Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrages wegen inhaltlicher, nicht verbesserungsfähiger Mängel unter Hinweis auf VfSlg. 11888/1988Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit der vorliegenden, ausdrücklich auf Art140 Abs1 B-VG gestützten und als "Individualanfechtung" bezeichneten Eingabe des (rechtsfreundlich vertretenen) C-L H-L vom 21. März 1989 wird begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge
I. generelle Normen als verfassungswidrig aufheben, und zwar:
"1. a) Das Gesetz vom 3. April 1919, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, StGBl. Nr. 209, idF des Gesetzes vom 30. Oktober 1919, StGBl. Nr. 501/1919, des Bundesverfassungsgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 292/1925, und des Bundesverfassungsgesetzes vom 26. Jänner 1928, BGBl. Nr. 30/1928, des Bundesverfassungsgesetzes vom 4. Juli 1963, BGBl. Nr. 172/1963, zur Gänze und
b) vom Artikel 149 Abs1 B-VG 1929 in der derzeit geltenden Fassung die Worte: 'Gesetz vom 3. April 1919, StGBl. Nr. 209, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen',
in eventu: wegen inhaltlicher Verfassungswidrigkeit vom erstgenannten Gesetz in seiner derzeit geltenden Fassung:
a) den §2 zur Gänze,
b) vom §5 die Worte: . . . 'sowie des für das früher
regierende Haus oder für eine Zweiglinie desselben gebundenen
. . . ',
c) vom §6 die Absätze 2, 3 und 4,
d) den §7 zur Gänze,
2. vom Artikel 60 Abs3 B-VG den zweiten Satz,
3. vom §7 des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1954, betreffend Maßnahmen auf dem Gebiete des Stiftungs- und Fondswesens (Stiftungs- und Fondsreorganisationsgesetz), BGBl. Nr. 197/1954, den Punkt b), der wie folgt lautet: 'zur Geltendmachung der Rückstellungsansprüche ist die Republik Österreich berechtigt. Die Bestimmungen des §2 des Rückstellungsanspruchsgesetzes gelten auch für die Erhebung dieser Rückstellungsansprüche'."
II. gemäß §66 VerfGG 1953 aussprechen, daß die folgenden generellen Normen von den zur Vollziehung berufenen Organen nicht anzuwenden sind:
"4. vom Artikel 10 des Staatsvertrages von Wien vom 15. Mai 1955, BGBl. Nr. 152/1955, die Ziffer 2,
5. der Artikel II des Bundesverfassungsgesetzes vom 3. Juli 1973 zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973,
6. der Vorbehalt der Republik Österreich zu Artikel 3 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 434/1969,
7. der Vorbehalt der Republik Österreich zu Artikel 12 Abs4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, BGBl. Nr. 591/1978."
1.2. Die zur schriftlichen Äußerung eingeladene Bundesregierung trat dafür ein, diesen Antrag in allen Punkten als unzulässig zurückzuweisen. Hilfsweise wurde beantragt, das HabsburgerG bzw. die angefochtenen Bestimmungen dieses Gesetzes, ferner Art60 Abs3 zweiter Satz B-VG und §7 litb des Stiftungs- und FondsreorganisationsG nicht als verfassungswidrig aufzuheben und zu Art10 Z2 des Staatsvertrages BGBl. 152/1955 sowie den Vorbehalten zu Art3 des 4. ZProt.EMRK und zu Art12 Abs4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte nicht die Feststellung zu treffen, daß sie verfassungswidrig seien.
2. Über die Anträge wurde erwogen:
2.1. ("Individual"-)Anträge gemäß Art140 B-VG, welche keine Darlegung der Bedenken "im einzelnen" enthalten (§62 Abs1 Satz 2 VerfGG 1953), die gegen die Verfassungsmäßigkeit der - nach Auffassung des Einschreiters: aufzuhebenden - Normen sprechen, sind nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht verbesserungsfähig (§18 VerfGG 1953) und als unzulässig zurückzuweisen: Um den strengen Formerfordernissen des zweiten Satzes des §62 Abs1 VerfGG 1953 zu genügen, müssen daher die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit - in überprüfbarer Art - präzise ausgebreitet werden (vgl. VfGH 8.3.1977 B239/76, 23.9.1978 B449/77; vgl. ferner: VfSlg. 11.150/1986, 28.11.1988 G110-116/88 (zu ("Individual"-)Anträgen der auch hier einschreitenden Partei)).
Notwendige primäre Voraussetzung eines ("Individual"-)Antrags auf Aufhebung von Verfassungsgesetzen des Bundes, deren verfassungsmäßiges Zustandekommen nach den Regeln des Art44 Abs3 B-VG bestritten wird, ist überdies schon in formaler Beziehung die schlüssige Behauptung einer "Änderung" der Bundesverfassung, wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Beschluß vom 28. November 1988, G110-116/88, aussprach.
2.2.1. Das HabsburgerG wurde zugleich mit der Verfassungsgebung, und zwar kraft der ausdrücklichen Vorschrift des Art149 Abs1 B-VG, in den Rang eines Bundesverfassungsgesetzes (iSd Art44 Abs1 B-VG) gehoben. Demgemäß liegt auf der Hand, daß das verfassungsmäßige Zustandekommen des Art149 Abs1 B-VG iVm dem HabsburgerG nicht nach jenen Regeln zu prüfen ist, die erst mit diesem Akt der Verfassungsgesetzgebung selbst geschaffen wurden. Art44 Abs3 B-VG (früher: Art44 Abs2 B-VG) kann also niemals Maßstab für die Entstehung der Bundesverfassung überhaupt, so auch nicht ihres Art149 (B-VG), sein. Auch der - unzulänglich erläuterte - Hinweis auf das Bundesverfassungsgesetz BGBl. 172/1963 vermag daran nichts zu ändern: Insgesamt fehlt es jedenfalls - bereits in Beziehung auf Art149 B-VG - an der schlüssigen Behauptung einer "Änderung" der Bundesverfassung (Art44 Abs3 B-VG), sodaß sich der ("Individual"-)Antrag in diesem Punkt allein schon iSd Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Beschluß vom 28. November 1988, G110-116/88, als formal unzulässig erweist. Das gleiche gilt im wesentlichen für die nach Auffassung des Antragstellers als verfassungswidrig aufzuhebende Vorschrift des Art60 Abs3 Satz 2 B-VG (früher: Art60 Abs4 B-VG), zumal die im Antrag ersichtlich als Prüfungsmaßstab gedachten Bestimmungen des Staatsvertrags von St. Germain ihren Verfassungsrang durch eben jenen Akt des Bundesverfassungsgesetzgebers erhielten, mit dem auch die Art44 Abs2 (jetzt: Abs3) und 60 Abs4 (jetzt: Abs3 Satz 2) B-VG erlassen und die Vorschriften des HabsburgerG als Verfassungsnormen in Geltung gesetzt wurden.
2.2.2. Doch auch die Anfechtung des §7 litb Stiftungs- und FondsreorganisationsG leidet an unbehebbaren Gebrechen, weil es, wie die folgenden Ausführungen zeigen, wiederum an der Darlegung der Anfechtungsgründe "im einzelnen" fehlt (§62 Abs1 Satz 2 VerfGG 1953). In der Anfechtungsschrift wird nämlich einzig und allein auf dem Boden der - unzutreffenden - Annahme (siehe Abschnitt 2.2.1.) argumentiert, daß das HabsburgerG, das zur Zeit der Erlassung des Stiftungs- und FondsreorganisationsG als Verfassungsgesetz in Geltung stand, nicht (mehr) dem Rechtsbestand angehöre. Damit wurden die Normanfechtungsgründe an eine Bedingung geknüpft, die - weil sich der Antrag auf Aufhebung des HabsburgerG als unzulässig erwies - weder eintrat noch nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand eintreten kann; eigenständige, von dieser Bedingung losgelöste Anfechtunsgründe, wie sie §62 Abs1 Satz 2 VerfGG 1953 zwingend voraussetzt, aber fehlen völlig.
Unzulässig ist letztlich auch der Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, Art10 Z2 Staatsvertrag von Wien, BGBl. 152/1955, ArtII des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, und die Vorbehalte zu Art3 des 4. ZProt.EMRK, BGBl. 434/1969, und zu Art12 Abs4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, BGBl. 591/1978, seien "rechtswidrig" und von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen nicht mehr anzuwenden.
Denn aus der Antragsformulierung ist nicht hinreichend klar zu ersehen, worin die "Rechtswidrigkeit" des Art10 Z2 Staatsvertrag von Wien und der bekämpften Vorbehalte zu internationalen Übereinkommen gelegen sein soll. Schließlich wurde mit Beziehung auf das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, BGBl. 40/1980, außer Acht gelassen, daß der Verfassungsgerichtshof nach Art140a Abs1 B-VG zwar zur Prüfung der Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit von Staatsverträgen berufen ist, nicht aber dazu, staatsvertragliche Verpflichtungen an anderen Verpflichtungen dieser Art zu messen.
3. Aus den dargelegten Erwägungen war der mit inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Fehlern behaftete Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dieser Beschluß konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:G39.1989Dokumentnummer
JFT_10108871_89G00039_00