnte medizinische Sachverständige Dr. S. nicht als Amtssachverständiger im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG angesehen werden könne, weil es sich dabei nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer selbst um den Amtsarzt einer Bezirkshauptmannschaft handelt, dem die Qualifikation eines amtlichen Sachverständigen im Sinne dieser Bestimmung nicht abgesprochen werden kann, und welcher demzufolge im Hinblick auf die Regelung des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle auch nicht gesondert zu beeiden war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz im beantragten Ausmaß gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050004.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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