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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ARG 1984 §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Mai 1990, Zl. MA 63-M 25/89/Str., betreffend Einstellung des Strafverfahrens wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 8. Mai 1989 wurde der Mitbeteiligte wegen 20 Übertretungen des § 4 ARG schuldig erkannt, weil er es als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der A KG zu verantworten habe, daß 20 im einzelnen bezeichneten Arbeitnehmern dieser Gesellschaft zu bestimmten Zeiten (im Zeitraum zwischen 5. September und 30. November 1988) nicht die Wochenruhe im Sinne des § 4 ARG gewährt worden sei.
2. In der dagegen erhobenen Berufung vom 4. Juli 1989 machte der Mitbeteiligte unter anderem geltend, er habe bereits vor Jahren, nämlich am 1. Jänner 1984 eine verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt und dies der Behörde am 30. April 1984 mitgeteilt und nachgewiesen. Dieser Beauftragten obliege die Koordinierung von Fahrzeugen und Lenkern, Einteilung der Fahrer auf die Fahrzeuge und Kontrolle der Fahrtenbücher, all dies unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorschriften.
3. In der zur Berufung des Mitbeteiligten eingeholten Stellungnahme vom 21. November 1989 vertrat das Arbeitsinspektorat die Auffassung, der bestellten verantwortlichen Beauftragten fehle eine entsprechende Anordnungsbefugnis. Mit den angeführten Kompetenzen könne die Einhaltung der Bestimmungen des ARG nicht gewährleistet werden. Die Anordnungsbefugnis müßte auch die Ablehnung von Aufträgen umfassen, wenn diese nicht im Rahmen der Bestimmungen des ARG durchgeführt werden können; es müßte ihr möglich sein, zusätzliches Personal aufzunehmen.
4. Der Mitbeteiligte vertrat dazu die Auffassung, die Anforderungen, die das Arbeitsinspektorat an einen verantwortlichen Beauftragten stelle, seien übertrieben. Die Aufnahme von Personal und die Ablehnung von Aufträgen könne der verantwortlichen Beauftragten nicht obliegen, "andernfalls es ihr an sachlich abgegrenztem Bereich fehlen würde". Es müsse ausreichen, wenn sie den Mitbeteiligten über Engpässe oder drohende Rechtsverletzungen informiere.
5. Mit Bescheid vom 15. Mai 1990 gab der Landeshauptmann von Wien (die belangte Behörde) der Berufung des Mitbeteiligten Folge und stellte gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 das Verfahren ein. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Tatsache, daß der zur verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nicht das Recht zustehe, Aufträge abzulehnen bzw. zusätzliches Personal einzustellen, lasse nicht von vornherein auf das Fehlen entsprechender Anordnungsbefugnis schließen, habe sie doch jederzeit die Möglichkeit, den Geschäftsführer auf die Unmöglichkeit der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften aufmerksam zu machen, der erst dann, wenn er die Verwaltungsübertretung vorsätzlich nicht durch Ablehnung von Aufträgen oder Aufnahme zusätzlichen Personals verhindere, selbst strafbar werde. "Dafür, daß die verantwortliche Beauftragte auf Grund der Organisation des Unternehmens jedenfalls außerstande ist, allein durch Koordinierung der Fahrzeuge, Einteilung der Lenker und Kontrolle der Fahrtenbücher Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes zu vermeiden, fehlt nach der Aktenlage jeglicher Anhaltspunkt."
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II.
1. Gemäß § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG 1950 können für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens (einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit) auch andere (als die zur Vertretung nach außen berufenen) Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950 kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Diese Gesetzesstelle umschreibt die Voraussetzungen, die eine Person erfüllen muß, um als verantwortlicher Beauftragter bestellt werden zu können. Dazu zählt unter anderem die Einräumung einer entsprechenden Anordnungsbefugnis für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich. Die einem verantwortlichen Beauftragten eingeräumte Anordnungsbefugnis ist nur dann entsprechend im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG 1950, wenn sie ihm ermöglicht, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften sicherzustellen (vgl. die Erläuterungen zu der dem Bundesgesetz vom 2. März 1983, BGBl. Nr. 176, zugrunde liegenden Regierungsvorlage 161 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR. XV. GP). Der verantwortliche Beauftragte muß durch die ihm eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit in der Lage sein, die Verwaltungsvorschriften einzuhalten. Die bloße Möglichkeit, den Arbeitgeber bzw. das zur Vertretung nach außen berufene Organ des Arbeitgebers von der drohenden oder unvermeidlichen Verletzung von Verwaltungsvorschriften zu informieren, stellt keine Anordnungsbefugnis im beschriebenen Sinne dar.
2. Wendet man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß der vom Mitbeteiligten bestellten Person keine ausreichende Anordnungsbefugnis eingeräumt war. Ihr hätte zumindest auch die Befugnis eingeräumt werden müssen, die Ausführung von Aufträgen, die mit den vorhandenen Lenkern ohne Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht durchgeführt werden können, abzulehnen. Da ihr diese Befugnis oder das Recht, kurzfristig weiteres (Aushilfs-)Personal aufzunehmen, unbestrittenermaßen nicht zustand, war die ihr eingeräumte Anordnungsbefugnis für die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten entgegen der Auffassung der belangten Behörde und des Mitbeteiligten nicht ausreichend.
3. Da die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid eine unrichtigte Rechtsansicht zugrunde gelegt hat, hat sie diesen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990190464.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013