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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §32 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Jänner 1991, Zl. MA 63-Sch 9/91/Str, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien (magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk) richtete mit Datum 5. September 1990 an die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein Straferkenntnis, dessen Schuldspruch wie folgt lautet:
"Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der X-KG Zweigniederlassung Y zu verantworten, daß in deren Filiale in W, S-Gasse 17-19, am 23. Mai 1989
1) nicht von sämtlichen Arbeitnehmern Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsstunden, welche die Überwachung der Einhaltung der im AZG geregelten Angelegenheiten ermöglichen, geführt wurden, sondern nur von den Arbeitnehmerinnen C und V;
2) die höchstzulässige Wochenarbeitszeit der Arbeitnehmerin C vom 20. März 1989 bis 25. März 1989 um 3 Stunden und 30 Minuten und
3) derselben vom 24. April 1989 bis 29. April 1989 um 2 Stunden;
4) der Arbeitnehmerin V vom 3. April 1989 bis 8. April 1989 um 2 Stunden und 30 Minuten überschritten wurde;
5) die höchstzulässige Tagesarbeitszeit der Arbeitnehmerin C am 22. März 1989 um 1 Stunde und 30 Minuten überschritten wurde.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
AZG ad 1) § 26 Abs. 1; ad 2) - 4) § 7 Abs. 1; ad 5) § 9; alle in Verbindung mit § 9 Abs. 2 VStG 1950."
Dieses Straferkenntnis wurde auf Grund der dagegen von der mitbeteiligten Partei eingebrachten Berufung von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG eingestellt.
In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 31 Abs. 1 VStG sei die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden sei. Auf Grund der Aktenlage ergebe sich, daß der Mitbeteiligte erstmals mit Rechtshilfersuchen der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land an den Magistrat der Stadt Wien (magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk) vom 21. September 1989 als Beschuldigter verfolgt worden sei. Wenn auch ein Rechtshilfersuchen grundsätzlich eine taugliche Verfolgungshandlung darstelle, so habe dieses Rechtshilfersuchen den Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht verhindern können, da in diesem die dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten nicht hinreichend konkretisiert seien. Dieses Rechtshilfersuchen weise den Mitbeteiligten als Beschuldigten aus und umschreibe die zur Last gelegte Tat wie folgt:
"Als verantwortlicher Beauftragter und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1950) der Firma X-KG, Zweigniederlassung Y in der Betriebsanlage W, S-Gasse 17-19 a) für Arbeitnehmer Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt werden, die die Überwachung der Einhaltung der im Arbeitszeitgesetz geregelten Angelegenheiten ermöglicht, laut Überprüfung vom 23. Mai 1989 wurden nur Aufzeichnungen über die gesamten Tagesarbeitsstunden der Arbeitnehmerinnen C und V geführt; b) die höchstzulässige Arbeitszeit von fünfzig Stunden beachtet und eingehalten wurde. Diese wurde von der Arbeitnehmerin C in der Woche vom 20. März 1989 zum 25. März 1989 um drei Stunden dreißig Minuten und in der Woche vom 24. April 1989 zum 29. April 1989 um zwei Stunden; von der Arbeitnehmerin V in der Woche vom 3. April 1989 zum 8. April 1989 um zwei Stunden dreißig Minuten überschritten; c) die höchstmögliche Tagesarbeitszeit von zehn Stunden beachtet und eingehalten wird. Diese wurde von der Arbeitnehmerin C am 22. März 1989 um eine Stunde dreißig Minuten überschritten."
Durch diese - so die belangte Behörde - teilweise nicht einmal vollständigen Sätze aufweisende Beschreibung der angelasteten Tat sei der strafbare Sachverhalt nicht hinreichend bestimmt. Da somit innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG keine taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen worden sei, sei das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG einzustellen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in welchen sie jeweils die Abweisung der Beschwerde beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, das im angefochtenen Bescheid zitierte Rechtshilfersuchen enthalte zwar tatsächlich - auf Grund eines offenkundigen Schreibfehlers - unvollständige Sätze, jedoch auch alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente und stelle daher eine taugliche Verfolgungshandlung dar; somit sei Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Der angefochtene Bescheid sei daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und das Verwaltungsstrafverfahren zu Unrecht eingestellt worden. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht:
Das erwähnte Rechtshilfersuchen vom 21. September 1989 kann nämlich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sinnvoll nur so verstanden werden, daß der mitbeteiligten Partei zur Last gelegt werden sollte, entsprechend dem darin angeführten Sachverhalt nicht für die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes Sorge getragen zu haben. Das Fehlen von Worten wie etwa "... nicht dafür gesorgt, daß ..." ändert daher nichts an der rechtliche Qualifikation dieses Rechtshilfersuchens als taugliche Verfolgungshandlung. Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt.
Weshalb - entsprechend dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei in der Gegenschrift - das erwähnte Rechtshilfersuchen deshalb keine taugliche Verfolgungshandlung darstellen sollte, weil es an eine unzuständige Behörde gerichtet gewesen sein sollte, ist nicht erkennbar; in diesem Zusammenhang wird die mitbeteiligte Partei auf die Vorschrift des § 40 Abs. 2 zweiter Satz VStG 1950 (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990) verwiesen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180083.X00Im RIS seit
12.06.1992