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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. November 1991, Zl. MA 70-11/299/91/Str, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. November 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 27. Oktober 1989 um
22.20 Uhr an einem näher bestimmten Tatort in Wien einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe zwischen 17 Uhr und 21 Uhr des Tages der Tat zwei Liter Bier konsumiert. Sie leitete daraus, ohne einen Sachverständigen beizuziehen, ab, selbst unter der Annahme, der Beschwerdeführer habe diese Menge Bier unmittelbar nach 17 Uhr getrunken und unter Berücksichtigung einer Abbaurate von 0,1 %o pro Stunde ergebe sich für die Unfallzeit ein Blutalkoholgehalt von zumindest 1,1 %o. Es sei daher selbst unter Annahme der für den Beschwerdeführer günstigsten Umstände eine beträchtliche, jedenfalls aber die 0,8 %o-Grenze überschreitende Alkoholisierung des Beschwerdeführers vorgelegen.
Diese Schlußfolgerung bekämpft der Beschwerdeführer in der Beschwerde mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen auch festzustellen, daß der Beschwerdeführer etwa 1,90 m groß sei, etwa 90 kg wiege und darüber hinaus sportlich extrem durchtrainiert sei. Auch unterlasse es die belangte Behörde darzulegen, wie sie zu ihrer Annahme gekommen sei. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis berechtigt.
Gemäß § 52 AVG (§ 24 VStG) ist ein Sachverständigenbeweis dann vorzunehmen, wenn er sich als notwendig erweist. Dies bedeutet zwar nicht, daß jeder Erfahrungssatz aus dem Gebiete der Medizin im Einzelfall der Untermauerung durch ein Sachverständigengutachten bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1989, 89/18/0077). Die Ermittlung der Auswirkungen des Konsums einer bestimmten Menge eines alkoholischen Getränks auf den Blutalkoholgehalt eines Menschen kann jedoch - zumindest unter den gegebenen Umständen, die auch die Berücksichtigung eines nicht unerheblichen Zeitfaktors nach dem Konsum einer zwar relativ großen Menge eines jedoch nicht hochgradig alkoholhältigen Getränkes erfordern - nicht unter Heranziehung eines solchen allgemeinen Erfahrungssatzes gelöst werden.
Da es die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage unterließ, zur Feststellung des aus dem als erwiesen angenommenen Alkoholkonsum des Beschwerdeführers resultierenden Blutalkoholgehaltes im Zeitpunkt der Tat das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es ist nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit.c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur zweifach einzubringen und der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
Schlagworte
Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkoholisierungssymptome Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung ärztliches Gutachten Parteiengehör offenkundige notorische Tatsachen Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020119.X00Im RIS seit
12.06.2001