TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/12 92/18/0134

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Veröffentlicht am 12.06.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs5;
AAV §93 Abs5;
BArbSchV §1;
BArbSchV §19 Abs3;
BArbSchV §2;
BArbSchV §33 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Ing. G in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. März 1992, Zl. Ge-50.361/1-1992/Pan/W, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. März 1992 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer bestimmten Ges.m.b.H., die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin einer näher angeführten Kommanditgesellschaft sei, als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten, daß am 23. Oktober 1990 auf einer näher angeführten Baustelle ein namentlich genannter Arbeiter mit Verputzarbeiten auf einem Metallrohrgerüst beschäftigt gewesen sei, obwohl der Gerüstbelag, auf dem er gestanden sei, sich in einer Höhe von ca. 4 m über dem Erdboden befunden habe und der Gerüstbelag nicht dicht aneinander verlegt gewesen sei; Gerüstbelagsteile müßten dicht aneinander verlegt werden. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 46 Abs. 5 AAV begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Zur - unberechtigten - Verjährungseinrede wird der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/18/0135, verwiesen. Allerdings ist der Beschwerdeführer im Ergebnis mit seinem Vorbringen im Recht, die ihm vorgeworfene Tat hätte nicht der Vorschrift des § 46 Abs. 5 AAV unterstellt werden dürfen.

Gemäß § 19 Abs. 3 dritter Satz der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954 (BV), sind die Pfosten (des Belages von Gerüstlagen) dicht zu verlegen und sicher zu lagern; ihr Überstand darf nicht mehr als 20 cm betragen. (§ 19 BV steht unter der Überschrift "Allgemeines über Gerüste".)

Abs. 5 erster Satz des § 33 BV schreibt vor, daß Gerüstlagen, auf denen gearbeitet wird, dicht hergestellt seien müssen. (§ 33 BV steht unter der Überschrift "Benützung von Gerüsten".)

Nach § 46 Abs. 5 zweiter Satz AAV müssen Gerüstbelagteile dicht aneinander und so verlegt sein, daß sie nicht herabfallen, kippen, sich verschieben oder zu stark durchbiegen können.

Zum Verhältnis der BV zur AAV ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0184, zu verweisen, wonach entsprechend dem Wortlaut des § 2 BV in Verbindung mit § 93 Abs. 5 AAV bei den unter den Geltungsbereich der BV fallenden Arbeiten grundsätzlich die einschlägigen Vorschriften der AAV zusätzlich zu denen der BV anzuwenden sind und dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt steht, daß im nachstehenden, d.h. in den weiteren, dem § 2 BV folgenden Bestimmungen dieser Verordnung nicht anderes bestimmt, also die Anwendung "auch" der AAV ausgeschlossen wird.

Diese aufgezeigte "Priorität" der BV im Verhältnis zur AAV kommt auch dann zum Tragen, wenn in beiden Vorschriften sinngemäß dasselbe angeordnet wird, wie das etwa im vorliegenden Fall in bezug auf die "Dichte" des Gerüstbelages (§ 19 Abs. 3 dritter Satz, erster Fall, und § 33 Abs. 5 erster Satz BV, § 46 Abs. 5 zweiter Satz, erster Fall, AAV) zutrifft.

Sohin bleibt noch das Verhältnis der erwähnten Vorschrift des § 19 Abs. 3 zu jener des § 33 Abs. 5 BV zu prüfen. Im Hinblick auf den Wortlaut dieser beiden Bestimmungen (vgl. auch die Überschriften) ist der Gerichtshof der Ansicht, daß jener Fall, wo auf einer Gerüstlage "gearbeitet" wird, im § 33 Abs. 5 erster Satz BV geregelt ist.

Bezogen auf den vorliegenden Beschwerdefall hat daher die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, indem sie das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten nicht dem § 33 Abs. 5 BV, sondern dem § 46 Abs. 5 AAV unterstellte.

Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, da der Beschwerde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur der angefochtene Bescheid anzuschließen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180134.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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