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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §34 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des Dipl. Ing. S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. September 1991, Zl. MA 70-10/907/91/Str, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe i.A. Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 3 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AVG eine Ordnungsstrafe verhängt, weil er sich in einer an das Generalinspektorat der Sicherheitswache gerichteten schriftlichen Eingabe vom 10. Jänner 1991 einer beleidigenden Schreibweise gegenüber der Erstbehörde bedient habe, indem er unter anderem nachstehende Worte verwendet habe:
"Am 28. Dezember 1990 spreche ich im Kommissariat X, Herrn Dr. Y, vor, der die Sache nicht aufklären konnte, da sein Akt nicht komplett war und mir mitteilte, daß ich mich straffällig gemacht hätte, da ich nicht wüßte, wer das Fahrzeug gelenkt hat. Das Ganze in einer Atmosphäre, die nur entschuldbar ist, wenn man dem Beamten zugute hält, daß auch er zwischen den Feiertagen lieber zu Hause geblieben wäre."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 34 Abs. 3 AVG können gegen Personen, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen, die gleichen Ordnungsstrafen (wie in Abs. 2) verhängt werden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll mit der Pönalisierung der beleidigenden Schreibweise in § 34 Abs. 3 AVG nicht die Möglichkeit einer Partei beschnitten werden, sachliche Kritik am Vorgehen oder Verhalten eines Behördenorganes zu äußern. Diese Strafbestimmung soll erreichen, daß die Kritik an einer Behörde oder an einem ihrer Organe sich auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind. Die Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle wendet sich nicht gegen den Inhalt des Vorbringens, sondern gegen die Form, in der dieses erfolgt. Niemand ist daran gehindert, einen Mißstand, der nach seiner Meinung bei einer Behörde (oder einem Behördenorgan) besteht, der Oberbehörde (oder dem Dienstvorgesetzten des Organs) zur Kenntnis zu bringen, damit sie Abhilfe schaffen. Er muß sich dabei nur in den Grenzen der Sachlichkeit halten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0158).
Im Beschwerdefall hatte das Schreiben des Beschwerdeführers an das Generalinspektorat der Sicherheitswache vom 10. Jänner 1991 neben der Nachholung der Begründung seines Einspruches gegen eine Strafverfügung den Zweck, sich über das Verhalten eines Behördenorganes zu beschweren. Damit stand die Behauptung einer (unangenehmen) Gesprächsatmosphäre in sachlichem Zusammenhang. Die Hinzufügung, diese Atmosphäre wäre nur entschuldbar, wenn man dem Beamten zugute hielte, daß auch er zwischen den Feiertagen lieber zu Hause geblieben wäre, wäre zwar besser unterblieben, stellt aber noch keine eine Bestrafung rechtfertigende Anstandsverletzung dar. Bei dieser Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Vorsprache zwischen Weihnachten und Neujahr handelt es sich auch nicht um eine der Beweisführung unzugängliche Behauptung, sondern um einen Versuch, die Belastung des Gesprächsklimas mit der Zeit des Gespräches zu erklären.
Zusammenfassend ist der Verwaltungsgerichtshof somit der Ansicht, daß die inkriminierten Sätze noch keine beleidigende Schreibweise im Sinne des § 34 Abs. 3 AVG beinhalten, die mit einer Ordnungsstrafe zu ahnden wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020098.X00Im RIS seit
27.05.1992