TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/12 92/18/0022

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Veröffentlicht am 12.06.1992
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;
StGB §12;
StGB §15;
StGB §302 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in F, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 14. Juni 1991, Zl. III 17-2/91, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 14. Juni 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 und § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 21. Dezember 2000 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. März 1990, AZ. 24 Vr 12/90, Hv 41/90, iVm dem Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 3. Oktober 1990, AZ. 7 Bs 408/90, wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach den §§ 15, 12 und 302 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Weiters sei über ihn mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 1990, AZ. 26 Vr 1923/90, Hv 152/90, wegen des Vergehens der Verleumdung eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen verhängt worden, weil er am 30. Juni 1990 in Innsbruck eine namentlich genannte Person dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt habe, daß er sie durch die vor Beamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck erhobene Behauptung, sie habe einen geliehenen Pkw samt Papieren nicht zurückgegeben, des Vergehens der Veruntreuung und der Urkundenunterdrückung falsch verdächtigt habe, obwohl er gewußt habe, daß die Verdächtigung falsch gewesen sei. Dazu kämen noch die im erstinstanzlichen Bescheid aufgezählten Verwaltungsstrafen.

Im Hinblick auf die zuerst genannte Verurteilung sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt und die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Bei der Interessenabwägung sei zwar zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, daß das Aufenthaltsverbot insbesondere im Hinblick auf den langen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich für ihn eine harte Maßnahme darstelle, doch sei das Gewicht der hier maßgebenden öffentlichen Interessen wesentlich größer, weshalb die Interessenabwägung zum Nachteil des Beschwerdeführers ausfalle.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an des Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte ihre Behandlung mit Beschluß vom 30. September 1991, B 892/91, ab und trat sie mit Beschluß vom 9. Jänner 1992 dem Verwaltungsgerichtshof ab. Dieser hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

              2.              Vorweg sei festgehalten, daß sich der Verwaltungsgerichtshof durch die im Zusammenhang mit der Anregung, § 3 Fremdenpolizeigesetz als verfassungswidrig anzufechten, erstatteten Ausführungen des Beschwerdeführers nicht zu einer Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlaßt sieht. Es genügt diesbezüglich, auf die bereits vom Verfassungsgerichtshof in seinem oben genannten Ablehnungsbeschluß zitierte Rechtsprechung zu verweisen.

              3.              Die belangte Behörde hat mit Recht auf Grund der oben erwähnten rechtskräftigen Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz als erfüllt angesehen. Damit war auch die im § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt (vgl. das Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 90/19/0598, mit weiteren Judikaturhinweisen).

              4.              Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auch die weitere gerichtliche Verurteilung und die im erstinstanzlichen Bescheid genannten Verwaltungsstrafen (eine Übertretung des § 23 Abs. 1 Paßgesetz 1969 im Jahre 1987, Übertretungen der §§ 15 Abs. 3, 19 Abs. 4 und 20 Abs. 2 StVO im Jahre 1989 und eine Übertretung des § 20 Abs. 1 StVO im Jahre 1990) berücksichtigt. Dazu enthält die Beschwerde keine Ausführungen, weshalb davon ausgegangen werden muß, daß auch diese Bestrafungen erfolgt sind.

              5.              Der Beschwerdeführer meint, daß die belangte Behörde bei der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommenen Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt habe, indem sie den maßgebenden öffentlichen Interessen unverhältnismäßig größeres Gewicht beigemessen habe als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich.

Diese Ausführungen überzeugen nicht. Die belangte Behörde hat sämtliche vom Beschwerdeführer angeführten privaten Interessen, insbesondere seinen langjährigen Aufenthalt in Österreich und die damit verbundene Integration, berücksichtigt. Seine Frau, ebenfalls eine türkische Staatsangehörige, ist nach der Aktenlage erst vor ca. drei Jahren nach Österreich gekommen und übt hier keinen Beruf aus. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf sie sind daher nicht so bedeutend wie die auf den Beschwerdeführer. Dasselbe gilt für die beiden in Österreich geborenen Kleinkinder. Der möglichen Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers kommt kein entscheidendes Gewicht zu, weil er seinen Beruf als Kellner auch in anderen Ländern ausüben kann.

Die belangte Behörde hat hingegen mit Recht den hier maßgebenden öffentlichen Interessen wesentlich größeres Gewicht beigemessen als den privaten Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen. Der Verurteilung wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt liegt zu Grunde, daß der Beschwerdeführer am 5. Oktober 1989 zwei Beamtinnen des Arbeitsamtes Innsbruck Geld angeboten hat, damit diese pflichtwidrig Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer ausstellen. Er erklärte dabei, daß er von Ausländern bis zu S 90.000,-- für die Beantragung einer Beschäftigungsbewilligung erhalte und bereit sei, diese Summe jeweils mit den Beamtinnen zu teilen. Derartige strafbare Handlungen sind geeignet, die ordnungsgemäße Vollziehung der für die Beschäftigung und den Aufenthalt von Fremden in Österreich geltenden Rechtsvorschriften empfindlich zu stören, weshalb - ganz abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer noch weitere strafbare Handlungen zur Last liegen - den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig größeres Gewicht zukommt als den Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

              6.              Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180022.X00

Im RIS seit

12.06.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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