Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des Mag. K in W, gegen die Oesterreichische Nationalbank, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, wegen des Bescheides vom 7. September 1987, Zl. Dr.JK/Zt, Nr. 2/83a/1987 Pr., betreffend Versagung einer Bewilligung zum Erwerb von Optionsscheinen nach dem Devisengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Eingaben an die Oesterreichische Nationalbank (im folgenden: OeNB) vom 2. März und 6. April 1987 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, daß im einzelnen genannte ausländische Inhaber-Optionsscheine, deren Erwerb er beabsichtige, ausländische Wertpapiere im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 7 des Devisengesetzes, BGBl. Nr. 162/1946 (im folgenden: DevG), sind.
"Subsidiär" beantrage er, "falls kein positiver Feststellungsbescheid ergehen sollte", die Erteilung der Bewilligung zum Erwerb von je 100 Stück der in Rede stehenden Inhaber-Optionsscheine.
Hinsichtlich des Sachverhaltes wird im besonderen auf die Darstellung im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 88/17/0034, dessen Gegenstand die Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesministers für Finanzen über das Feststellungsbegehren ist, hingewiesen.
1.2. Mit Bescheid vom 7. September 1987 - die dem Beschwerdeführer zugegangene Ausfertigung dieses Bescheides trägt das Datum vom 11. September 1987 - wies die OeNB die Anträge des Beschwerdeführers vom 2. März und 6. April 1987 auf Erteilung der Bewilligung zum Erwerb von je 100 Stück der Inhaber-Optionsscheine (Wertpapier-Kenn-Nr. 872388) aus der 5 7/8 % Optionsanleihe von 1987/1994 des Wiedereingliederungsfonds des Europarates, die Inhaber-Optionsscheine/Warrants (Wertpapier-Kenn-Nr. 872544) zur 5 3/8 % Optionsanleihe 1987/1992 der Christiania Bank og Kreditkasse, die Optionsscheine der Schweizerischen Kreditanstalt (Valoren-Nr. 133.338) zum Erwerb von Gold und die CS-Optionsscheine der Schweizerischen Kreditanstalt (Valoren-Nr. 133.337) zum Erwerb von Gold gemäß § 2 Abs. 1 DevG ab.
Nach der Begründung dieses Bescheides wolle der Beschwerdeführer, seinen zusätzlichen, der OeNB gegebenen Informationen zufolge, die Optionsscheine allein aus spekulativen Motiven erwerben. Bei der vorliegenden Art von Optionsgeschäften handle es sich um ein Differenzgeschäft. Maßgeblich sei die erkennbare Absicht der Differenzerzielung. Dieser Umstand drücke das spekulative Moment dieser Transaktionen aus. Ein weiteres wichtiges Anzeichen für das Vorliegen der alleinigen Differenzerzielungsabsicht sei darin zu sehen, daß mit einem relativ geringen Kapitaleinsatz (Prämie) die Möglichkeit auf einen Gewinn (aus der Änderung der Devisenkurse bzw. des Goldpreises), welcher ein Vielfaches der Prämie sei, erworben werde. Falls sich jedoch die Preise nicht im Sinne der Erwartung des Optionsscheinsinhabers änderten, komme es nicht zur Ausnützung der Option und sei die vom Käufer der Option eingezahlte Prämie zur Gänze verloren. Es handle sich demnach aus devisenrechtlicher Sicht um eine Form von Geschäften mit Devisenwerten, die eindeutig spekulativen Charakter hätten, und zwar um Devisen- bzw. Goldhandelsgeschäfte. Andere Indizien für das Vorliegen der Differenzabsicht sei das mangelnde berufliche Interesse an den gehandelten Waren (Devisen bzw. Gold). Es bestehe von Anbeginn nicht die Absicht, die bestimmte Ware zu erwerben, sondern es solle lediglich bei entsprechend günstiger Preisentwicklung der Kursgewinn realisiert werden.
Die Präambel zum Devisengesetz umschreibe die Aufgaben der Devisenkontrolle. Im Abschnitt II des Devisengesetzes seien jene Bestimmungen enthalten, die eine Kontrolle und Lenkung der Verwendung von Devisenwerten ermöglichten. Gemäß § 2 Abs. 1 DevG sei unter anderem der Handel mit Forderungen in ausländischer Währung (Devisen im weiteren Sinn) sowie mit Gold nur der OeNB und den von ihr dazu ermächtigten Personen gestattet.
Im Hinblick auf die besondere Sensibilität dieser Materie, insbesondere auf die weitreichenden Auswirkungen von Devisen- bzw. Goldhandelsgeschäften auf die einheimische Währung, habe die OeNB die ihr eingeräumte Monopolstellung im Devisenhandel lediglich durch Erteilung von Devisenhandelsermächtigungen an inländische Banken gelockert, da Banken die fachlichen und organisatorischen Voraussetzungen zur Abwicklung solcher Geschäfte hätten. Darüber hinaus, insbesondere an Nichtbanken, würden solche Ermächtigungen grundsätzlich nicht erteilt. Da auch Spekulationsgeschäfte Einflüsse auf den Wert der inländischen Währung hätten - im Zusammenhang mit der Prämienzahlung erfolge ein Devisenabfluß -, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. In der Beschwerdebegründung wird im wesentlichen geltend gemacht, der beabsichtigte Erwerb der Optionsscheine sei im Hinblick auf die Kundmachung der OeNB DE 10/87 generell bewilligt und nicht einzelbewilligungspflichtig.
Unzutreffenderweise gehe die OeNB ferner von einem Devisenabfluß im Zusammenhang mit der von ihr angenommenen, jedoch nicht vorliegenden Prämienzahlung im Zusammenhalt mit den in den Optionsscheinen ermöglichten Optionen aus. Die belangte Behörde habe keine Feststellungen über die im August 1987 vorhandenen Währungsreserven bzw. Devisenfehlbestände getroffen. Darüber hinaus nehme der Beschwerdeführer die offiziellen Währungsreserven überhaupt nicht in Anspruch, da er den entgeltlichen Erwerb der beantragten Wertpapiere aus einem auf frei konvertierbare Fremdwährung lautenden Guthaben finanziere. Die beantragten Optionsscheine seien Wertpapiere. Ein Differenzgeschäft liege nicht vor. Der Beschwerdeführer, dem Parteiengehör nicht gewährt worden sei, habe die OeNB auch nicht darüber informiert, er wolle die Optionsscheine allein aus spekulativen Motiven erwerben.
Die OeNB begründe ihren ablehnenden Bescheid im wesentlichen damit, daß der Handel mit Forderungen in ausländischer Währung (Devisen im weiteren Sinn) sowie mit Gold nur ihr und dazu ermächtigten Personen gestattet sei. Der Beschwerdeführer habe überhaupt nicht um eine solche Ermächtigung angesucht, sondern einzig und allein um die Bewilligung zum entgeltlichen Erwerb von ausländischen, an anerkannten Wertpapierbörsen notierten Wertpapieren, die in der Kundmachung DE 10/87 ohnehin generell bewilligt und daher nicht einzelbewilligungspflichtig seien. Von Devisen- oder Goldhandelsgeschäften könne im Zusammenhang mit dem beantragten Wertpapiererwerb keine Rede sein. Der Beschwerdeführer habe weder Devisen- noch Goldhandelsgeschäfte beantragt.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die Devisenbewirtschaftung nach dem Devisengesetz ist durch ein System von Verboten und Beschränkungen mit Bewilligungsvorbehalt (Abschnitt II des Gesetzes) gekennzeichnet.
Der im Beschwerdefall zunächst in Betracht kommende Bewilligungstatbestand ist der des § 7 DevG. Diese Bestimmung lautet:
"(1) Über ausländische Wertpapiere und österreichische Auslandstitel darf nur mit Bewilligung verfügt werden, es sei denn, daß sie an die Oesterreichische Nationalbank oder an einen Devisenhändler veräußert werden.
(2) Die im Abs. (1) genannten Wertpapiere dürfen entgeltlich nur mit Bewilligung erworben werden."
Vorfrage für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist die Beurteilung der Wertpapiereigenschaft des Papiers, das erworben, veräußert oder über das verfügt werden soll. Wird diese Frage von der OeNB vorfrageweise verneinend beurteilt, stellt sich die weitere Frage, ob dem Bewilligungsantrag auf dem Boden einer anderen Bestimmung des II. Abschnittes des Devisengesetzes, je nach der Qualifikation des dem Antrag zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes, stattgegeben und eine Bewilligung erteilt werden kann. Insbesondere kann hier der § 2 Abs. 1 DevG als subsidiärer Tatbestand in Betracht kommen. Auch die belangte Behörde ist im Beschwerdefall von der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Bestimmung ausgegangen, hat sie doch den abweisenden Spruch des angefochtenen Bescheides auf diese Bestimmung gestützt.
§ 2 Abs. 1 DevG lautet:
"Der Handel mit ausländischen Zahlungsmitteln, Forderungen in ausländischer Währung, Gold und Goldmünzen, die nicht als Zahlungsmittel gelten, ist nur der Oesterreichischen Nationalbank und den von ihr dazu ermächtigten Personen (Devisenhändlern) gestattet. Die Ermächtigung kann ohne Angabe von Gründen jederzeit entzogen werden."
Wie der Wortlaut dieser Bestimmung zeigt, setzt ihre Anwendung erstens voraus, daß unter dem Begriff "Handel" auch der in Rede stehende Erwerb verstanden werden kann (siehe § 1 Abs. 1 Z. 11 DevG), zweitens daß die in Rede stehenden, nicht als Wertpapiere im Sinne des Devisengesetzes beurteilten ausländischen Optionsscheine unter den Begriff "Forderungen in ausländischer Währung" subsumiert werden können, und drittens daß der Klammerausdruck ("Devisenhändlern") im § 2 Abs. 1 DevG als offenkundiges Redaktionsversehen betrachtet wird, da nach § 1 Abs. 1 Z. 12 DevG nicht jede beliebige physische oder juristische Person, die eine Devisenhandelsermächtigung besitzt, als Devisenhändler gilt, sondern nur eine Bank, der diese Ermächtigung verliehen wurde (vgl. zum letzteren SCHWARZER - CSOKLICH - LIST, Das österreichische Währungs- und Devisenrecht4, 407, Anm 5).
2.2.1. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage, die eine Reihe schwieriger Auslegungsfragen aufwirft, sind sowohl das Rechtsinstitut des Feststellungsbescheides nach § 1 Abs. 2 DevG als auch der konkrete Antrag des Beschwerdeführers zu sehen.
Der Beschwerdeführer, der der Auffassung ist, die genannten Optionsscheine seien ausländische Wertpapiere, deren Erwerb generell bewilligt sei, stellte primär den entsprechenden Feststellungsantrag nach § 1 Abs. 2 DevG. Diese Bestimmung lautet:
"Die Oesterreichische Nationalbank kann verbindlich feststellen, ob eine Person oder ein Gegenstand den Begriffsbestimmungen dieses Bundesgesetzes entspricht, insbesondere ob eine Person Inländer oder Ausländer ist. Gegen einen solchen Feststellungsbescheid ist binnen zwei Wochen nach Zustellung die Berufung zulässig. Über die Berufung, die bei der Oesterreichischen Nationalbank einzubringen ist, entscheidet das Bundesministerium für Finanzen; aufschiebende Wirkung kommt der Berufung nicht zu."
Zu beachten ist im folgenden, daß Feststellungsbescheide der OeNB einem Rechtszug unterliegen, Bewilligungsbescheide jedoch nicht.
Hätte die belangte Behörde die Wertpapiereigenschaft festgestellt, wäre das Ziel des Beschwerdeführers, nämlich die einzelbewilligungsfreie Erwerbsmöglichkeit, erreicht gewesen. Eine solche vom Beschwerdeführer angestrebte positive Feststellung führt die gewünschte Wirkung auch dann herbei, wenn sie von der Berufungsbehörde getroffen würde.
Diese Wirkung eines möglichen, die Bewilligungsfreiheit herbeiführenden Berufungsbescheides im Feststellungsverfahren nach § 1 Abs. 2 DevG würde allerdings nicht erzielt, wenn die OeNB, die im Bewilligungsverfahren als erste und letzte Instanz tätig wird, in einem allfälligen gleichzeitigen Bewilligungsverfahren (in welchem die Wertpapiereigenschaft vorfrageweise zu beurteilen ist) einen die Bewilligung versagenden Bescheid erlassen hätte. Ungeachtet eines positiven (im konkreten Fall die Bewilligungsfreiheit bedeutenden) Feststellungsbescheides der Berufungsbehörde stünde der Zulässigkeit des Rechtsgeschäftes der rechtskräftige, die Bewilligung versagende Bescheid der OeNB entgegen. Dieser ist nämlich durch den nachfolgenden Feststellungsbescheid mangels Identität der Sache nicht als derogiert anzusehen (aA POTACS, Devisenbewirtschaftung 212, der von einem "Widerspruch zwischen den beiden Bescheiden" spricht und offenbar von einer Identität der Absprüche ausgeht), sondern könnte nur in einem weiteren Verfahren, nämlich einem Wiederaufnahmsverfahren nach § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG, beseitigt werden. Einen solchen Umweg nimmt ein Antragsteller in Kauf, der gleichzeitig mit einem Feststellungsantrag (dessen positive Erledigung die Bewilligungsfreiheit bedeuten würde) einen Bewilligungsantrag einbringt.
2.2.2. Der vom Beschwerdeführer ausdrücklich "subsidiär" und für den Fall, daß "kein positiver Feststellungsbescheid ergehen sollte", gestellte Bewilligungsantrag zum Erwerb der Optionsscheine muß daher so gedeutet werden, daß mit dieser vom Beschwerdeführer genannten Voraussetzung die rechtskräftige (negative) Erledigung des Feststellungsbegehrens gemeint ist. Denn andernfalls hätte der Beschwerdeführer nur den Bewilligungsantrag oder beide Anträge, jedoch ohne den Bewilligungsantrag als subsidiär zu kennzeichnen, gestellt.
Die belangte Behörde hat somit den Inhalt des Bewilligungsantrages des Beschwerdeführers verkannt, wenn sie über diesen vor rechtskräftiger Erledigung des als primär gekennzeichneten Feststellungsantrages durch Erlassung des angefochtenen Bescheides entschieden hat. In Wahrheit lag im Entscheidungszeitpunkt kein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers vor. Bewilligungsbescheide nach dem Devisengesetz sind antragsbedürftige Verwaltungsakte. Durch die Erlassung des antragsbedürftigen angefochtenen Bescheides ohne entsprechenden Antrag hat die belangte Behörde diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Dezember 1968, Slg. NF Nr. 7469/A, und vom 13. November 1986, Zl. 86/08/0163).
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
2.4. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1987170334.X00Im RIS seit
11.07.2001